Kant: AA IX, Immanuel Kants physische ... , Seite 210 |
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| 01 | Bei Gelegenheit der Wellenbewegung kann man auch derjenigen Bewegung | ||||||
| 02 | des Wassers Erwähnung thun, welche entsteht, wenn ein segelndes | ||||||
| 03 | Schiff das Wasser durchschneidet. Diesen Weg, den das Schiff zurücklegt, | ||||||
| 04 | kann man auf fünfhundert Schritte weit kennen, und ist dem Schiffer | ||||||
| 05 | sehr nützlich, indem er der nachbleibenden Vertiefung abmerken kann, | ||||||
| 06 | wie weit er durch den Wind etwa von der geraden Fahrt zur Seite abgetrieben | ||||||
| 07 | ist. | ||||||
| 08 | Anmerkung. Was die Temperatur des Meerwassers betrifft: so ist | ||||||
| 09 | dieselbe ungleich dauerhafter als die der Atmosphäre zunächst über dem festen | ||||||
| 10 | Lande und lange nicht so abwechselnd wie diese, was sich schon daraus ergiebt, | ||||||
| 11 | daß sie vielen Versuchen und Erfahrungen zu folge nur zwischen den | ||||||
| 12 | Graden 26 und 68 des Fahrenheitischen Thermometers, und nur in den kältesten | ||||||
| 13 | Erdstrichen unter diese Punkte abweicht. In den wärmsten Klimaten | ||||||
| 14 | steht das Wasser beständig der Luft an Wärme, selbst schon an der Oberfläche | ||||||
| 15 | nach, daher die kühlenden Seewinde. Übereinstimmender ist die Luft= und | ||||||
| 16 | Wassertemperatur in den gemäßigten Himmelsstrichen, nur daß die letztere hier | ||||||
| 17 | oft durch einen starken Wind oder Sturm erhöht wird, wie man gewöhnlich | ||||||
| 18 | dies an den Küsten von Preußen und Kurland, namentlich bei einem von den | ||||||
| 19 | schwedischen Küsten herwehenden Nordwinde bemerkt. Unter den erforderlichen | ||||||
| 20 | Umständen kann daher sogar die Nähe der See eine leidlichere Temperatur | ||||||
| 21 | auf dem benachbarten festen Lande bewirken, wäre es auch nur für eine | ||||||
| 22 | kurze Zeit. | ||||||
| 23 | §. 28. |
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| 24 | Wenn ein Sturm lange angehalten hat und durch ihn das Wasser | ||||||
| 25 | auf dem Boden des Meeres in Bewegung gebracht ist: so dauert die Bewegung | ||||||
| 26 | der Wellen von unten her nach oben noch fort, wenn gleich der | ||||||
| 27 | Sturm schon längst aufgehört hat. Und diese Bewegung, welche den | ||||||
| 28 | Schiffern sehr gefährlich ist, wird von ihnen die hohle See genannt. Bei | ||||||
| 29 | einem Winde kann die Bewegung der Wellen dem Schiffe nicht so leicht | ||||||
| 30 | schädlich werden, weil es dabei gleichsam mit fortgetragen wird. Wenn aber | ||||||
| 31 | der Wind nachläßt, die Bewegung dagegen noch fortdauert: so ist das | ||||||
| 32 | Schiff einem Balle gleich, indem es nicht weiter rücken kann, sondern sich | ||||||
| 33 | immer wie auf einer Stelle muß schaukeln lassen, wobei sich im Schiffe | ||||||
| 34 | und an demselben alles losreißt und aus seinen Fugen geht. | ||||||
| 35 | Die hohle See ist also eine Wellenbewegung nach vorhergegangenem | ||||||
| 36 | Winde. Man nahm an, daß wenn man Öl auf die See gösse, sie in | ||||||
| 37 | solchem Falle dürfte beruhigt werden, und wahr ist es, daß das Öl eine | ||||||
| 38 | geringe Wasserbewegung zu stillen im Stande ist. Ist das Meerwasser | ||||||
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