Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 056

     
           
 

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  01
§ 45.
     
           
  02 Es ist den Leibnizianern durch Herrn Jurin und Herrn Jurins    
  03 andere noch dieser Einwurf gemacht worden: daß zwei Einwurf von    
  04 unelastische Körper, die sich einander mit solchen Geschwindigkeiten dem Gegenstoße    
  05 begegnen, welche sich umgekehrt wie ihre Masse zweier unelastischer    
  06 verhalten, doch nach dem Stoße in Ruhe verbleiben. Hier und ungleicher    
  07 sind nun nach der Lehre von den lebendigen Kräften zwei Körper.    
  08 Kräfte, die man so ungleich machen kann, als man will, und die sich      
  09 dennoch einander im Gleichgewicht erhalten.      
           
  10 Ich finde in der Frau von Chastelet Naturlehre Des Herrn    
  11 eine Antwort auf diesen Einwurf, die, wie ich aus der Bernoulli    
  12 Anführung ersehe, den berühmten Herrn Bernoulli zum Widerlegung    
  13 Urheber hat. Der Herr Bernoulli ist nicht glücklich dieses Einwurfs    
  14 gewesen eine Schutzwehre für seine Meinung ausfindig durch    
  15 zu machen, welche seines Namens würdig gewesen wäre. Vergleichung    
  16 Er sagt: daß die unelastische Körper in einander durch mit der Zudrückung    
  17 den Eindruck ihrer Theile eben dieselbe Wirkung thun, der    
  18 als wenn sie eine Feder, die sich zwischen ihnen befände, zusammen Federn.    
  19 drückten. Daher nimmt er eine Feder R*) an, die sich zu gleicher      
  20 Zeit auf beide Seiten ausdehnt und von beiden Seiten Körper von      
  21 ungleicher Masse treibt. Er beweiset, daß die Geschwindigkeiten, die      
  22 den Körpern durch diese Feder mitgetheilt werden, in gegenseitigem      
  23 Verhältniß ihrer Maßen sind, und daß also, wenn die Kugeln A und      
  24 B mit diesen Geschwindigkeiten zurückkehrten, sie die Feder wieder in      
  25 den ersten Stand der Zusammendrückung setzen würden. Bis so weit      
  26 ist alles richtig und mit den Lehrsätzen der Cartesianer vollkommen      
  27 übereinstimmend. Allein lasset uns sehen, wie er seinen Schluß verfolgt.      
  28 Die Theile der Feder, indem sie auseinander springt, bewegen      
  29 sich theils nach der Seite von A, theils nach der Seite von B, der      
  30 Punkt der Theilung aber ist in R, der die Feder nach der umgekehrten      
  31 Proportion der Massen A und B theilt. Es wirkt also der Theil RB      
  32 von der Feder R in den Körper B, dessen Masse 3 ist, hingegen theilt      
  33 der andere Theil RA der Kugel A, deren Masse 1 ist, seine Kraft      
  34 mit. Es verhalten sich aber die Kräfte, welche in diese Körper gebracht      
  35 werden, wie die Anzahl der Federn, die ihren Druck an sie      
           
    *) Fig. IX.      
           
     

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