Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 271 |
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| 04 | Der Besitz der Willkür eines Anderen, als Vermögen sie durch die | ||||||
| 05 | meine nach Freiheitsgesetzen zu einer gewissen That zu bestimmen, (das | ||||||
| 06 | äußere Mein und Dein in Ansehung der Causalität eines Anderen) ist | ||||||
| 07 | ein Recht (dergleichen ich mehrere gegen eben dieselbe Person oder gegen | ||||||
| 08 | Andere haben kann): der Inbegriff (das System) der Gesetze aber, nach | ||||||
| 09 | welchen ich in diesem Besitz sein kann, das persönliche Recht, welches nur | ||||||
| 10 | ein einziges ist. | ||||||
| 11 | Die Erwerbung eines persönlichen Rechts kann niemals ursprünglich | ||||||
| 12 | und eigenmächtig sein (denn eine solche würde nicht dem Princip der Einstimmung | ||||||
| 13 | der Freiheit meiner Willkür mit der Freiheit von jedermann | ||||||
| 14 | gemäß, mithin Unrecht sein). Eben so kann ich auch nicht durch rechtswidrige | ||||||
| 15 | That eines Anderen ( facto iniusto alterius ) erwerben; denn | ||||||
| 16 | wenn diese Läsion mir auch selbst widerfahren wäre, und ich von dem | ||||||
| 17 | Anderen mit Recht Genugthuung fordern kann, so wird dadurch doch nur | ||||||
| 18 | das Meine unvermindert erhalten, aber nichts über das, was ich schon | ||||||
| 19 | vorher hatte, erworben. | ||||||
| 20 | Erwerbung durch die That eines Anderen, zu der ich diesen nach | ||||||
| 21 | Rechtsgesetzen bestimme, ist also jederzeit von dem Seinen des Anderen | ||||||
| 22 | abgeleitet, und diese Ableitung als rechtlicher Act kann nicht durch diesen | ||||||
| 23 | als einen negativen Act, nämlich der Verlassung, oder einer auf das | ||||||
| 24 | Seine geschehenen Verzichtthuung ( per derelictionem aut renunciationem ), | ||||||
| 25 | geschehen, denn dadurch wird nur das Seine Eines oder des Anderen | ||||||
| 26 | aufgehoben, aber nichts erworben, - sondern allein durch Übertragung | ||||||
| 27 | ( translatio ), welche nur durch einen gemeinschaftlichen Willen | ||||||
| 28 | möglich ist, vermittelst dessen der Gegenstand immer in die Gewalt des | ||||||
| 29 | Einen oder des Anderen kommt, alsdann einer seinem Antheile an dieser | ||||||
| 30 | Gemeinschaft entsagt, und so das Object durch Annahme desselben (mithin | ||||||
| 31 | einen positiven Act der Willkür) das Seine wird. - Die Übertragung | ||||||
| 32 | seines Eigenthums an einen Anderen ist die Veräußerung. Der Act | ||||||
| 33 | der vereinigten Willkür zweier Personen, wodurch überhaupt das Seine | ||||||
| 34 | des Einen auf den Anderen übergeht, ist der Vertrag. | ||||||
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