Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 531

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 auszugehen und die moralischen Gesetze selbst von ihm abzuleiten. Denn      
  02 diese waren es eben, deren innere praktische Nothwendigkeit uns zu der      
  03 Voraussetzung einer selbstständigen Ursache oder eines weisen Weltregierers      
  04 führte, um jenen Gesetzen Effect zu geben; und daher können wir sie      
  05 nicht nach diesem wiederum als zufällig und vom bloßen Willen abgeleitet      
  06 ansehen, insonderheit von einem solchen Willen, von dem wir gar keinen      
  07 Begriff haben würden, wenn wir ihn nicht jenen Gesetzen gemäß gebildet      
  08 hätten. Wir werden, so weit praktische Vernunft uns zu führen das Recht      
  09 hat, Handlungen nicht darum für verbindlich halten, weil sie Gebote      
  10 Gottes sind, sondern sie darum als göttliche Gebote ansehen, weil wir      
  11 dazu innerlich verbindlich sind. Wir werden die Freiheit unter der zweckmäßigen      
  12 Einheit nach Principien der Vernunft studiren und nur so fern      
  13 Glauben dem göttlichen Willen gemäß zu sein, als wir das Sittengesetz,      
  14 welches uns die Vernunft aus der Natur der Handlungen selbst lehrt,      
  15 heilig halten, und ihm dadurch allein zu dienen glauben, daß wir das      
  16 Weltbeste an uns und an andern befördern. Die Moraltheologie ist also      
  17 nur von immanentem Gebrauche, nämlich unsere Bestimmung hier in der      
  18 Welt zu erfüllen, indem wir in das System aller Zwecke passen, und nicht      
  19 schwärmerisch oder wohl gar frevelhaft den Leitfaden einer moralisch gesetzgebenden      
  20 Vernunft im guten Lebenswandel zu verlassen, um ihn unmittelbar      
  21 an die Idee des höchsten Wesens zu knüpfen, welches einen      
  22 transscendenten Gebrauch geben würde, aber eben so wie der der bloßen      
  23 Speculation die letzten Zwecke der Vernunft verkehren und vereiteln muß.      
           
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Des Kanons der reinen Vernunft

     
           
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Dritter Abschnitt.

     
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Vom Meinen, Wissen und Glauben.

     
           
  27 Das Fürwahrhalten ist eine Begebenheit in unserem Verstande,      
  28 die auf objectiven Gründen beruhen mag, aber auch subjective Ursachen      
  29 im Gemüthe dessen, der da urtheilt, erfordert. Wenn es für jedermann      
  30 gültig ist, so fern er nur Vernunft hat, so ist der Grund desselben objectiv      
  31 hinreichend, und das Fürwahrhalten heißt alsdann Überzeugung.      
           
     

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