Kant: AA II, Versuch einiger Betrachtungen ... , Seite 034

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 gefallen lassen und für vorzüglich gut halten, sind meiner Meinung      
  02 nach nur Unterschiede der Worte. Darum weil Gott diese Welt unter      
  03 allen möglichen, die er kannte, allein wählte, muß er sie für die beste gehalten      
  04 haben, und weil sein Urtheil niemals fehlt, so ist sie es auch in der      
  05 That. Wenn es auch möglich wäre, das höchste Wesen könnte nach der erdichteten      
  06 Art von Freiheit, die einige auf die Bahn gebracht haben, wählen      
  07 und unter viel Besserem das Schlechtere vorziehen durch ich weiß nicht      
  08 was für ein unbedingtes Belieben, so würde es doch dieses nimmer gethan      
  09 haben. Man mag sich etwas von irgend einer Untergottheit der Fabel      
  10 träumen lassen, aber dem Gott der Götter geziemt kein Werk, als welches      
  11 seiner würdig ist, d. i. welches unter allem Möglichen das Beste ist.      
  12 Vielleicht ist die größere Übereinstimmung mit den göttlichen Eigenschaften      
  13 der Grund des Rathschlusses, der dieser Welt, ohne ihren besondern      
  14 inneren Vorzug in Betrachtung zu ziehen, das Dasein gab. Wohlan,      
  15 auch dann ist noch gewiß, daß sie vollkommener sei als alle andere mögliche.      
  16 Denn weil aus der Wirkung zu sehen ist, daß alle andere in geringerer      
  17 Übereinstimmung mit den Eigenschaften des Willens Gottes gewesen,      
  18 in Gott aber alles Realität ist, mit dieser aber nichts in größerer      
  19 Harmonie ist, als worin selbst eine größere Realität anzutreffen, so mu      
  20 die größte Realität, die einer Welt zukommen kann, in keiner als in der      
  21 gegenwärtigen befindlich sein. Es ist ferner dieses vielleicht ein Zwang      
  22 des Willens und eine Nothwendigkeit, welche die Freiheit aufhebt, nicht      
  23 umhin zu können, dasjenige zu wählen, was man deutlich und richtig fürs      
  24 Beste erkennt. Gewiß, wenn das Gegentheil hievon Freiheit ist, wenn      
  25 hier zwei Scheidewege in einem Labyrinth von Schwierigkeiten sind, wo      
  26 ich auf die Gefahr zu irren mich zu einem entschließen soll, so besinne ich      
  27 mich nicht lange. Dank für eine solche Freiheit, die das Beste unter dem,      
  28 was zu schaffen möglich war, ins ewige Nichts verbannt, um trotz allem      
  29 Ausspruche der Weisheit dem Übel zu gebieten, daß es Etwas sei. Wenn      
  30 ich durchaus unter Irrthümern wählen soll, so lobe ich mir lieber jene      
  31 gütige Nothwendigkeit, wobei man sich so wohl befindet, und woraus nichts      
  32 anders als das Beste entspringen kann. Ich bin demnach und vielleicht      
  33 ein Theil meiner Leser mit mir überzeugt, ich bin zugleich erfreut, mich      
  34 als einen Bürger in einer Welt zu sehen, die nicht besser möglich war.      
  35 Von dem Besten unter allem Wesen zu dem vollkommensten unter allen      
  36 möglichen Entwürfen als ein geringes Glied, an mir selbst unwürdig und      
  37 um des Ganzen willen auserlesen, schätze ich mein Dasein desto höher,      
           
     

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