Kant: AA IV, Grundlegung zur Metaphysik der ... , Seite 437

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 machen kann. Will man aber dem sittlichen Gesetze zugleich Eingang      
  02 verschaffen: so ist sehr nützlich, ein und eben dieselbe Handlung durch      
  03 benannte drei Begriffe zu führen und sie dadurch, so viel sich thun läßt,      
  04 der Anschauung zu nähern.      
           
  05 Wir können nunmehr da endigen, von wo wir im Anfange ausgingen,      
  06 nämlich dem Begriffe eines unbedingt guten Willens. Der Wille      
  07 ist schlechterdings gut, der nicht böse sein, mithin dessen Maxime, wenn      
  08 sie zu einem allgemeinen Gesetze gemacht wird, sich selbst niemals widerstreiten      
  09 kann. Dieses Princip ist also auch sein oberstes Gesetz: handle      
  10 jederzeit nach derjenigen Maxime, deren Allgemeinheit als Gesetzes du zugleich      
  11 wollen kannst; dieses ist die einzige Bedingung, unter der ein Wille      
  12 niemals mit sich selbst im Widerstreite sein kann, und ein solcher Imperativ      
  13 ist kategorisch. Weil die Gültigkeit des Willens als eines allgemeinen      
  14 Gesetzes für mögliche Handlungen mit der allgemeinen Verknüpfung      
  15 des Daseins der Dinge nach allgemeinen Gesetzen, die das formale      
  16 der Natur überhaupt ist, Analogie hat, so kann der kategorische Imperativ      
  17 auch so ausgedrückt werden: handle nach Maximen, die sich      
  18 selbst zugleich als allgemeine Naturgesetze zum Gegenstande      
  19 haben können. So ist also die Formel eines schlechterdings guten Willens      
  20 beschaffen.      
           
  21 Die vernünftige Natur nimmt sich dadurch vor den übrigen aus, daß      
  22 sie ihr selbst einen Zweck setzt. Dieser würde die Materie eines jeden guten      
  23 Willens sein. Da aber in der Idee eines ohne einschränkende Bedingung      
  24 (der Erreichung dieses oder jenes Zwecks) schlechterdings guten Willens      
  25 durchaus von allem zu bewirkenden Zwecke abstrahirt werden muß (als      
  26 der jeden Willen nur relativ gut machen würde), so wird der Zweck hier      
  27 nicht als ein zu bewirkender, sondern selbstständiger Zweck, mithin      
  28 nur negativ gedacht werden müssen, d. i. dem niemals zuwider gehandelt,      
  29 der also niemals bloß als Mittel, sondern jederzeit zugleich als Zweck in      
  30 jedem Wollen geschätzt werden muß. Dieser kann nun nichts anders als      
  31 das Subject aller möglichen Zwecke selbst sein, weil dieses zugleich das      
  32 Subject eines möglichen schlechterdings guten Willens ist; denn dieser      
  33 kann ohne Widerspruch keinem andern Gegenstande nachgesetzt werden.      
  34 Das Princip: handle in Beziehung auf ein jedes vernünftige Wesen (auf      
  35 dich selbst und andere) so, daß es in deiner Maxime zugleich als Zweck      
  36 an sich selbst gelte, ist demnach mit dem Grundsatze: handle nach einer      
  37 Maxime, die ihre eigene allgemeine Gültigkeit für jedes vernünftige Wesen      
           
     

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