Kant: AA I, Allgemeine Naturgeschichte und ... , Seite 333 |
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| 01 | zum Nutzen, welche bei der Verfassung der Natur hervor | ||||||
| 02 | leuchtet, die unmittelbare Hand Gottes anzeigt: so wird man genöthigt, | ||||||
| 03 | die ganze Natur in Wunder zu verkehren. Man wird den schönen | ||||||
| 04 | farbichten Bogen, der in den Regentropfen erscheint, wenn dieselben | ||||||
| 05 | die Farben des Sonnenlichts absondern, wegen seiner Schönheit, den | ||||||
| 06 | Regen wegen seines Nutzens, die Winde wegen der unentbehrlichen | ||||||
| 07 | Vortheile, die sie in unendlichen Arten der menschlichen Bedürfnisse | ||||||
| 08 | leisten, kurz, alle Veränderungen der Welt, welche Wohlanständigkeit | ||||||
| 09 | und Ordnung mit sich führen, nicht aus den eingepflanzten Kräften | ||||||
| 10 | der Materie herleiten sollen. Das Beginnen der Naturforscher, die | ||||||
| 11 | sich mit einer solchen Weltweisheit abgegeben haben, wird vor dem | ||||||
| 12 | Richterstuhle der Religion eine feierliche Abbitte thun müssen. Es wird | ||||||
| 13 | in der That alsdann keine Natur mehr sein; es wird nur ein Gott | ||||||
| 14 | in der Maschine die Veränderungen der Welt hervor bringen. Aber | ||||||
| 15 | was wird denn dieses seltsame Mittel, die Gewißheit des höchsten | ||||||
| 16 | Wesens aus der wesentlichen Unfähigkeit der Natur zu beweisen, für | ||||||
| 17 | eine Wirkung zur Überführung des Epikurers thun? Wenn die Naturen | ||||||
| 18 | der Dinge durch die ewigen Gesetze ihrer Wesen nichts als Unordnung | ||||||
| 19 | und Ungereimtheit zuwege bringen, so werden sie eben dadurch den | ||||||
| 20 | Charakter ihrer Unabhängigkeit von Gott beweisen; und was für einen | ||||||
| 21 | Begriff wird man sich von einer Gottheit machen können, welcher die | ||||||
| 22 | allgemeinen Naturgesetze nur durch eine Art von Zwange gehorchen | ||||||
| 23 | und an und für sich dessen weisesten Entwürfen widerstreiten? Wird | ||||||
| 24 | der Feind der Vorsehung nicht eben so viel Siege über diese falschen | ||||||
| 25 | Grundsätze davon tragen, als er Übereinstimmungen aufweisen kann, | ||||||
| 26 | welche die allgemeinen Wirkungsgesetze der Natur ohne alle besondere | ||||||
| 27 | Einschränkungen hervorbringen? Und wird es ihm wohl an solchen | ||||||
| 28 | Beispielen fehlen können? Dagegen lasset uns mit größerer Anständigkeit | ||||||
| 29 | und Richtigkeit also schließen: Die Natur, ihren allgemeinen Eigenschaften | ||||||
| 30 | überlassen, ist an lauter schönen und vollkommenen Früchten | ||||||
| 31 | fruchtbar, welche nicht allein an sich Übereinstimmung und Trefflichkeit | ||||||
| 32 | zeigen, sondern auch mit dem ganzen Umfange ihrer Wesen, mit dem | ||||||
| 33 | Nutzen der Menschen und der Verherrlichung der göttlichen Eigenschaften | ||||||
| 34 | wohl harmoniren. Hieraus folgt, daß ihre wesentlichen Eigenschaften | ||||||
| 35 | keine unabhängige Nothwendigkeit haben können, sondern daß sie ihren | ||||||
| 36 | Ursprung in einem einzigen Verstande, als dem Grunde und der Quelle | ||||||
| 37 | aller Wesen, haben müssen, in welchem sie unter gemeinschaftlichen Beziehungen | ||||||
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