Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 005

     
           
 

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  01 gewiß in der Folge noch mehr zum Grunde zulegen suchen. - Die      
  02 Tabelle der ästhetischen Vollkommenheit scheint mir indeß in eine allgemeine      
  03 reine Logik nicht zu gehören, wenn ich anders hier den blossen      
  04 reinen Begriff des Verstandes zum Grunde legen muß.      
           
  05 Daß sich Ew. Wohlgeb. nicht mit den Streitigkeiten befassen u.      
  06 Ihre Zeit zu wichtigern Zwecken anwenden, muß gewiß einem jeden,      
  07 der die Wichtigkeit der Vollendung Ihrer Arbeiten kennt gefallen. Es      
  08 ist auch nicht zu zweifeln, daß, wenn sich nur erst die Hitze legt, die      
  09 Partheien sich näher kommen werden. - Von HE. E[berhards] Magazin      
  10 habe ich heute das 3te. St. erhalten. Er redet darin fast ganz allein, u.      
  11 das ganze St. ist gegen die Cr. gerichtet. - Das Räsonnement darinn      
  12 ist meistentheils richtig u. die mehresten darin behaupteten Sätze sind      
  13 wahr u. lassen sich rechtfertigen. Es wird aber auf das sonderbarste      
  14 behauptet, daß die Critik das Gegentheil behaupte. Der Punkt, in      
  15 welchem wirklich ein realer Widerstreit ist, betrift nur 1) die Allgemeinheit      
  16 der sinnlichen Formen u. 2) die Allgemeinh. der Verstandesbegriffe,      
  17 welche beide hier streng behauptet werden. Iedoch sind, wie sich schon      
  18 a priori wissen lies, die Gründe sämtlich aus dem Subjekt genommen.      
  19 Es ist bewiesen, was niemand leugnet, daß wir recht thun, die noumena      
  20 durch die Kategorien zu denken, aber nicht, daß wir ein reales      
  21 Prädikat derselben erkennen können. Wenn es mir irgend möglich      
  22 ist, so werde ich HE. Abicht eine ernsthafte Prüfung dieser Eberh.      
  23 Einwürfe zuschicken. Ich halte HE. Abicht für einen sehr fähigen      
  24 Mann, und verspreche mir viel von ihm. Ich wünsche nur, daß die      
  25 Herausgeber und Mitarbeiter stets die gehörige Kaltblütigkeit behalten,      
  26 welche durch das beständige persönliche Necken der Gegenparthei gar      
  27 zu leicht verlohren gehen kann. - Ob ich mich gleich gehütet habe      
  28 irgend einen Mann zu nennen, oder selbst gegen die Ausserungen      
  29 dieses oder jenes Individui auf eine unhöfliche Art zu streiten; so      
  30 hat man doch selbst aus meinen allgemeinsten Ausdrücken die konkretesten      
  31 Folgerungen gezogen.      
           
  32 Ich habe seit einigen Iahren besonders vielen Fleis auf die Bearbeitung      
  33 der empirischen Psychologie gewendet. Ich finde hier immer      
  34 mehr u. mehr, daß die Gefühle ein eigenthümliches Vermögen verlangen,      
  35 welches von dem Anschauungsvermögen u. dem Verstande u. dem Begehrungsverm[ögen]      
  36 auch abgesondert werden muß; es scheint nie den      
  37 Grund des Begehrens u. des wirklichen Handelns zu enthalten. Ich      
           
     

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