Kant: AA X, Briefwechsel 1786 , Seite 461

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 kein Mittel ihre objektive Wahrheit zu entscheiden. Nun haben Sie mir      
  02 eine Menge Möglichkeiten entgegengesetzt, die alle wahre Begriffe enthalten      
  03 d. h. dem Satze des Widerspr. gemäs s[in]d. - Wie nun wenn      
  04 ich Ihnen andre Möglichkeiten entgegensetze, die auch wahre Begriffe      
  05 enthalten? - Sie fragen mich, was für Objekte übrig bleiben, wenn      
  06 man alle Beziehungen wegnimmt? - Ich antworte: ich weis es nicht.      
  07 Aber wollen Sie sie deshalb leugnen? Sie meinen eine zu weit getriebene      
  08 Spekulation mache uns in unsrer Gewisheit irre? Ich ab[er]      
  09 suche da gar keine Gewish. wo keine zu finden ist. Ich tadle da      
  10 man da wissen will, wo man nur glauben soll: Ich meine, da      
  11 hierin uns keine Gewish. gegeben u. also alles Suchen darnach Thorheit      
  12 sei. Ich kann zu Ihren Einwürfen die Mendelsohnschen noch      
  13 hinzufügen (116) Wenn M. dem Idealisten, der wissen will, was das      
  14 Urbild sei antwortet: Ihr verlangt etwas zu wissen, was schlechterdings      
  15 kein Gegenstand des Wissens ist. Wir stehen an der Grenze, nicht      
  16 nur der menschlichen Erkentnis sondern aller Erkentnis überhaupt; so hätte      
  17 er Recht, wenn er seine Antwort blos auf menschliche Erkentnis einschränkt;      
  18 aber was berechtiget ihn nach seiner Erkentnis aller Erk.      
  19 zu bestimmen? - Wir müssen ihm zugeben, daß die Frage, w[a]s die      
  20 Dinge an sich selbst seien, für uns unbeantwortl. ist; aber folgt draus,      
  21 daß sie überall unbeantwortl. ist? Gibt es keine Objekte, weil wir sie      
  22 nicht finden können? Können wir leugnen, daß Etwas über der      
  23 Grenze liegt, weil wir nicht hinüber kommen können um etwas zu      
  24 suchen? Wer also nach Begriffen forscht, wo keine Begriffe sind, der      
  25 handelt thöricht - aber w[a]s berechtigt ihn alles unter Begriffe zwingen      
  26 zu wollen? Kann er mit Recht behaupten, d[a]ß alles durch Begriffe      
  27 erkannt werden müsse, weil er nichts ohne sie erkennen kann? Wie      
  28 kann man aber auch leugnen, d[a]ß ein Ding an sich e. Begriff sei?      
  29 Zwar ist er ohne Objekt u. kann sich auf keine Erfahrung beziehen,      
  30 wie die Kategorien. Aber er ist auch blos da, um eine Grenze zu      
  31 bezeichnen und nicht anzudeuten was über der Grenze liegt. Kan      
  32 man ab[er] da das Dasein der Gegenst. läugnen, wo man nicht gewesen      
  33 ist u. doch unmöglich hinkommen kann etc. etc.      
           
  34 Die Stelle wird, wie Sie sehen blos beiläufig berührt. Es würde      
  35 mir also sehr lieb sein, wenn Sie sich auf eine genauere Auseinandersetzung      
  36 dieser oder mehrerer einliessen, oder wenigstens ein allgemeines      
  37 Urteil über die Mendels. Bemühungen das Gebiet der R. V. zu erweitern      
           
     

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