| Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 134 | |||||||
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| 01 | gleiche weise denkt, so fand doch Herr Johann Bernoulli in dem | ||||||
| 02 | Gegensatze ich weiß nicht was für ein helles Licht, worauf er eine unüberwindliche | ||||||
| 03 | Zuversicht gründete. Er spricht: Non capio, quid pertinacissimus | ||||||
| 04 | adversarius, si vel scepticus esset, huic evidentissimae | ||||||
| 05 | demonstrationi opponere queat, und bald darauf: Certe in nostra | ||||||
| 06 | potestate non est, aliquem eo adigere, ut fateatur, discere, quando | ||||||
| 07 | videt solem horizontem ascendere. Lasset uns diesen Zufall der | ||||||
| 08 | menschlichen Vernunft in der Person eines so großen Mannes nicht | ||||||
| 09 | mit Gleichgültigkeit ansehen, sondern daraus lernen, auch in unsere | ||||||
| 10 | größte Überzeugung ein weises Mißtrauen zu setzen und allemal zu | ||||||
| 11 | vermuthen, daß wir auch alsdann noch nicht außer der Gefahr seien, | ||||||
| 12 | uns selber zu hintergehen, damit der Verstand in seinem Gleichgewichte | ||||||
| 13 | wenigstens sich so lange erhalte, bis er Zeit gewonnen hat, die Umstände, | ||||||
| 14 | den Beweis und das Gegentheil in genugsamer Prüfung kennen | ||||||
| 15 | zu lernen. | ||||||
| 16 | In eben dieser Abhandlung, von der wir reden, zeigt der Herr | ||||||
| 17 | Bernoulli: wie man einem Körper eben dieselbe Kraft in kürzerer Zeit | ||||||
| 18 | durch den Druck einer gleichen Anzahl Federn ertheilen könne. Ich | ||||||
| 19 | habe darauf, in so weit es unser Geschäfte eigentlich angeht, schon | ||||||
| 20 | genug geantwortet; allein hier will ich noch eine Beobachtung beifügen, | ||||||
| 21 | die zwar unser Vorhaben nicht betrifft, allein dennoch ihren besonderen | ||||||
| 22 | Nutzen haben kann. Er spricht daselbst: die Kugel F werde durch die | ||||||
| 23 | 4 Federn a , b , c , d allemal gleiche Kraft erhalten, man mag sie in | ||||||
| 24 | einer Linie, wie Fig. 23, oder in zwei Theilen neben einander, wie | ||||||
| 25 | Fig. 24, oder in 4 solchen Zertheilungen, wie die 25te Fig. ausweiset | ||||||
| 26 | zusammensetzen. | ||||||
| 27 | Hiebei merke man folgende Cautele. Der Gedanke | Erinnerung | |||||
| 28 | desselben ist nur bei solchen Umständen wahr, da die hintereinanderhängende | bei der Art, | |||||
| 29 | Federn a , b , c , d *) dem Körper noch | wie Herr | |||||
| 30 | nicht eine größere Geschwindigkeit ertheilen, als diejenige | Bernoulli in | |||||
| 31 | ist, womit eine dieser Federn abgesondert für sich allein | einen Körper | |||||
| 32 | aufspringen würde; denn so bald dieses ist, so schlägt es | die ganze Kraft | |||||
| 33 | fehl, wenn man nach dem Anschlage des Herrn Bernoulli | von viel | |||||
| 34 | durch neben einander verknüpfte Federn**) dem Körper | Federn zu | |||||
| 35 | eben dieselbe Geschwindigkeit geben will, als sie ihm nach | bringen vermeint. | |||||
| *) Fig. XXIV. | |||||||
| **) Fig. XXV. | |||||||
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