Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 334 |
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| 01 | hier nicht die Abfertigung eines Lügners oder Dummkopfs, welche das | ||||||
| 02 | Vergnügen erweckt: denn auch für sich würde die letztere mit angenommenem | ||||||
| 03 | Ernst erzählte Geschichte eine Gesellschaft in ein helles Lachen versetzen; | ||||||
| 04 | und jenes wäre gewöhnlichermaßen auch der Aufmerksamkeit nicht | ||||||
| 05 | Werth. | ||||||
| 06 | Merkwürdig ist: daß in allen solchen Fällen der Spaß immer etwas | ||||||
| 07 | in sich enthalten muß, welches auf einen Augenblick täuschen kann; daher | ||||||
| 08 | wenn der Schein in Nichts verschwindet, das Gemüth wieder zurücksieht, | ||||||
| 09 | um es mit ihm noch einmal zu versuchen, und so durch schnell hinter einander | ||||||
| 10 | folgende Anspannung und Abspannung hin= und zurückgeschnellt | ||||||
| 11 | und in Schwankung gesetzt wird: die, weil der Absprung von dem, was | ||||||
| 12 | gleichsam die Saite anzog, plötzlich (nicht durch ein allmähliges Nachlassen) | ||||||
| 13 | geschah, eine Gemüthsbewegung und mit ihr harmonirende inwendige | ||||||
| 14 | körperliche Bewegung verursachen muß, die unwillkürlich fortdauert und | ||||||
| 15 | Ermüdung, dabei aber auch Aufheiterung (die Wirkungen einer zur Gesundheit | ||||||
| 16 | gereichenden Motion) hervorbringt. | ||||||
| 17 | Denn wenn man annimmt, daß mit allen unsern Gedanken zugleich | ||||||
| 18 | irgend eine Bewegung in den Organen des Körpers harmonisch verbunden | ||||||
| 19 | sei: so wird man so ziemlich begreifen, wie jener plötzlichen Versetzung des | ||||||
| 20 | Gemüths bald in einen, bald in den andern Standpunkt, um seinen Gegenstand | ||||||
| 21 | zu betrachten, eine wechselseitige Anspannung und Loslassung | ||||||
| 22 | der elastischen Theile unserer Eingeweide, die sich dem Zwerchfell mittheilt, | ||||||
| 23 | correspondiren könne (gleich derjenigen, welche kitzliche Leute fühlen): wobei | ||||||
| 24 | die Lunge die Luft mit schnell einander folgenden Absätzen ausstößt | ||||||
| 25 | und so eine der Gesundheit zuträgliche Bewegung bewirkt, welche allein | ||||||
| 26 | und nicht das, was im Gemüthe vorgeht, die eigentliche Ursache des Vergnügens | ||||||
| 27 | an einem Gedanken ist, der im Grunde nichts vorstellt. - Voltaire | ||||||
| 28 | sagte, der Himmel habe uns zum Gegengewicht gegen die vielen | ||||||
| 29 | Mühseligkeiten des Lebens zwei Dinge gegeben: die Hoffnung und den | ||||||
| 30 | Schlaf. Er hätte noch das Lachen dazu rechnen können; wenn die Mittel | ||||||
| 31 | es bei Vernünftigen zu erregen nur so leicht bei der Hand wären, und | ||||||
| 32 | der Witz oder die Originalität der Laune, die dazu erforderlich sind, nicht | ||||||
| 33 | eben so selten wären, als häufig das Talent ist, kopfbrechend wie mystische | ||||||
| 34 | Grübler, halsbrechend wie Genies, oder herzbrechend wie empfindsame | ||||||
| 35 | Romanschreiber (auch wohl dergleichen Moralisten) zu dichten. | ||||||
| 36 | Man kann also, wie mich dünkt, dem Epikur wohl einräumen: daß | ||||||
| 37 | alles Vergnügen, wenn es gleich durch Begriffe veranlaßt wird, welche | ||||||
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