Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 233 |
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| 01 | angehören müsse. D. i. in welcher Art von Gründen der Beurtheilung ein | ||||||
| 02 | Ideal Statt finden soll, da muß irgend eine Idee der Vernunft nach bestimmten | ||||||
| 03 | Begriffen zum Grunde liegen, die a priori den Zweck bestimmt, | ||||||
| 04 | worauf die innere Möglichkeit des Gegenstandes beruht. Ein Ideal schöner | ||||||
| 05 | Blumen, eines schönen Ameublements, einer schönen Aussicht läßt sich nicht | ||||||
| 06 | denken. Aber auch von einer bestimmten Zwecken anhängenden Schönheit, | ||||||
| 07 | z. B. einem schönen Wohnhause, einem schönen Baume, schönen Garten | ||||||
| 08 | u. s. w., läßt sich kein Ideal vorstellen; vermuthlich weil die Zwecke durch | ||||||
| 09 | ihren Begriff nicht genug bestimmt und fixirt sind, folglich die Zweckmäßigkeit | ||||||
| 10 | beinahe so frei ist, als bei der vagen Schönheit. Nur das, was | ||||||
| 11 | den Zweck seiner Existenz in sich selbst hat, der Mensch, der sich durch | ||||||
| 12 | Vernunft seine Zwecke selbst bestimmen, oder, wo er sie von der äußern | ||||||
| 13 | Wahrnehmung hernehmen muß, doch mit wesentlichen und allgemeinen | ||||||
| 14 | Zwecken zusammenhalten und die Zusammenstimmung mit jenen alsdann | ||||||
| 15 | auch ästhetisch beurtheilen kann: dieser Mensch ist also eines Ideals der | ||||||
| 16 | Schönheit, so wie die Menschheit in seiner Person, als Intelligenz, des | ||||||
| 17 | Ideals der Vollkommenheit unter allen Gegenständen in der Welt | ||||||
| 18 | allein fähig. | ||||||
| 19 | Hiezu gehören aber zwei Stücke: erstlich die ästhetische Normalidee, | ||||||
| 20 | welche eine einzelne Anschauung (der Einbildungskraft) ist, die das | ||||||
| 21 | Richtmaß seiner Beurtheilung, als eines zu einer besonderen Thierspecies | ||||||
| 22 | gehörigen Dinges, vorstellt; zweitens die Vernunftidee, welche die | ||||||
| 23 | Zwecke der Menschheit, sofern sie nicht sinnlich vorgestellt werden können, | ||||||
| 24 | zum Princip der Beurtheilung seiner Gestalt macht, durch welche als ihre | ||||||
| 25 | Wirkung in der Erscheinung sich jene offenbaren. Die Normalidee mu | ||||||
| 26 | ihre Elemente zur Gestalt eines Thiers von besonderer Gattung aus der | ||||||
| 27 | Erfahrung nehmen; aber die größte Zweckmäßigkeit in der Construction | ||||||
| 28 | der Gestalt, die zum allgemeinen Richtmaß der ästhetischen Beurtheilung | ||||||
| 29 | jedes Einzelnen dieser Species tauglich wäre, das Bild, was gleichsam | ||||||
| 30 | absichtlich der Technik der Natur zum Grunde gelegen hat, dem nur die | ||||||
| 31 | Gattung im Ganzen, aber kein Einzelnes abgesondert adäquat ist, liegt | ||||||
| 32 | doch bloß in der Idee des Beurtheilenden, welche aber mit ihren Proportionen | ||||||
| 33 | als ästhetische Idee in einem Musterbilde völlig in concreto dargestellt | ||||||
| 34 | werden kann. Um, wie dieses zugehe, einigermaßen begreiflich zu | ||||||
| 35 | machen (denn wer kann der Natur ihr Geheimniß gänzlich ablocken?), | ||||||
| 36 | wollen wir eine psychologische Erklärung versuchen. | ||||||
| 37 | Es ist anzumerken: daß auf eine uns gänzlich unbegreifliche Art die | ||||||
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