Kant: AA I, Untersuchung der Frage, ob die ... , Seite 188 |
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| 01 | Gewässers mit der Größe dieser Kugel und die Leichtigkeit der ersten | ||||||
| 02 | zu der Schwere der letztern zusammenhält, so könnte es scheinen: | ||||||
| 03 | daß ihre Wirkung für nichts könne gehalten werden. Wenn man | ||||||
| 04 | aber dagegen erwägt, daß dieser Antrieb unablässig ist, von je her | ||||||
| 05 | gedauert hat und immer währen wird, daß die Drehung der Erde | ||||||
| 06 | eine freie Bewegung ist, in welcher die geringste Quantität, die ihr | ||||||
| 07 | benommen wird, ohne Ersetzung verloren bleibt, dagegen die vermindernde | ||||||
| 08 | Ursache unaufhörlich in gleicher Stärke wirksam bleibt, so | ||||||
| 09 | wäre es ein einem Philosophen sehr unanständiges Vorurtheil, eine | ||||||
| 10 | geringe Wirkung für nichtswürdig zu erklären, die durch eine beständige | ||||||
| 11 | Summirung dennoch auch die größte Quantität endlich erschöpfen | ||||||
| 12 | muß. | ||||||
| 13 | Damit wir die Größe der Wirkung, welche die beständige Bewegung | ||||||
| 14 | des Oceans von Morgen gegen Abend der Achsendrehung der | ||||||
| 15 | Erde entgegensetzt, einigermaßen schätzen können: so wollen wir nur | ||||||
| 16 | den Anfall, den das Weltmeer gegen die morgendliche Küsten des | ||||||
| 17 | festen Landes von Amerika thut, ausrechnen, indem wir dessen Erstreckung | ||||||
| 18 | bis zu beiden Polen verlängern, dadurch daß wir, was | ||||||
| 19 | daran fehlt, durch die hervorragende Spitze von Afrika und durch die | ||||||
| 20 | orientalische Küsten Asiens mehr als überflüssig ersetzen. Laßt uns | ||||||
| 21 | die Geschwindigkeit der angeführten Meeres=Bewegung unter dem | ||||||
| 22 | Äquator 1 Fuß in einer Secunde und nach den Polen eben so wie | ||||||
| 23 | die Bewegung der Parallelzirkel abnehmend setzen; endlich mag die | ||||||
| 24 | Höhe derjenigen Fläche, die das feste Land dem Anfalle des Wassers | ||||||
| 25 | darbietet, in senkrechter Tiefe geschätzt, 100 toises (französische sechsfüßige | ||||||
| 26 | Ruthen) angenommen werden: so werden wir die Gewalt, | ||||||
| 27 | womit das Meer durch seine Bewegung diese ihr entgegenstehende | ||||||
| 28 | Fläche drückt, dem Gewichte eines Wasserkörpers gleich finden, dessen | ||||||
| 29 | Basis der ganzen gedachten Fläche von einem Pol zum andern, die | ||||||
| 30 | Höhe aber 1/124 Fuß gleich ist. Dieser Wasserkörper, welcher eilfmal | ||||||
| 31 | hunderttausend Cubiktoisen begreift, wird von der Größe der Erdkugel | ||||||
| 32 | 123 Billionen mal übertroffen, und indem das Gewicht dieses | ||||||
| 33 | Wasserkörpers der Bewegung der Erde immer entgegen drückt, so kann | ||||||
| 34 | man leicht finden, wie viel Zeit verfließen müßte, bis diese Hinderni | ||||||
| 35 | der Erde ihre ganze Bewegung erschöpfte. Es würden 2 Millionen | ||||||
| 36 | Jahre dazu erfordert werden, wenn man die Geschwindigkeit des | ||||||
| 37 | fluthenden Meeres bis ans Ende gleich und den Erdklumpen von | ||||||
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