Kant: AA V, Kritik der Urtheilskraft ... , Seite 226 |
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Text (Kant):
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| 01 | anschaulich machen und überdem durch ihren Reiz die Vorstellung beleben, | ||||||
| 02 | indem sie die Aufmerksamkeit auf den Gegenstand selbst erwecken und erhalten. | ||||||
| 04 | Selbst was man Zierathen ( Parerga ) nennt, d. i. dasjenige, was | ||||||
| 05 | nicht in die ganze Vorstellung des Gegenstandes als Bestandstück innerlich, | ||||||
| 06 | sondern nur äußerlich als Zuthat gehört und das Wohlgefallen des | ||||||
| 07 | Geschmacks vergrößert, thut dieses doch auch nur durch seine Form: wie | ||||||
| 08 | Einfassungen der Gemälde, oder Gewänder an Statuen, oder Säulengänge | ||||||
| 09 | um Prachtgebäude. Besteht aber der Zierath nicht selbst in der | ||||||
| 10 | schönen Form, ist er wie der goldene Rahmen bloß, um durch seinen Reiz | ||||||
| 11 | das Gemälde dem Beifall zu empfehlen, angebracht: so heißt er alsdann | ||||||
| 12 | Schmuck und thut der ächten Schönheit Abbruch. | ||||||
| 13 | Rührung, eine Empfindung, wo Annehmlichkeit nur vermittelst | ||||||
| 14 | augenblicklicher Hemmung und darauf erfolgender stärkerer Ergießung der | ||||||
| 15 | Lebenskraft gewirkt wird, gehört gar nicht zur Schönheit. Erhabenheit | ||||||
| 16 | (mit welcher das Gefühl der Rührung verbunden ist) aber erfordert einen | ||||||
| 17 | andern Maßstab der Beurtheilung, als der Geschmack sich zum Grunde | ||||||
| 18 | legt; und so hat ein reines Geschmacksurtheil weder Reiz noch Rührung, | ||||||
| 19 | mit einem Worte keine Empfindung, als Materie des ästhetischen Urtheils, | ||||||
| 20 | zum Bestimmungsgrunde. | ||||||
| 21 | § 15. |
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| 22 | Das Geschmacksurtheil ist von dem Begriffe der Vollkommenheit |
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| 23 | gänzlich unabhängig. |
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| 24 | Die objective Zweckmäßigkeit kann nur vermittelst der Beziehung | ||||||
| 25 | des Mannigfaltigen auf einen bestimmten Zweck, also nur durch einen | ||||||
| 26 | Begriff, erkannt werden. Hieraus allein schon erhellt: daß das Schöne, | ||||||
| 27 | dessen Beurtheilung eine bloß formale Zweckmäßigkeit, d. i. eine Zweckmäßigkeit | ||||||
| 28 | ohne Zweck, zum Grunde hat, von der Vorstellung des Guten | ||||||
| 29 | ganz unabhängig sei, weil das letztere eine objective Zweckmäßigkeit, d. i. | ||||||
| 30 | die Beziehung des Gegenstandes auf einen bestimmten Zweck, voraussetzt. | ||||||
| 31 | Die objective Zweckmäßigkeit ist entweder die äußere, d. i. die Nützlichkeit, | ||||||
| 32 | oder die innere, d. i. die Vollkommenheit des Gegenstandes. | ||||||
| 33 | Daß das Wohlgefallen an einem Gegenstande, weshalb wir ihn schön | ||||||
| 34 | nennen, nicht auf der Vorstellung seiner Nützlichkeit beruhen könne, ist aus | ||||||
| 35 | beiden vorigen Hauptstücken hinreichend zu ersehen: weil es alsdann nicht | ||||||
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