Kant: Briefwechsel, Brief 371, Von Iacob Sigismund Beck.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Iacob Sigismund Beck.      
           
  1. Aug. 1789.      
           
  Wohlgeborner,      
  Hochzuehrender Herr Professor!      
  Ewr. Wohlgebornen waren gütig mir vor drey Monathe ein      
  Empfehlungsschreiben an den P. Born in Leipzig zu geben. Ich habe      
  mich da einige Wochen aufgehalten und endlich recht gute Aussichten      
  verlassen müssen, weil ich nicht Mittel genug hatte lange ohne Verdienst      
  daselbst leben zu können, kein Weg aber, etwa zu einer Hofmeisterstelle      
  oder zu Arbeiten bey Buchhändler, nach welchen sich da viele Hände      
  reissen, sich mir eröfnen wollte. Ietzt bin ich in Berlin wo ich ein      
  Unterkommen eher zu erhalten hoffe. Dem Bibliothekar Biester bin      
  ich durch Herrn P. Krause bekannt. Er erlaubt mir den Gebrauch      
  der Königl. Bibliothek, aus welcher ich jetzt Newtons Schriften bey      
  mir habe. Wenn Ewr. Wohlgebornen so gut seyn wollten, an Gedicke      
  oder sonst wen der Einfluß hat, mir Empfehlungsschreiben zu schicken:      
  so wäre mir es in vielem Betracht sehr angenehm. Ich ersuche ergebenst      
  Sie deswegen.      
           
  Mit demjenigen Zutrauen das eine Folge des Verhältnisses des      
  Schülers gegen den Lehrer ist, schreibe ich Ewr. Wohlgebornen mein      
  Urtheil über die Docenten der Leipziger Universität. Reissender kann      
           
  wohl nicht der Strom der Zuhörer zu den philosophischen Hörsälen      
  seyn als er hier ist, aber elender als hier kann die Art Philosophie zu      
  lehren, geschweige sie zu entwickeln und zum philosophiren anzuführen,      
  nirgends existiren. Platner ist ein jämmerlicher Mann. Sein Ich welches,      
  wenn von Philosophie die Rede ist, wohl wenig Bedeutung hat, vernimmt      
  der Zuhörer öfter als Inhalt und wirklich öfter als das was      
  dieses Ich eigentlich geleistet hat. Ohngeachtet er mich kannte und im      
  Auditorium zu bemerken schien, unterließ er doch nicht seine Zuhörer      
  mißtrauisch gegen Kantische Philosophie, deren Geist er vollkommen      
  gefaßt zu haben, vorgab zu machen. Den P. Caesar glaube ich wegen      
  seines gutmüthigen Characters schätzen zu müssen. Er bemüht sich      
  wirklich Ihr System zu studiren. Nur weiß ich nicht was man aus      
  der besondern Art Zweifel die er gegen dasselbe hat, machen soll,      
  z. B. daß er Licht und Einheit finde in der Deduction der Kategorien      
  der Quantität und Qualität aber Dunkelheit, ja Widersprüche in Absicht      
  der der Relation und Modalität. Es thut mir sehr leid da      
  Born schlechten Vortrag hat. Auch kömmt mir sein Benehmen zu      
  hitzig vor und als eine Folge der Aergerniß daß er keine Zuhörer      
  hat. Hindenburg schätzet Sie sehr. Er sagte mir daß er mit der      
  Philosophie wieder versöhnt sey, seitdem er Ihre Schriften studire.      
  So gut auch der Vortrag dieses vortreflichen Mannes in der Mathematik      
  und Physik ist so hat er gleichwohl wenig Zuhörer. Die Vernachlässigung      
  dieses Studiums, glaube ich, legt den Grund der tändelnden      
  Art zu studiren die in Leipzig scheint im Gebrauch zu seyn. Als      
  Preusse habe ich daselbst sehr gute Aussichten. Da ich für Wissenschaften      
  brenne: so wünsche ich wohl meine Laufbahn da machen zu können.      
  Ich muß mir aber erst das verdienen was zum Anfange derselben      
  nöthig ist. Empfehlungen von Ewr. Wohlgebornen könnten vieleicht      
  darin mir behülflich seyn. Ich bin mit innigster Hochachtung      
           
    Ewr. Wohlgebornen      
  Berlin        
  den 1 ten August 1789. ergebenster Diener      
    Beck.      
           
           
           
           
     

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