Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 366

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 steckt, herabzulassen, diejenigen aber, die in den unteren Planeten wohnen,      
  02 zu fest an die Materie geheftet und mit gar zu geringen Fähigkeiten      
  03 des Geistes versehen, um die Verantwortung ihrer Handlungen vor      
  04 dem Richterstuhle der Gerechtigkeit tragen zu dürfen? Auf diese Weise      
  05 wäre die Erde und vielleicht noch der Mars (damit der elende Trost      
  06 uns ja nicht genommen werde, Gefährten des Unglücks zu haben) allein      
  07 in der gefährlichen Mittelstraße, wo die Versuchung der sinnlichen      
  08 Reizungen gegen die Oberherrschaft des Geistes ein starkes Vermögen      
  09 zur Verleitung haben, dieser aber dennoch diejenige Fähigkeit nicht      
  10 verleugnen kann, wodurch er im Stande ist, ihnen Widerstand zu leisten,      
  11 wenn es seiner Trägheit nicht vielmehr gefiele, sich durch dieselbe hinreißen      
  12 zu lassen, wo also der gefährliche Zwischenpunkt zwischen der      
  13 Schwachheit und dem Vermögen ist, da eben dieselbe Vorzüge, die ihn      
  14 über die niederen Classen erheben, ihn auf eine Höhe stellen, von      
  15 welcher er wiederum unendlich tiefer unter diese herabsinken kann. In      
  16 der That sind die beiden Planeten, die Erde und der Mars, die mittelsten      
  17 Glieder des planetischen Systems, und es läßt sich von ihren Bewohnern      
  18 vielleicht nicht mit Unwahrscheinlichkeit ein mittlerer Stand      
  19 der physichen sowohl, als moralischen Beschaffenheit zwischen den zwei      
  20 Endpunkten vermuthen; allein ich will diese Betrachtung lieber denjenigen      
  21 überlassen, die mehr Beruhigung bei einem unerweislichen Erkenntnisse      
  22 und mehr Neigung dessen Verantwortung zu übernehmen      
  23 bei sich finden.      
           
  24
Beschluß.
     
           
  25 Es ist uns nicht einmal recht bekannt, was der Mensch anjetzt      
  26 wirklich ist, ob uns gleich das Bewußtsein und die Sinne hievon belehren      
  27 sollten; wie viel weniger werden wir errathen können, was er      
  28 dereinst werden soll! Dennoch schnappt die Wißbegierde der menschlichen      
  29 Seele sehr begierig nach diesem von ihr so entfernten Gegenstande      
  30 und strebt, in solchem dunkeln Erkenntnisse einiges Licht zu bekommen.      
           
  32 Sollte die unsterbliche Seele wohl in der ganzen Unendlichkeit      
  33 ihrer künftigen Dauer, die das Grab selber nicht unterbricht, sondern      
  34 nur verändert, an diesen Punkt des Weltraumes, an unsere Erde,      
           
     

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