Kant: Briefwechsel, Brief 177, Von Iohann Christoph Berens.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Iohann Christoph Berens.      
           
  30. April 1782.      
           
  Ehe ich, verehrungswürdiger Mann! Ihre Freundschaft für mich      
  in neue Bewegung setze, so ist es billig, daß ich Ihnen von dem      
  Auftrag womit Sie mich erfreut, Rechenschaft gebe. Nichts umstandliches      
  noch fürs erste, ich habe die gantze gelehrte Depeche an meinen      
  Freund den Cabinets assessor Arnd geschickt, er ist in der Nähe die      
  Zuverlassigsten Nachrichten über die Historie der pestartigen Krankheit      
  die aus Sybirien kam, einzuziehen: er wird von Ihrem Aufsatz zugleich      
  in seinem Journal Anwendung machen können. Noch habe ich keine      
  Antwort darüber, bey dem Empfang werde ich so gleich die nöthige      
  Aufträge nach Mosckau geben; die hiesigen Ärzte habe ich zur Erreichung      
  Ihrer Absicht bereits aufmercksam gemacht. So viel hievon      
  - nun ein Werck zur Ausführung, das so gut als das beste gelehrte      
  Werck wäre; es betrift einen jungen Thoren voller närrischen Einbildung      
  von sich und von der Welt, nüchtern zu machen und ihn auf      
  das wahre und gute zurückzubringen. Dieser junge Mensch von      
           
  17 Iahren ist zuletzt in Dessau erzogen worden, widmete sich der      
  Handlung und wurde dazu in Liebau, in das Hauß eines Freundes      
  gegeben, um ihn für die Zerstreuungen und Verführungen grösserer      
  Städte zu schützen. Seine Fähigkeiten sind mittelmässig, seine Kentnisse      
  schwach, er verstehet kaum seine Muttersprache: man kan aber      
  auch durch geringe Dienste und Ausrichtungen mit Treue Ordnung      
  Fleis dabey, in der Handlung nützlich seyn. Unser Phylantrop glaubte      
  aber zu grossen Dingen gebohren zu seyn und Geschick zu haben, entzog      
  sich allem Gehorsam gegen seinen Patron und seinen Vater, schrieb in      
  die gantze Welt und wollte durchaus, er der nicht rechnen nicht schreiben      
  kan, einen grossen HandelsMann vorstellen. Wie man ernsthaft auf      
  Gehorsam und Unterwerfung drang, nahm er die Flucht nach Königsberg,      
  wo er jetzt aus dem HandelsHaus der Herren Koenig et Scheele      
  an die Welt schreibt und sich empfiehlet; mir hat er die Ehre erwiesen      
  inl. Entschuldigungs=Schreiben zu adressiren, das ich ihm zurük eigenhandig      
  zu geben gehorsamst und noch mehr freundschaftlich ersuche, mit      
  der Bitte an ihn, mein Schreiben an ihn in Liebau pünktlich und      
  zierlicher als das zurükgesandte Geschmiere zu beantworten. Lassen Sie      
  Sich verehrungswürdiger Freund zur Kentnis der Sache und zur Auswechselung      
  der Creditive, den Zettel von mir seinetwegen, den ich den      
  HEn K et S: durch Herrn Schilder in Riga habe zukommen lassen, von      
  gedachten Herren geben. Und nun - wie machen wir es dem jungen      
  Narren begreiflich, daß er durchaus noch nichts erlernet, daß er      
  noch nicht für einen Tag Brod ehrlich erwerben kan : er wird Ihnen      
  wie mir sagen, da sollte man ihm für sorgen lassen und er würde      
  sich mit kindischen Projeckten und endlich mit Betrügereyen zu helfen      
  suchen. Daß es so was böses sey, daß er wieder den Befehl seines      
  Vaters nach Königsberg gegangen, begreift er eben so wenig. Da der      
  Schritt einmal geschehen, so wäre ich nicht zuwider, wenn Sie es      
  L: F : für gut halten und ich auch von andern gute Nachrichten von      
  den sich selbst gewählten Herren erhalte, ihn da unter guter Aufsicht      
  zu lassen. Daß aber der Ungehorsam und das Weglaufen ein Verbrechen      
  sey, wofür die Soldaten Spies=Ruthen laufen, wollte ich ihm      
  doch zu seiner Belehrung einsehen lehren. Ich weis durch Versuche,      
  daß ausserordentliche Mittel angewendet werden müssen, seinen Leichtsinn      
  zu erschüttern. In der Absicht habe ich nun EtatsMinister von Korff      
  wie Sie sehen, geschrieben, und darin vorausgesetzt daß Sie Sich der      
           
  Sache annehmen und das Schreiben abgeben würden. Ich bitte      
  darin, daß er dem Laufling selbst den Arrest ankündigen möge, ich      
  wünschte auch daß dieser würdige Man, der mich weder vergessen haben      
  noch verkennen wird, ihm zum Schrecken KriegsDienste anbiethen möge.      
  Der Ministre würde den jungen Menschen zu sich rufen lassen ohne      
  sein Vorwissen - Sie L: F: würden aber zugleicher Zeit da seyn;      
  und in dem rechten Augenblick mit der Bitte leicht einfallen, ihn auf      
  Ihre Bürgschaft und Verantwortung in dem Vertrauen zu seinem      
  künftigen Gehorsam wieder frey zu machen. Ich bin versichert dieser      
  Auftritt wird großen Eindruck auf ihn machen. Geben Sie doch unserm      
  Freund Hamann von allem mit Nachricht, ich zähle auf seinen Rath      
  und Beystand. Und Ihnen L: F: wie gerne habe ich Ihnen dafür      
  die größte Verbindlichkeit. Ein psychologisches und paedagogisches      
  Experiment mehr - Sie sind glücklich Sie können Ihre Geistes Kinder      
  so schön organisiren wie Sie wollen, das können wir andern fleischlichen      
  Väter nicht. Ich bin unterdessen dem Dessauschen Institut      
  dafür nicht feind, ich schickte vieleicht meinen ältesten Sohn zu späth      
  dahin - den jüngsten will ich um so viel lieber bald hingeben, weil      
  sie jetzt einen guten Liturgum haben      
           
  Ich bin voller Erkentlichkeit und guter Erwartung      
           
    Ihr      
    verbundenster      
  Riga d 30. Ap: 1782 I C Berens      
           
  Mit dem Arrest treiben Sie es nach den Umständen so weit als      
  Sie es für gut befinden; vielleicht finden Sie es auch für besser bey      
  der Unterredung nicht zu gegen zu seyn sondern dazu gerufen zu      
  werden.      
           
           
           
     

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