Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 415 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | darin es sich befindet, so weiset es immer weiter hin nach einem anderen | ||||||
| 02 | Dinge als seiner Ursache, welche gerade eben dieselbe weitere Nachfrage | ||||||
| 03 | nothwendig macht, so daß auf solche Weise das ganze All im Abgrunde | ||||||
| 04 | des Nichts versinken müßte, nähme man nicht etwas an, das außerhalb | ||||||
| 05 | diesem unendlichen Zufälligen, für sich selbst ursprünglich und unabhängig | ||||||
| 06 | bestehend, dasselbe hielte und als die Ursache seines Ursprungs ihm zugleich | ||||||
| 07 | seine Fortdauer sicherte. Diese höchste Ursache (in Ansehung aller | ||||||
| 08 | Dinge der Welt), wie groß soll man sie sich denken? Die Welt kennen | ||||||
| 09 | wir nicht ihrem ganzen Inhalte nach, noch weniger wissen wir ihre Größe | ||||||
| 10 | durch die Vergleichung mit allem, was möglich ist, zu schätzen. Was hindert | ||||||
| 11 | uns aber, daß, da wir einmal in Absicht auf Causalität ein äußerstes | ||||||
| 12 | und oberstes Wesen bedürfen, wir es nicht zugleich dem Grade der Vollkommenheit | ||||||
| 13 | nach über alles andere Mögliche setzen sollten? welches | ||||||
| 14 | wir leicht, obzwar freilich nur durch den zarten Umriß eines abstracten | ||||||
| 15 | Begriffs, bewerkstelligen können, wenn wir uns in ihm als einer einigen | ||||||
| 16 | Substanz alle mögliche Vollkommenheit vereinigt vorstellen; welcher Begriff | ||||||
| 17 | der Forderung unserer Vernunft in der Ersparung der Principien | ||||||
| 18 | günstig, in sich selbst keinen Widersprüchen unterworfen und selbst der | ||||||
| 19 | Erweiterung des Vernunftgebrauchs mitten in der Erfahrung durch die | ||||||
| 20 | Leitung, welche eine solche Idee auf Ordnung und Zweckmäßigkeit giebt, | ||||||
| 21 | zuträglich, nirgend aber einer Erfahrung auf entschiedene Art zuwider | ||||||
| 22 | ist. | ||||||
| 23 | Dieser Beweis verdient jederzeit mit Achtung genannt zu werden. | ||||||
| 24 | Er ist der älteste, klärste und der gemeinen Menschenvernunft am meisten | ||||||
| 25 | angemessene. Er belebt das Studium der Natur, so wie er selbst von | ||||||
| 26 | diesem sein Dasein hat und dadurch immer neue Kraft bekommt. Er bringt | ||||||
| 27 | Zwecke und Absichten dahin, wo sie unsere Beobachtung nicht von selbst | ||||||
| 28 | entdeckt hätte, und erweitert unsere Naturkenntnisse durch den Leitfaden | ||||||
| 29 | einer besonderen Einheit, deren Princip außer der Natur ist. Diese | ||||||
| 30 | Kenntnisse wirken aber wieder auf ihre Ursache, nämlich die veranlassende | ||||||
| 31 | Idee, zurück und vermehren den Glauben an einen höchsten Urheber bis | ||||||
| 32 | zu einer unwiderstehlichen Überzeugung. | ||||||
| 33 | Es würde daher nicht allein trostlos, sondern auch ganz umsonst sein, | ||||||
| 34 | dem Ansehen dieses Beweises etwas entziehen zu wollen. Die Vernunft, | ||||||
| 35 | die durch so mächtige und unter ihren Händen immer wachsende, obzwar | ||||||
| 36 | nur empirische Beweisgründe unablässig gehoben wird, kann durch keine | ||||||
| 37 | Zweifel subtiler, abgezogener Speculation so niedergedrückt werden, daß | ||||||
| [ Seite 414 ] [ Seite 416 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||