Kant: Briefwechsel, Brief 235, Von Christian Gottfried Schütz.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Christian Gottfried Schütz.      
           
  Jena d. 23. Aug. 1784.      
           
  Ihr Schreiben, Verehrungswürdigster Herr Professor, hat mir unaussprechlich      
  viel Freude, aber auch manche unangenehme Bewegung      
  gemacht. Es betrübte mich, daß die Kälte womit man Ihre erhabnen      
  Bemühungen von verschiednen Seiten her aufgenommen und der Misverstand      
  einiger Ihrer wichtigsten Grundsätze, Sie vermocht hatte wirklich      
  daran zu zweifeln, ob auch überhaupt unser Zeitalter Ihrer und      
  der vortrefflichsten Arbeit Ihres Geistes nicht ganz unwürdig sey. Es      
  betrübte mich aber auch, daß Sie, den ich als meinen Lehrer verehre,      
  dem ich an Talenten, Kenntnissen und Verdiensten unendlich weit nachstehe,      
  mir Prädicate geben, in denen ich dieses Verhältniß ganz verkennen      
  müßte, wenn mich nicht meine Selbstkenntniß eines andern      
  überführte. Ich ersuche Sie also inständigst, da ich Hoffnung habe      
  von Ihnen mit mehrern Briefen beehret zu werden, mich der Verlegenheit      
  zu überheben, in die ich mich durch das Übermaß von Gefälligkeit      
  im Ausdruck in Ihrem Schreiben gesetzt sehe, und mit mir wie      
  mit einem andern Ihrer hoffnungsvollen Schüler, oder wie Sokrates      
           
  mit Simmias, oder Apollodorus zu sprechen. Die Societät der Unternehmer      
  triumphirt ordentlich darüber, daß Sie Ihre Einladung zur      
  A. L. Z. angenommen haben. Aber daß Sie Herders Buch erst gleichsam      
  nur zur Probe recensiren wollen - Großer Gott! darüber ist      
  sie erstaunet. Daß doch immer die Bescheidenheit in ratione directa      
  der innern Würde steht! Aber wirklich, Verehrungswürdigster Mann,      
  dis ist zu viel! Haben Sie nur die Güte, die Recension von Herder      
  mir vor dem 1ten November zukommen zu lassen. Daß sie nicht vorzüglich      
  gefallen sollte, dafür dürfen Sie wohl nicht sorgen.      
           
  Ich sende Ihnen hier das Avertissement, das mit dieser Woche      
  auch an alle Postämter und andere Behörden versendet wird.      
           
  Den Contract welchen die Societät mit den Recensenten abschließt,      
  und das übrige was die Norm der Recensionen in der A. L. Z. betrifft      
  werden Sie im September durch mich erhalten.      
           
  Der von mir gemachte Zweifel ist von Ihnen zu meiner gänzlichen      
  Befriedigung gelöset.      
  Höchst erstaunlich war mirs, daß Sie den Plan zur Metaphysik      
  der Sitten auf Michaelis herausgeben wollen. Ich werde die Erscheinung      
  desselben benutzen um in der A. L. Z. von Ihrem durch die      
  Critik der reinen Vernunft erworbenen unsterblichen Verdienst eine      
  Relation zu geben, die wenigstens treu und vollständig seyn wird.      
           
  Alles übrige muß ich der Menge andrer Briefe halber, die ich      
  eben zu schreiben habe, bis zu meinem nächsten versparen.      
           
  Indeß gestehe ich Ihnen meinen lebhaftesten Wunsch, daß Gott      
  Sie bis zur gänzlichen Ausführung Ihres wichtigen Plans nicht nur,      
  sondern auch nachher noch bis in die spätesten Iahre bey vollkommenster      
  Gesundheit erhalten möge, um selbst sehn zu können, quid arbores a te      
  satae alteri seculo prosint.      
           
  Ich bin mit der innigsten Verehrung      
           
    Ew. Wohlgebohren      
    ganz gehorsamster      
    Schütz.      
           
  N. S.      
           
  Es sind bereits 50 der vornemsten Gelehrten in allen Fächern      
  zur A. L. Z. zusammen getreten. Der Himmel gebe nur, daß sie eben      
  so fleißige als tüchtige Mitarbeiter seyn mögen.      
           
           
           
           
     

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