Quelle Nummer 497

Rubrik 16 : NATURWISSENSCHAFTEN   Unterrubrik 16.00 : NATURWISSENSCHAFTEN

ANTHROPOMETRIE
DR. L.V. KAROLYI
ANTHROPOMETRIE
GRUNDLAGEN DER ANTHROPOLGISCHEN METHODEN
UTB GUSTAV FISCHER VERLAG STUTTGART 1971, S. 1-


001  Einleitung. Die Anthropometrie ist ein wichtiges
002  Teilgebiet der naturwissenschaftlichen Anthropologie. Die
003  Messungen am Körper (Somatometrie) und an den Knochen
004  (Osteometrie) liefern empirisch nahezu objektive Daten, mit deren
005  Hilfe der Anthropologe zum Beispiel den Wachstumsverlauf des
006  menschlichen Körpers oder die Konstitution, die
007  Konstitutionstypen und die Körpervariationen erfassen und erkennen
008  kann. Praktische Bedeutung bekommt die Anthropometrie - auf den
009  osteologischen Grundlagen bei klinischen Behandlungen - so u.a.
010  in der Gesichtschirurgie, wo Röntgenaufnahmen und
011  entsprechende morphologische Aufnahmen zur Voraussetzung für die
012  sinnvolle Planung einer Operation werden. (MARIO
013  GONZALES-ULBOA, 1968). Die Grundlage für jedes
014  Studium und jede Arbeit in der Anthropologie sind gründliche
015  humananatomische Kenntnisse. Sie sind besonders notwendig für
016  anthropometrische Untersuchungen. Ohne theoretische und praktische
017  Vorkenntnis des menschlichen Körpers können morphologische
018  Formen nicht erkannt, Meßpunkte und Meßstrecken nicht erfaßt
019  und bestimmt, noch für Untersuchungen ausgewählt werden. In der
020  Anthropometrie kommt es nicht darauf an, möglichst viel zu messen,
021  sondern die vorzunehmenden Messungen in Abhängigkeit vom Zweck
022  der jeweiligen Untersuchung zu sehen und durch die ermittelten
023  Daten eine möglichst objektive Darstellung zu gewährleisten.
024  Die Anthropometrie ist eine relativ neue Arbeitsmethode, die in
025  ihrer Entwicklung eng mit den naturwissenschaftlichen Methoden
026  verbunden ist. Die ersten Ansätze für einheitliche und
027  systematische Messungen am menschlichen Körper wurden in der
028  zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts gemacht, besonders
029  deutlich sind sie in den Bestrebungen der Kriminalistik bzw. der
030  Kriminalanthropologie zu sehen. Die kriminalistische
031  Identifikationsmethode - es sei auf die Beiträge von A.
032  BERTILLON hingewiesen - ist für verschiedene methodische
033  Fragen von besonderer Bedeutung. Diese Spezialrichtung muß als
034  eine der wichtigsten Linien gesehen werden, die zur
035  wissenschaftlichen Anthropometrie führt. In der
036  naturwissenschaftlichen Anthropologie der letzten hundert Jahre
037  nahmen folgende Teilgebiete der Anthropologie bzw. der
038  Anthropometrie einen großen Raum ein: die Kraniologie
039  (Schädellehre) bzw. Kraniometrie (Schädelmessungslehre).
040  Eines der ersten systematischen Handbücher in der
041  deutschsprachigen Literatur ist die sehr oft falsch verstandene und
042  deshalb falsch gedeutete Darstellung von A. v. TÖRÖK
043  (1890). In diesem Buch werden die Theoretischen und gleichzeitig
044  die praktischen Möglichkeiten der anthropometrischen Methoden
045  aufgezeigt. Es ist gewiß nicht eine Sammlung von rund 5000
046  Maßen an einem Schädel oder eine " Sackgasse " der
047  Kraniologie, wie es in der deutschen Fachliteratur heißt. In
048  seinem Werk versuchte TÖRÖK auf der anatomischen Basis
049  seiner Zeit, die Kraniologie als eine wissenschaftliche
050  Arbeitsmethode gegenüber der " Rassenschädelkunde " abzugrenzen.
051  Die heute gültigen Methoden der Anthropometrie werden meist auf
052  die Arbeiten von RUDOLF MARTIN (1864-1925)
053  zurückgeführt. Die Verbesserung der benutzten Instrumente durch
054  RUDOLF MARTIN einerseits und die zahlreichen
055  anthropometrischen Untersuchungen von Reisenden und Medizinern
056  andererseits, führten zu der Entwicklung der Arbeitsmethode, die
057  wir als Anthropometrie (Körpermessungslehre) bezeichnen. Die
058  Arbeiten von FRITZ SARASIN (1859-1942) und
059  PAUL SARASIN (1856-1926), die Messungen von A.
060  WEISBACH (1867 und 1878), die Arbeiten von C.H.
061  STRATZ (1858-1924) und das Buch von S.
062  WEISSENBERG (1911) kennzeichnen u.a. die
063  einzelnen Phasen, die zu einer systematischen Darstellung bei
064  RUDOLF MARTIN in seinem Lehrbuch der Anthropologie
065  (1914) geführt haben. Die neuesten zusammenfassenden
066  Darstellungen der Anthropometrie folgen dem von R. MARTIN
067  vorgezeichneten methodischen Weg, so Th. MOLLISON
068  (1938) und auch die dritte Auflage des Lehrbuchs der Anthropologie
069  von R. MARTIN - K. SALLER (1957), besonders
070  Band 1. Aus der fremdsprachigen Fachliteratur sei die sowjetische
071  Osteometrie von V.P. ALEKSEJEV (1966) als ein
072  Beitrag zur Anthropometrie genannt. Eine auf modernen
073  anatomischen Erfahrungen beruhende Darstellung legte GEORGE
074  OLIVER (1960) in seiner " Pratique Anthropologique " vor.
075  Die von den indischen Anthropologen I.P. SINGH und
076  M.K. BHASIN (1968) herausgegebene " Anthropometry "
077  in englischer Sprache ist eine um einige spezielle anatomische
078  Angaben bereicherte Darstellung im Sinne der deutschen
079  Anthropometrie nach der Lehre von R. MARTIN. Die
080  Anthropometrie wird nach der Art des Untersuchungsmaterials bzw.
081  des Objektes, an dem die Messungen vorgenommen werden, in
082  zwei Hauptgruppen eingeteilt: in die Osteometrie (Messungen am
083  Knochen) und die Somatometrie (Messungen am Körper bzw. am
084  Lebenden). Innerhalb dieser beiden Hauptgruppen wird
085  entsprechend der klassischen Anthropometrie - nach R.
086  MARTIN - wiederum unterschieden: so in der Osteometrie die
087  Kraniometrie (Schädelmeßlehre) und die Postkraniometrie
088  (sinngemäßer wäre " Subkraniometrie ") (Messungen am Skelett);
089  entsprechend in der Somatometrie die Kephalometrie
090  (Kopfmeßlehre) und die Somatometrie (Körpermeßlehre).
091  Morphologie. Gleichzeitig mit der anthropometrischen
092  Untersuchung, die die objektiven Daten des menschlichen Körpers
093  in Form von Zahlen ermittelt, werden morphologische
094  Untersuchungen vorgenommen. Mehrere anthropometrische Daten (z.B.
095  Messungen an Gesichtsteilen wie Augen, Mund etc.)
096  können ohne morphologische Betrachtung (Morphologie = Gestalt
097  erfassung, Formerfassung) kaum gesichert ermittelt werden,
098  weshalb sie bereits bei den Messungen erforderlich ist. Die
099  morphologische Betrachtung birgt in sich die Gefahr mangelnder
100  Objektivität, da von vorliegenden Schemata, bzw. Normen oder
101  Idealformen ausgehend, der Versuch gemacht wird, Form und
102  Gestalt zu ermitteln und zu dokumentieren. Diese Art der
103  Untersuchung ist oft vom Vergleichsmaterial, vom Schema und
104  besonders auch von der Erfahrung des Untersuchenden abhängig.
105  Grundsätzlich muß bei der morphologischen Betrachtung
106  größtmögliche Objektivität und Neutralität angestrebt werden.
107  So dürfen keine Begriffe und Bezeichnungen verwendet werden, die
108  bereits eine Bewertung enthalten könnten oder der Auswertung
109  vorgreifen würden (" primitiv ", als Merkmal, gut durchgeformt
110  " usw.). Die anatomischen Variationsbereiche sind breit und
111  bergen viele Möglichkeiten in sich, kein Merkmal ist aber mit
112  einem bestimmten Wert behaftet, wie bedauerlicherweise manche
113  Autoren aus einseitiger, begrenzter Normvorstellung bzw.
114  Idealvorstellung der Annahme zu sein scheinen. Im Rahmen
115  einer Anleitung zur anthropometrischen Methode müssen wir uns für
116  morphologische Untersuchungen heute noch mit grundlegenden Schemata
117  begnügen. Eine spezielle Darstellung der Morphologie, auch wenn
118  sie methodisch eng mit der Anthropometrie wie der Anatomie
119  verbunden ist, kann erst nach neuen Spezialuntersuchungen vorgelegt
120  werden. Innerhalb der Morphologie können wir, ähnlich wie in
121  der Anthropometrie, gemäß dem Untersuchungsmaterial
122  unterscheiden zwischen Osteoskopie, Kranioskopie und Somatoskopie.
123  Die osteoskopischen und somatoskopischen Schemata erfassen die
124  Beschreibung und Systematisierung von Körperteilen, der Finger,
125  Hände, des Papillarsystems u.a., außerdem die
126  Gliederung der Pigmentierung von Haaren, Haut und Augen. Für
127  die Einteilung nach morphologischen Gesichtspunkten werden bei
128  Gesicht, Gesichtteilen, Augenregion, Mund, Nase, Ohren die
129  verschiedensten Begriffe und Methoden verwendet. Hier sollen nur
130  wichtige und grundlegende Beispiele sowie die einfachsten, auch
131  heute benutzten Schemata aufgeführt werden. Der methodische
132  Versuch, die Erfahrungen der vergangenen hundert Jahre
133  auszuwerten, kann an entsprechenden Stellen nur angedeutet werden.
134  Anatomie - Der menschliche Körper. Die Lehre vom
135  menschlichen Körper kann in den verschiedenen Altersstufen und
136  Entwicklungsstadien (Neugeborenenalter, Kindes
137  alter, Erwachsenenalter und Greisenalter) den
138  anthropologischen Methoden entsprechend nach Form und Struktur in
139  die Lehre vom Knochenbau (Osteologie) und von den Weichteilen
140  (Somatologie) unterteilt werden. Diese methodische Gliederung
141  erfolgt entsprechend in der Anthropometrie in die Teilgebiete
142  Osteometrie und Somatometrie. Die systematische Humananatomie
143  - die sich ausschließlich mit dem menschlichen Körper
144  beschäftigt - erfaßt den Körper in Bewegungsapparat,
145  Eingeweide und Nervensystem. Zum Bewegungsapparat gehören die
146  Extremitäten mit Schulter und Beckengürtel. Der Rumpf kann
147  mit Rumpfwand, Wirbelsäule, Rippen und Brustkorb als eine "
148  Einheit " angesehen werden. Die topographische Anatomie
149  beschreibt den Körper in Regionen, so spricht man u.a.
150  von der Rumpfregion, Beckenregion und
151  Schulterregion, von den Extremitäten und dem Kopf. Der Kopf
152  bildet eine Einheit, die in Gehirnschädel und Gesichtsschädel
153  (cerebraler und visceraler Cranium) unterteilt wird. Diese mehr
154  theoretischen Einteilungen erscheinen für anthropologische
155  Untersuchungen sinnvoll. Der menschliche Körper bildet nach der
156  humananatomischen Betrachtung eine in sich geschlossene,
157  zusammenhängende Einheit, die bei der Entstehung des Individuums
158  in seiner embryomalen Entwicklung bereits geprägt und nach der
159  Geburt gegeben ist. Jede auch noch so sinnvolle Gliederung oder
160  systematische Aufteilung des menschlichen Körpers bleibt subjektiv
161  und ist abhängig von den jeweiligen wissenschaftlichen Methoden und
162  Fragestellungen. Die Benennung der menschlichen Körperteile -
163  Gewebe, Muskeln, Knochen u.a. - geschieht, der
164  Entwicklung der anatomischen Forschung folgend, mit lateinischen
165  Namen. Die Benennung 1st durch die " Nomina anatomica
166  " festgelegt und zeigt historische Aspekte. Die heute gültigen
167  Benennungen sind von dem Pariser Anatomen-Kongreß (PNA =
168  Pariser Nomina Anatomica 1955) bestimmt. Die erste
169  international gültige einheitliche Benennung wurde in Basel
170  (BNA = Baseler Nomina Anatomica 1895) vereinbart, die in Jena
171  (JNA = Jenaer Nomina Anatomica 1935) einige Umwandlungen
172  erhielt. Bei der anthropologischen Untersuchung werden neben dem
173  Knochengerüst, das meist austastbar ist und die Ausgangspunkte
174  bei der Festlegung von Meßpunkten bzw. Meß gegenden
175  bildet, auch die Weichteile berücksichtigt. Die Hautschichten
176  wie auch das Muskelgewebe und entsprechende Teile von Gewebe
177  müssen ebenfalls gemessen und erfaßt werden, d.h. die
178  Instrumente dürfen nicht fest angedrückt werden. In der
179  Anthropologie müssen selbstverständlich auch die weiteren
180  Abschnitte des Körpers - die Eingeweide und die peripheren
181  Leistungsbahnen, das zentrale Nervensystem und die Sinnesorgane
182  berücksichtigt werden. Bei anthropometrischen Untersuchungen
183  haben sie primär keine große Bedeutung. Der Zusammenhang
184  zwischen Anatomie und Anthropometrie ist offenbar, wobei für den
185  Anatomen bzw. den Mediziner die Erfahrungen und Erkenntnisse
186  der Anthropometrie nützlich sein können, während der
187  Anthropologe ohne eine gründliche Ausbildung und ständige
188  Erweiterung seiner anatomischen Kenntnisse nicht arbeiten kann.
189  Die Vielfalt und der Variationsbereich des menschlichen Körpers
190  werden nur auf dieser Basis verstanden. Es hat seinen Grund,
191  daß in der Anthropologie die methodisch bedeutenden Untersuchungen
192  gerade in diesem Bereich meist von Anatomen gemacht wurden. Eine
193  auf anatomischer Basis beruhende Anthropologie kann, besonders in
194  den Teilgebieten Anthropometrie und Morphologie, kaum eine
195  überholte Fachrichtung werden oder sogar in eine ideologisch
196  bedingte " Rassenkunde " entarten. Instrumente. Die
197  Instrumente für die anthropometrischen Untersuchungen sind meist
198  auf die Art der Untersuchung ausgerichtete technische Geräte.
199  Nach den Ausführungen in MARTIN R. - SALLER K.: "
200  Lehrbuch der Anthropologie " (Bd 1. S. 276-
201  311) kennen wir mehr als 80 verschiedene Instrumente und
202  instrumentelle Hilfsmittel. Von den Untersuchungsmethoden
203  ausgehend können wir diese gliedern in: Meßinstrumente
204  zur Bestimmung bestimmter Strecken bzw. Linien zwischen zwei
205  gegebenen Punkten. Zu dieser Gruppe gehören die meist linearen
206  Meßinstrumente, die mit den gegebenen Strecken parallel verlaufen
207  und deren Werte auf einer Skala (in mm und auch cm) abgelesen
208  werden. In einigen Fällen, z.B. beim Tasterzirkel
209  (Nr. c), wird die Skala im Verhältnis verkleinert. In diese
210  Gruppe gehören: a Anthropometer - Stangenzirkel. Aus
211  einem zusammensetzbaren Metallholstab bestehendes Lineal mit
212  Millimetereinteilung (von 0-2000). Auf dem Stab befindet
213  sich am einen (oberen) Ende eine Führungsrille, in die quer zum
214  Stab spezielle Metallstäbe eingesetzt werden können. Parallel
215  zu der festen Führungsrille befindet sich ein Metallschieber, in
216  den ebenfalls in Querstellung zum Stab Metallstäbe eingefügt
217  werden können. Bei Messungen werden die verstellbaren Stäbe bzw.
218  deren Enden an den Meßpunkten angesetzt. Die Länge der
219  Meßstrecke wird am Längsstab abgelesen. Das Oberteil des
220  Anthropometers wird Stangenzirkel genannt, dabei wird nicht das
221  untere bzw. freie Ende als Ausgangspunkt oder
222  Nullpunkt genommen, sondern das obere Ende mit der Führungsrille.
223  So wird der Stangenzirkel als ein großer Gleitzirkel oder
224  modifiziertes Anthropometer benützt. b Gleitzirkel. Auf
225  einem Metallineal (mit mmEinteilung bzw. cm-
226  Einteilung von 0-200 und von 0-50 auf beiden Seiten) ist
227  neben einem festen, rechtwinkligen Querarm am Ende ein damit
228  parallellaufender verschiebarer Querarm verbunden. Die Querarme
229  haben auf der einen Seite spitze Enden für osteometrische
230  Messungen, auf der anderen Seite stumpfe Enden für
231  somatometrische Messungen. c Tasterzirkel. Er besteht aus
232  zwei Armen, die am einen Ende durch ein Gelenk verbunden und am
233  anderen Ende gegeneinander gebogen sind. Die Entfernung zwischen
234  den oberen Tasterpunkten, die meist stumpf sind, für Osteometrie
235  aber auch spitz verwendet werden, wird entsprechend in mm auf eine
236  maßstabveränderte Skala (von 0-300) zwischen den
237  Tasterarmen übertragen. d Bandmaß. Zusammenrollbares
238  Metallband mit mm-Einteilung bzw. cm-
239  Einteilung. e Palatometer. Es wird für spezielle
240  osteometrische Tiefenmessungen, z.B. der Gaumentiefe,
241  verwendet und ist eine besondere Konstruktion eines Meßlineals.
242  Zwei Arme sind auf die jeweilige Ebene - Kieferbreite -
243  einstellbar, in deren Mitte das verschiebbare Tiefenlineal die
244  gemessene Tiefe angibt. Die Arme bewegen sich seitlich je 20 mm,
245  das Tiefenlineal von 0-25 mm. Instrumente zur
246  Bestimmung der Winkel zwischen einzelnen Linien. a
247  Goniometer. Bei der Bestimmung der Winkel wird das Goniometer
248  (Ansteckgoniometer oder Winkelmesser nach Th. MOLLISON)
249  verwendet. Auf einer halbkreisförmigen Gradeinteilung gibt der
250  Zeiger - von der Schwerkraft gelenkt - den entsprechenden
251  Winkelwert an. Dieses Instrument wird meist an Gleitzirkel,
252  Tasterzirkel, Stangenzirkel u.a. angebracht verwendet.
253  Weitere Instrumente, die zur Bestimmung der Winkel verwendet
254  werden können, sind eine modifizierte Art des Goniometers (z.B.
255  der mit einem Lineal versehene Doppel-Goniometer,
256  das Trigonometer nach FÜRST) oder einfache
257  Winkelmesser mit verstellbaren Platten (z.B.
258  Mandibulometer nach HAMBRUCHS und BLACK). In
259  zahlreichen Fällen können spezielle Kombinationen von
260  Instrumenten (z.B. das Pelvimeter nach
261  CHOPRA und das spezielle Kraniometer nach J.
262  COCHMANN) osteologische Untersuchungen erleichtern. Die
263  Anwendung kombinierter Instrumente bei entsprechenden
264  wissenschaftlichen Fragestellungen sind zahlreich. Besonders bei
265  chirurgischen (Kieferchirurgie) und orthopädischen Behandlungen
266  ergibt sich die Notwendigkeit, entsprechende Kombinationen von
267  anthropometrischen und medizinischen Instrumenten herbeizuführen.
268  Die wichtigste Gruppe von Instrumenten bildet jene, bei
269  der eine objektive Aufstellung des Untersuchungsgegenstandes
270  ermöglicht ist. Neben den einfachen Ständern,
271  zu denen der Universalständer gehört (auf einem Fuß
272  stehender Stab, an den man das Objekt durch entsprechende
273  Vorrichtung anbringen kann), können außerdem die
274  modifizierten, spezialisierten Halter und Ständer wie u.a.
275  der für Schädelmessungen benützte Schädelständer,
276  die verschiedenen Formen des sog. Kraniophor,
277  genannt werden. Der Kubuskraniophor (nach R.
278  MARTIN) ist ein Gerüst in Kubusform in dessen Mitte sich
279  ein eingebauter Spezialständer für craniologische und
280  craniometrische Untersuchungen befindet. Der auf einem
281  Dreifuß zusammengebaute Schädelständer - der Kraniphor
282  nach Th. MOLLISON - ist eine andere Variante des
283  Universalständers. Für die Orientierung und Normierung von
284  Objekten kann neben dem einfachen Stativ oder den Ständern
285  besonders für Langknochen das sog. Meßbrett (nach
286  RIED) benützt werden. Auf eine Platte, deren ganze Fläche
287  eine Millimetereinteilung trägt, kann das Objekt in jeder
288  gewünschten Orientierung in jedem Winkel aufgelegt werden. Bei
289  der Verwendung des Meßbretts können neben Notierungen von
290  Längenmaßen und Breitenmaßen gleichzeitig mit der
291  Festlegung der Punkte oder Linien auch entsprechende
292  Winkelmessungen vorgenommen werden. Diese und andere sehr oft für
293  spezielle Fragestellungen und Untersuchungen hergestellte
294  Instrumente wie z.B. der modifizierte Kubuskraniophor aus
295  Kunststoff für osteometrische bzw. osteofotogrammetrische
296  Untersuchungen dienen verschiedensten anthropometrischen
297  Untersuchungen sowie zum Abzeichnen oder Fotographieren des
298  Objektes. Die Identifikationsmethode der Gerichtsanthropologie,
299  deren Bedeutung unverständlicherweise in der Methodik der
300  deutschen Anthropologie unrichtig beurteilt worden ist
301  (EICKSTEDT E. v.[ 1940 ]Bd. 1 S. 428,
302  MARTIN R. - SALLER K.[ 1957 ]Bd. 1 S.
303  384-385) hat bereits seit A. BERTILLON
304  zusammengesetzte Instrumente und Hilfsmittel benützt. In der
305  angewandten Anthropologie können bei Untersuchungen der
306  Körperhöhe und Körperproportionen usw. verschiedene
307  zusammengesetzte Instrumente verwendet werden. So können wir die
308  Untersuchungsmethoden von KABANOFF und MUTATOV (1966)
309  bei der Untersuchung des sitzenden Menschen mit einem speziellen
310  Meßgerät (Sedoanthropometer) unter vielen anderen nennen.

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