Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 111

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
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§ 17.
     
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Der Grundsatz der synthetischen Einheit der Apperception
     
  03
ist das oberste Princip alles Verstandesgebrauchs.
     
           
  04 Der oberste Grundsatz der Möglichkeit aller Anschauung in Beziehung      
  05 auf die Sinnlichkeit war laut der transscendentalen Ästhetik: daß alles      
  06 Mannigfaltige derselben unter den formalen Bedingungen des Raums      
  07 und der Zeit stehe. Der oberste Grundsatz eben derselben in Beziehung      
  08 auf den Verstand ist: daß alles Mannigfaltige der Anschauung unter Bedingungen      
  09 der ursprünglich=synthetischen Einheit der Apperception stehe.*)      
  10 Unter dem ersteren stehen alle mannigfaltige Vorstellungen der Anschauung,      
  11 so fern sie uns gegeben werden, unter dem zweiten, so fern sie in      
  12 einem Bewußtsein müssen verbunden werden können; denn ohne das      
  13 kann nichts dadurch gedacht oder erkannt werden, weil die gegebene Vorstellungen      
  14 den Actus der Apperception: Ich denke, nicht gemein haben      
  15 und dadurch nicht in einem Selbstbewußtsein zusammengefaßt sein würden.      
           
  16 Verstand ist, allgemein zu reden, das Vermögen der Erkenntnisse.      
  17 Diese bestehen in der bestimmten Beziehung gegebener Vorstellungen      
  18 auf ein Object. Object aber ist das, in dessen Begriff das Mannigfaltige      
  19 einer gegebenen Anschauung vereinigt ist. Nun erfordert aber      
  20 alle Vereinigung der Vorstellungen Einheit des Bewußtseins in der Synthesis      
  21 derselben. Folglich ist die Einheit des Bewußtseins dasjenige, was      
  22 allein die Beziehung der Vorstellungen auf einen Gegenstand, mithin ihre      
  23 objective Gültigkeit, folglich daß sie Erkenntnisse werden, ausmacht, und      
  24 worauf folglich selbst die Möglichkeit des Verstandes beruht.      
           
  25 Das erste reine Verstandeserkenntniß also, worauf sein ganzer übriger      
  26 Gebrauch sich gründet, welches auch zugleich von allen Bedingungen der      
  27 sinnlichen Anschauung ganz unabhängig ist, ist nun der Grundsatz der ursprünglichen      
  28 synthetischen Einheit der Apperception. So ist die bloße      
  29 Form der äußeren sinnlichen Anschauung, der Raum, noch gar keine Erkenntniß;      
           
    *) Der Raum und die Zeit und alle Theile derselben sind Anschauungen, mithin einzelne Vorstellungen mit dem Mannigfaltigen, das sie in sich enthalten (siehe die transsc. Ästhetik), mithin nicht bloße Begriffe, durch die eben dasselbe Bewußtsein als in vielen Vorstellungen, sondern viel Vorstellungen als in einer und deren Bewußtsein enthalten, mithin als zusammengesetzt, folglich die Einheit des Bewußtseins als synthetisch, aber doch ursprünglich angetroffen wird. Diese Einzelheit derselben ist wichtig in der Anwendung (siehe § 25).      
           
     

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