Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 476 |
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| 01 | Wesens auf seine schlechthin nothwendige Existenz; denn (heißt | ||||||
| 02 | es) wenn es nicht existirte, so würde ihm eine Realität, nämlich die Existenz, | ||||||
| 03 | mangeln. - Der andere (den man auch den metaphysisch=kosmologischen | ||||||
| 04 | Beweis nennt) schloß aus der Nothwendigkeit der Existenz irgend | ||||||
| 05 | eines Dinges (dergleichen, da mir im Selbstbewußtsein ein Dasein | ||||||
| 06 | gegeben ist, durchaus eingeräumt werden muß) auf die durchgängige Bestimmung | ||||||
| 07 | desselben als allerrealsten Wesens: weil alles Existirende durchgängig | ||||||
| 08 | bestimmt, das schlechterdings Nothwendige aber (nämlich was wir | ||||||
| 09 | als ein solches, mithin a priori erkennen sollen) durch seinen Begriff | ||||||
| 10 | durchgängig bestimmt sein müsse; welches sich aber nur im Begriffe eines | ||||||
| 11 | allerrealsten Dinges antreffen lasse. Es ist hier nicht nöthig, die Sophisterei | ||||||
| 12 | in beiden Schlüssen aufzudecken, welches schon anderwärts geschehen | ||||||
| 13 | ist; sondern nur zu bemerken, daß solche Beweise, wenn sie sich auch durch | ||||||
| 14 | allerlei dialektische Subtilität verfechten ließen, doch niemals über die | ||||||
| 15 | Schule hinaus in das gemeine Wesen hinüberkommen und auf den bloßen | ||||||
| 16 | gesunden Verstand den mindesten Einfluß haben könnten. | ||||||
| 17 | Der Beweis, welcher einen Naturbegriff, der nur empirisch sein kann, | ||||||
| 18 | dennoch aber über die Gränzen der Natur als Inbegriffs der Gegenstände | ||||||
| 19 | der Sinne hinausführen soll, zum Grunde legt, kann kein anderer, als | ||||||
| 20 | der von den Zwecken der Natur sein: deren Begriff sich zwar nicht a priori, | ||||||
| 21 | sondern nur durch die Erfahrung geben läßt, aber doch einen solchen Begriff | ||||||
| 22 | von dem Urgrunde der Natur verheißt, welcher unter allen, die wir | ||||||
| 23 | denken können, allein sich zum Übersinnlichen schickt, nämlich den von einem | ||||||
| 24 | höchsten Verstande als Weltursache; welches er auch in der That nach | ||||||
| 25 | Principien der reflectirenden Urtheilskraft, d. i. nach der Beschaffenheit | ||||||
| 26 | unseres (menschlichen) Erkenntnißvermögens, vollkommen ausrichtet. | ||||||
| 27 | Ob er nun aber aus denselben Datis diesen Begriff eines obersten, d. i. | ||||||
| 28 | unabhängigen, verständigen Wesens auch als eines Gottes, d. i. Urhebers | ||||||
| 29 | einer Welt unter moralischen Gesetzen, mithin hinreichend bestimmt für | ||||||
| 30 | die Idee von einem Endzwecke des Daseins der Welt zu liefern im Stande | ||||||
| 31 | sei, das ist eine Frage, worauf alles ankommt; wir mögen nun einen theoretisch | ||||||
| 32 | hinlänglichen Begriff von dem Urwesen zum Behuf der gesammten | ||||||
| 33 | Naturkenntniß, oder einen praktischen für die Religion verlangen. | ||||||
| 34 | Dieses aus der physischen Teleologie genommene Argument ist verehrungswerth. | ||||||
| 35 | Es thut gleiche Wirkung zur Überzeugung auf den gemeinen | ||||||
| 36 | Verstand, als auf den subtilsten Denker; und ein Reimarus in seinem | ||||||
| 37 | noch nicht übertroffenen Werke, worin er diesen Beweisgrund mit der | ||||||
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