Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 418

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Es ist daher vernünftig, ja verdienstlich, dem Naturmechanism zum      
  02 Behuf einer Erklärung der Naturproducte soweit nachzugehen, als es mit      
  03 Wahrscheinlichkeit geschehen kann, ja diesen Versuch nicht darum aufzugeben,      
  04 weil es an sich unmöglich sei auf seinem Wege mit der Zweckmäßigkeit      
  05 der Natur zusammenzutreffen, sondern nur darum, weil es für      
  06 uns als Menschen unmöglich ist; indem dazu eine andere als sinnliche      
  07 Anschauung und ein bestimmtes Erkenntniß des intelligibelen Substrats      
  08 der Natur, woraus selbst von dem Mechanism der Erscheinungen nach      
  09 besondern Gesetzen Grund angegeben werden könne, erforderlich sein      
  10 würde, welches alles unser Vermögen gänzlich übersteigt.      
           
  11 Damit also der Naturforscher nicht auf reinen Verlust arbeite, so      
  12 muß er in Beurtheilung der Dinge, deren Begriff als Naturzwecke unbezweifelt      
  13 gegründet ist (organisirter Wesen), immer irgend eine ursprüngliche      
  14 Organisation zum Grunde legen, welche jenen Mechanism selbst      
  15 benutzt, um andere organisirte Formen hervorzubringen, oder die seinige      
  16 zu neuen Gestalten (die doch aber immer aus jenem Zwecke und ihm gemäß      
  17 erfolgen) zu entwickeln.      
           
  18 Es ist rühmlich, vermittelst einer comparativen Anatomie die große      
  19 Schöpfung organisirter Naturen durchzugehen, um zu sehen: ob sich daran      
  20 nicht etwas einem System Ähnliches und zwar dem Erzeugungsprincip      
  21 nach vorfinde; ohne daß wir nöthig haben, beim bloßen Beurtheilungsprincip      
  22 (welches für die Einsicht ihrer Erzeugung keinen Aufschluß giebt)      
  23 stehen zu bleiben und muthlos allen Anspruch auf Natureinsicht in      
  24 diesem Felde aufzugeben. Die Übereinkunft so vieler Thiergattungen in      
  25 einem gewissen gemeinsamen Schema, das nicht allein in ihrem Knochenbau,      
  26 sondern auch in der Anordnung der übrigen Theile zum Grunde zu      
  27 liegen scheint, wo bewundrungswürdige Einfalt des Grundrisses durch      
  28 Verkürzung einer und Verlängerung anderer, durch Einwickelung dieser      
  29 und Auswickelung jener Theile eine so große Mannigfaltigkeit von      
  30 Species hat hervorbringen können, läßt einen obgleich schwachen Strahl      
  31 von Hoffnung in das Gemüth fallen, daß hier wohl etwas mit dem      
  32 Princip des Mechanismus der Natur, ohne welches es überhaupt keine      
  33 Naturwissenschaft geben kann, auszurichten sein möchte. Diese Analogie      
  34 der Formen, sofern sie bei aller Verschiedenheit einem gemeinschaftlichen      
  35 Urbilde gemäß erzeugt zu sein scheinen, verstärkt die Vermuthung einer      
  36 wirklichen Verwandtschaft derselben in der Erzeugung von einer gemeinschaftlichen      
  37 Urmutter durch die stufenartige Annäherung einer Thiergattung      
           
     

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