Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 014 |
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01 | den accord Ihrer Philosophie mit der Religion gegen die contra | ||||||
02 | sentientes vertheidiget. Es wird, es muß eine Zeit kommen, da Ihre | ||||||
03 | Philosophie populär wird: Iezt freilich noch nicht, da die Tittels, | ||||||
04 | und selbst die Göttinger Recensenten Sie so unglaublich mißverstehen | ||||||
05 | können. Der Schiffer reist mir die Feder aus der Hand, aber ich | ||||||
06 | ersterbe mit der wahrsten Verehrung und Liebe | ||||||
07 | als Euer Wohlgebohr. | ||||||
08 | aufrichtigstergebenster | ||||||
09 | Breslau, 28 Merz, 89. | Schummel | |||||
10 | gegenwärtig Prorector bei Elisabet. | ||||||
351. | |||||||
12 | Von Marcus Herz. | ||||||
13 | 7. April 1789. | ||||||
14 | Verehrungswürdiger Mann | ||||||
15 | Unvergeßlicher Lehrer | ||||||
16 | Herr Salomon Maymon, der Ihnen mit der fahrenden Post ein | ||||||
17 | Manuscript zuschickt, welches scharfsinnige Reflexionen über das Kantische | ||||||
18 | System enthält, ersucht mich seinen gegenwartigen Brief mit einer | ||||||
19 | Empfehlung an Sie zu begleiten; und ich sehe die Gelegenheit die er | ||||||
20 | mir verschafft, meinen unvergeßlichen Lehrer, wiederum einmal meiner | ||||||
21 | Hochachtung versichern zu können, als eine sehr erwünschte an. Leider | ||||||
22 | bin ich Ihrer Schule so entartet, daß ich die erste beste solche Gelegenheit | ||||||
23 | aufgreifen muß, und nicht im Stande bin öfter durch Ausübung | ||||||
24 | der Seelenkräfte die Sie so treflich in mir anlegten, Ihnen zu | ||||||
25 | zeigen, daß ich es auch würdig bin Sie hoch zu achten! Ich bin in | ||||||
26 | der praktischen Sphäre, die sich täglich mehr und mehr um mich erweitert | ||||||
27 | ganz verstrickt, und sie macht mir es leider physisch und moralisch | ||||||
28 | unmöglich, an jenen süßen erhabenen Spekulationen, mit denen | ||||||
29 | Sie jezo die Welt so sehr beglüken, die den Menschen so ganz sich | ||||||
30 | und seinen Werth fühlen lassen, und die für mich den mächtigsten | ||||||
31 | Reitz haben, so recht warmen Antheil zu nehmen! Sie stehen beständig | ||||||
32 | mir vor Augen Ihre unsterblichen Werke, ich lese fast täglich darin, | ||||||
33 | unterhalte mich fleißig mit meinen Freunden darüber; aber das System | ||||||
34 | so ganz zu umfassen, es zu durchdringen, dazu hat mich leider mein | ||||||
35 | praktisches Leben völlig unfähig gemacht, und, Ihnen kann ich es gestehen, | ||||||
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