Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 023

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 wird sich dieses System, wie ich hoffe, auch fernerhin behaupten.      
  02 Nicht Eigendünkel, sondern bloß die Evidenz, welche das Experiment      
  03 der Gleichheit des Resultats im Ausgange von den mindesten      
  04 Elementen bis zum Ganzen der reinen Vernunft und im Rückgange vom      
  05 Ganzen (denn auch dieses ist für sich durch die Endabsicht derselben im      
  06 Praktischen gegeben) zu jedem Theile bewirkt, indem der Versuch, auch      
  07 nur den kleinsten Theil abzuändern, sofort Widersprüche nicht bloß des      
  08 Systems, sondern der allgemeinen Menschenvernunft herbeiführt, berechtigt      
  09 mich zu diesem Vertrauen. Allein in der Darstellung ist noch viel      
  10 zu thun, und hierin habe ich mit dieser Auflage Verbesserungen versucht,      
  11 welche theils dem Mißverstande der Ästhetik, vornehmlich dem im Begriffe      
  12 der Zeit, theils der Dunkelheit der Deduction der Verstandesbegriffe,      
  13 theils dem vermeintlichen Mangel einer genugsamen Evidenz in den Beweisen      
  14 der Grundsätze des reinen Verstandes, theils endlich der Mißdeutung      
  15 der der rationalen Psychologie vorgerückten Paralogismen abhelfen      
  16 sollen. Bis hieher (nämlich nur bis zu Ende des ersten Hauptstücks      
  17 der transscendentalen Dialektik) und weiter nicht erstrecken sich meine Abänderungen      
  18 der Darstellungsart, *) weil die Zeit zu kurz und mir in Ansehung      
           
    *) Eigentliche Vermehrung, aber doch nur in der Beweisart könnte ich nur die nennen, die ich durch eine neue Widerlegung des psychologischen Idealisms und einen strengen (wie ich glaube, auch einzig möglichen) Beweis von der objectiven Realität der äußeren Anschauung S. 274 gemacht habe. Der Idealism mag in Ansehung der wesentlichen Zwecke der Metaphysik für noch so unschuldig gehalten werden (das er in der That nicht ist), so bleibt es immer ein Skandal der Philosophie und allgemeinen Menschenvernunft, das Dasein der Dinge außer uns (von denen wir doch den ganzen Stoff zu Erkenntnissen selbst für unsern inneren Sinn her haben) bloß auf Glauben annehmen zu müssen und, wenn es jemand einfällt es zu bezweifeln, ihm keinen genugthünden Beweis entgegenstellen zu können. Weil sich in den Ausdrücken des Beweises von der dritten Zeile bis zur sechsten einige Dunkelheit findet, so bitte ich diesen Period so umzuändern: "Dieses Beharrliche aber kann nicht eine Anschauung in mir sein. Denn alle Bestimmungsgründe meines Daseins, die in mir angetroffen werden können, sind Vorstellungen und bedürfen als solche selbst ein von ihnen unterschiedenes Beharrliches, worauf in Beziehung der Wechsel derselben, mithin mein Dasein in der Zeit, darin sie wechseln, bestimmt werden könne." man wird gegen diesen Beweis vermuthlich sagen: ich bin mir doch nur dessen, was in mir ist, d. i. meiner Vorstellung äußerer Dinge, unmittelbar bewußt; [Seitenumbruch] folglich bleibe es immer noch unausgemacht, ob etwas ihr Correspondirendes außer mir sei, oder nicht. Allein ich bin mir meines Daseins in der Zeit (folglich auch der Bestimmbarkeit desselben in dieser) durch innere Erfahrung bewußt, und dieses ist mehr, als bloß mich meiner Vorstellung bewußt zu sein, doch aber einerlei mit dem empirischen Bewußtsein meines Daseins, welches nur durch Beziehung auf etwas, was mit meiner Existenz verbunden außer mir ist, bestimmbar ist. Dieses Bewußtsein meines Daseins in der Zeit ist also mit dem Bewußtsein eines Verhältnisses zu etwas außer mir identisch verbunden, und es ist also Erfahrung und nicht Erdichtung, Sinn und nicht Einbildungskraft, welches das Äußere mit meinem inneren Sinn unzertrennlich verknüpft; denn der äußere Sinn ist schon an sich Beziehung der Anschauung auf etwas Wirkliches außer mir, und die Realität desselben zum Unterschiede von der Einbildung beruht nur darauf, daß er mit der inneren Erfahrung selbst, als die Bedingung der Möglichkeit derselben, unzertrennlich verbunden werde, welches hier geschieht. Wenn ich mit dem intellectuellen Bewußtsein meines Daseins in der Vorstellung Ich bin, welche alle meine Urtheile und Verstandeshandlungen begleitet, zugleich eine Bestimmung meines Daseins durch intellectuelle Anschauung verbinden könnte, so wäre zu derselben das Bewußtsein eines Verhältnisses zu etwas außer mir nicht nothwendig gehörig. Nun aber jenes intellectuelle Bewußtsein zwar vorangeht, aber die innere Anschauung, in der mein Dasein allein bestimmt werden kann, sinnlich und an Zeitbedingung gebunden ist, diese Bestimmung aber, mithin die innere Erfahrung selbst, von etwas Beharrlichem, welches in mir nicht ist, folglich nur in etwas außer mir wogegen ich mich in Relation betrachten muß, abhängt: so ist die Realität des äußeren Sinnes mit der des innern zur Möglichkeit einer Erfahrung überhaupt nothwendig verbunden: d. i. ich bin mir eben so sicher bewußt, daß es Dinge außer mir gebe, die sich auf meinen Sinn beziehen, als ich mir bewußt bin, daß ich selbst in der Zeit bestimmt existire. Welchen gegebenen Anschauungen nun aber wirklich Objecte außer mir correspondiren, und die also zum äußeren Sinne gehören, welchem sie und nicht der Einbildungskraft zuzuschreiben sind, muß nach den Regeln, nach welchen Erfahrung überhaupt (selbst innere) von Einbildung unterschieden wird, in jedem besondern Falle ausgemacht werden, wobei der Satz, daß es wirklich äußere Erfahrung gebe, immer zum Grunde liegt. Man kann hiezu noch die Anmerkung fügen: die Vorstellung von etwas Beharrlichem im Dasein ist nicht einerlei mit der beharrlichen Vorstellung; denn diese kann sehr wandelbar und wechselnd sein, wie alle unsere und selbst die Vorstellungen der Materie und bezieht sich doch auf etwas Beharrliches, welches also ein von allen meinen Vorstellungen unterschiedenes und äußeres Ding sein muß, dessen Existenz in der Bestimmung meines eigenen Daseins nothwendig mit eingeschlossen wird und mit derselben nur eine einzige Erfahrung ausmacht, die nicht einmal innerlich stattfinden würde, wenn sie nicht (zum Theil) zugleich äußerlich wäre. Das Wie? Läßt sich hier eben so [Seitenumbruch] wenig weiter erklären, als wie wir überhaupt das Stehende in der Zeit denken, dessen Zugleichsein mit dem Wechselnden den Begriff der Veränderung hervorbringt.      
           
     

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