Kant: AA VII, Der Streit der ... , Seite 028

   
         
 

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  01 Auf einer Universität muß aber auch ein solches Departement gestiftet,    
  02 d.i. es muß eine philosophische Facultät sein. In Ansehung der    
  03 drei obern dient sie dazu, sie zu controlliren und ihnen eben dadurch nützlich    
  04 zu werden, weil auf Wahrheit (die wesentliche und erste Bedingung    
  05 der Gelehrsamkeit überhaupt) alles ankommt; die Nützlichkeit aber, welche    
  06 die oberen Facultäten zum Behuf der Regierung versprechen, nur ein    
  07 Moment vom zweiten Range ist.- Auch kann man allenfalls der theologischen    
  08 Facultät den stolzen Anspruch, daß die philosophische ihre Magd    
  09 sei, einräumen (wobei doch noch immer die Frage bleibt: ob diese ihrer    
  10 gnädigen Frau die Fackel vorträgt oder die Schleppe nachträgt),    
  11 wenn man sie nur nicht verjagt, oder ihr den Mund zubindet; denn eben    
  12 diese Anspruchslosigkeit, blos frei zu sein, aber auch frei zu lassen, blos die    
  13 Wahrheit zum Vortheil jeder Wissenschaft auszumitteln und sie zum beliebigen    
  14 Gebrauch der oberen Facultäten hinzustellen, muß sie der Regierung    
  15 selbst als unverdächtig, ja als unentbehrlich empfehlen.    
  16 Die philosophische Facultät enthält nun zwei Departemente, das eine    
  17 der historischen Erkenntniß (wozu Geschichte, Erdbeschreibung, gelehrte    
  18 Sprachkenntniß, Humanistik mit allem gehört, was die Naturkunde    
  19 von empirischem Erkenntniß darbietet), das andere der reinen Vernunfterkenntnisse    
  20 (reinen Mathematik und der reinen Philosophie,    
  21 Metaphysik der Natur und der Sitten) und beide Theile der Gelehrsamkeit    
  22 in ihrer wechselseitigen Beziehung auf einander. Sie erstreckt sich eben    
  23 darum auf alle Theile des menschlichen Wissens (mithin auch historisch    
  24 über die obern Facultäten), nur daß sie nicht alle (nämlich die eigenthümlichen    
  25 Lehren oder Gebote der obern) zum Inhalte, sondern zum Gegenstande    
  26 ihrer Prüfung und Kritik in Absicht auf den Vortheil der Wissenschaften    
  27 macht.    
         
  28 Die philosophische Facultät kann also alle Lehren in Anspruch nehmen,    
  29 um ihre Wahrheit der Prüfung zu unterwerfen. Sie kann von der Regierung,    
  30 ohne daß diese ihrer eigentlichen, wesentlichen Absicht zuwider handle,    
  31 nicht mit einem Interdict belegt werden, und die obern Facultäten müssen    
  32 sich ihre Einwürfe und Zweifel, die sie öffentlich vorbringt, gefallen lassen,    
  33 welches jene zwar allerdings lästig finden dürften, weil sie ohne solche    
  34 Kritiker in ihrem, unter welchem Titel es auch sei, einmal inne habenden    
  35 Besitz ungestört ruhen und dabei noch despotisch hätten befehlen können.    
  36 -Nur den Geschäftsleuten jener oberen Facultäten (den Geistlichen,    
  37 Rechtsbeamten und Ärzten) kann es allerdings verwehrt werden, daß sie    
         
     

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