Kant: AA IX, Immanuel Kant's Logik Ein ... , Seite 014 |
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| 01 | welche nothwendig sind und auf den Verstand überhaupt gehen, enthalten. | ||||||
| 03 | Einige Logiker setzen zwar in der Logik psychologische Principien | ||||||
| 04 | voraus. Dergleichen Principien aber in die Logik zu bringen, ist eben so | ||||||
| 05 | ungereimt als Moral vom Leben herzunehmen. Nähmen wir die Principien | ||||||
| 06 | aus der Psychologie, d. h. aus den Beobachtungen über unsern Verstand, | ||||||
| 07 | so würden wir bloß sehen, wie das Denken vor sich geht und wie | ||||||
| 08 | es ist unter den mancherlei subjectiven Hindernissen und Bedingungen; | ||||||
| 09 | dieses würde also zur Erkenntniß bloß zufälliger Gesetze führen. In | ||||||
| 10 | der Logik ist aber die Frage nicht nach zufälligen, sondern nach nothwendigen | ||||||
| 11 | Regeln; nicht, wie wir denken, sondern, wie wir denken | ||||||
| 12 | sollen. Die Regeln der Logik müssen daher nicht vom zufälligen, sondern | ||||||
| 13 | vom nothwendigen Verstandesgebrauche hergenommen sein, den | ||||||
| 14 | man ohne alle Psychologie bei sich findet. Wir wollen in der Logik nicht | ||||||
| 15 | wissen: wie der Verstand ist und denkt und wie er bisher im Denken verfahren | ||||||
| 16 | ist, sondern wie er im Denken verfahren sollte. Sie soll uns den | ||||||
| 17 | richtigen, d. h. den mit sich selbst übereinstimmenden Gebrauch des Verstandes | ||||||
| 18 | lehren. | ||||||
| 19 | Aus der gegebenen Erklärung der Logik lassen sich nun auch noch | ||||||
| 20 | die übrigen wesentlichen Eigenschaften dieser Wissenschaft herleiten; nämlich | ||||||
| 21 | daß sie | ||||||
| 22 | 4) eine Vernunftwissenschaft sei nicht der bloßen Form, sondern | ||||||
| 23 | der Materie nach, da ihre Regeln nicht aus der Erfahrung hergenommen | ||||||
| 24 | sind und da sie zugleich die Vernunft zu ihrem Objecte hat. Die | ||||||
| 25 | Logik ist daher eine Selbsterkenntniß des Verstandes und der Vernunft, | ||||||
| 26 | aber nicht nach den Vermögen derselben in Ansehung der Objecte, sondern | ||||||
| 27 | lediglich der Form nach. Ich werde in der Logik nicht fragen: Was erkennt | ||||||
| 28 | der Verstand und wie viel kann er erkennen oder wie weit geht | ||||||
| 29 | seine Erkenntniß? Denn das wäre Selbsterkenntniß in Ansehung seines | ||||||
| 30 | materiellen Gebrauchs und gehört also in die Metaphysik. In der Logik | ||||||
| 31 | ist nur die Frage: Wie wird sich der Verstand selbst erkennen? | ||||||
| 32 | Als eine der Materie und der Form nach rationale Wissenschaft ist | ||||||
| 33 | die Logik endlich auch | ||||||
| 34 | 5) eine Doctrin oder demonstrirte Theorie. Denn da sie sich | ||||||
| 35 | nicht mit dem gemeinen und als solchem bloß empirischen Verstandes= und | ||||||
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