Kant: AA IV, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 101 |
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| 01 | der Einbildungskraft, einem Begriff sein Bild zu verschaffen, nenne ich | ||||||
| 02 | das Schema zu diesem Begriffe. | ||||||
| 03 | In der That liegen unsern reinen sinnlichen Begriffen nicht Bilder | ||||||
| 04 | der Gegenstände, sondern Schemate zum Grunde. Dem Begriffe von einem | ||||||
| 05 | Triangel überhaupt würde gar kein Bild desselben jemals adäquat sein. | ||||||
| 06 | Denn es würde die Allgemeinheit des Begriffs nicht erreichen, welche | ||||||
| 07 | macht, daß dieser für alle, recht= oder schiefwinklichte etc., gilt, sondern | ||||||
| 08 | immer nur auf einen Theil dieser Sphäre eingeschränkt sein. Das Schema | ||||||
| 09 | des Triangels kann niemals anderswo als in Gedanken existiren und bedeutet | ||||||
| 10 | eine Regel der Synthesis der Einbildungskraft in Ansehung reiner Gestalten | ||||||
| 11 | im Raume. Noch viel weniger erreicht ein Gegenstand der Erfahrung | ||||||
| 12 | oder Bild desselben jemals den empirischen Begriff, sondern dieser | ||||||
| 13 | bezieht sich jederzeit unmittelbar auf das Schema der Einbildungskraft, | ||||||
| 14 | als eine Regel der Bestimmung unserer Anschauung gemäß einem gewissen | ||||||
| 15 | allgemeinen Begriffe. Der Begriff vom Hunde bedeutet eine Regel, | ||||||
| 16 | nach welcher meine Einbildungskraft die Gestalt eines vierfüßigen Thieres | ||||||
| 17 | allgemein verzeichnen kann, ohne auf irgend eine einzige besondere Gestalt, | ||||||
| 18 | die mir die Erfahrung darbietet, oder auch ein jedes mögliche Bild, | ||||||
| 19 | was ich in concreto darstellen kann, eingeschränkt zu sein. Dieser Schematismus | ||||||
| 20 | unseres Verstandes in Ansehung der Erscheinungen und ihrer | ||||||
| 21 | bloßen Form ist eine verborgene Kunst in den Tiefen der menschlichen | ||||||
| 22 | Seele, deren wahre Handgriffe wir der Natur schwerlich jemals abrathen | ||||||
| 23 | und sie unverdeckt vor Augen legen werden. So viel können wir nur | ||||||
| 24 | sagen: das Bild ist ein Product des empirischen Vermögens der productiven | ||||||
| 25 | Einbildungskraft, das Schema sinnlicher Begriffe (als der Figuren | ||||||
| 26 | im Raume) ein Product und gleichsam ein Monogramm der reinen Einbildungskraft | ||||||
| 27 | a priori, wodurch und wornach die Bilder allererst möglich | ||||||
| 28 | werden, die aber mit dem Begriffe nur immer vermittelst des Schema, | ||||||
| 29 | welches sie bezeichnen, verknüpft werden müssen und an sich demselben | ||||||
| 30 | nicht völlig congruiren. Dagegen ist das Schema eines reinen Verstandesbegriffs | ||||||
| 31 | etwas, was in gar kein Bild gebracht werden kann, sondern ist | ||||||
| 32 | nur die reine Synthesis gemäß einer Regel der Einheit nach Begriffen | ||||||
| 33 | überhaupt, die die Kategorie ausdrückt, und ist ein transscendentales | ||||||
| 34 | Product der Einbildungskraft, welches die Bestimmung des inneren Sinnes | ||||||
| 35 | überhaupt nach Bedingungen seiner Form (der Zeit) in Ansehung | ||||||
| 36 | aller Vorstellungen betrifft, so fern diese der Einheit der Apperception gemäß | ||||||
| 37 | a priori in einem Begriff zusammenhängen sollten. | ||||||
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