Kant: AA IV, Metaphysische Anfangsgründe ... , Seite 549

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 einander gleich . Eben so, wenn A die Materie B zurückstößt, so widersteht      
  02 A der Annäherung von B. Da es aber einerlei ist, ob sich B dem A      
  03 oder A dem B nähere, so widersteht B auch eben so viel der Annäherung      
  04 von A; Druck und Gegendruck sind also auch jederzeit einander gleich.      
           
  05
Anmerkung 1.
     
           
  06 Dies ist also die Construction der Mittheilung der Bewegung, welche zugleich      
  07 das Gesetz der Gleichheit der Wirkung und Gegenwirkung als nothwendige Bedingung      
  08 derselben bei sich führt, welches Newton sich gar nicht getrauete a priori      
  09 zu beweisen, sondern sich deshalb auf Erfahrung berief, welchem zu Gefallen      
  10 andere eine besondere Kraft der Materie unter dem von Keplern zuerst angeführten      
  11 Namen der Trägheitskraft ( vis inertiae ) in der Naturwissenschaft einführten      
  12 und also im Grunde es auch von Erfahrung ableiteten, endlich noch andere      
  13 in dem Begriffe einer bloßen Mittheilung der Bewegung setzten, welche sie wie      
  14 einen allmähligen Übergang der Bewegung des einen Körpers in den andern      
  15 ansahen, wobei der bewegende gerade so viel einbüßen müsse, als er dem bewegten      
  16 ertheilt, bis er dem letzteren keine weiter eindrückt (wenn er nämlich mit diesem      
  17 schon bis zur Gleichheit der Geschwindigkeit in derselben Richtung gekommen ist),*)      
  18 wodurch sie im Grunde alle Gegenwirkung aufhoben, d. i. alle wirklich entgegenwirkende      
  19 Kraft des gestoßenen gegen den stoßenden (der etwa vermögend wäre,      
           
    *) Die Gleichheit der Wirkung mit der in diesem Falle fälschlich sogenannten Gegenwirkung kommt eben so wohl heraus, wenn man bei der Hypothese der Transfusion der Bewegungen aus einem Körper in den anderen den bewegten Körper A dem ruhigen in einem Augenblicke seine ganze Bewegung überliefern läßt, so daß er nach dem Stoße selber ruhe, welcher Fall unausbleiblich war, so bald man beide Körper als absolut=hart (welche Eigenschaft von der Elasticität unterschieden werden muß) dachte. Da dieses Bewegungsgesetz aber weder mit der Erfahrung, noch mit sich selbst in der Anwendung zusammenstimmen wollte, so wußte man sich nicht anders zu helfen, als dadurch daß man die Existenz absolut=harter Körper leugnete, welches so viel hieß, als die Zufälligkeit dieses Gesetzes zugestehen, indem es auf der besonderen Qualität der Materien beruhen sollte, die einander bewegen. In unserer Darstellung dieses Gesetzes ist es dagegen ganz einerlei, ob man die Körper, die einander stoßen, absolut=hart oder nicht denken will. Wie aber die Transfusionisten der Bewegung die Bewegung elastischer Körper durch den Stoß nach ihrer Art erklären wollen, ist mir ganz unbegreiflich. Denn da ist klar, daß der ruhende Körper nicht als blos ruhend Bewegung bekomme, die der stoßende einbüßt, sondern daß er im Stoße wirkliche Kraft in entgegengesetzter Richtung gegen den stoßenden ausübe, um gleichsam die Feder zwischen beiden zusammen zu drücken, welches von seiner Seite eben so wohl wirkliche Bewegung (aber in entgegengesetzter Richtung) erfordert, als der bewegende Körper seinerseits dazu nöthig hat.      
           
     

[ Seite 548 ] [ Seite 550 ] [ Inhaltsverzeichnis ]