Quelle Nummer 489
Rubrik 29 : LAND Unterrubrik 29.00 : LAND
SCHAEDLINGSBEKAEMPFUNG
BRUECKBAUER/RUEDEL
DIE VIRUSKRANKHEITEN DER REBE
BEDEUTUNG, DIAGNOSE UND BEKAEMPFUNG
EUGEN ULMER VERLAG STUTTGART 1971, S. 14-
001 Erkennung und Nachweis von Rebvirosen. Der
002 Beobachtung der Wirtspflanzen selbst, d.h. ihrer Reaktion
003 auf einen Virusbefall, steht der Nachweis des Virus auf
004 Indikatorpflanzen gegenüber. Seit neuestem wird auch der
005 serologische Test verstärkt eingesetzt. Physiologisch-
006 chemische oder physikalische Methoden sind z.Z. von
007 untergeordneter Bedeutung. Äußere Symptome. Die
008 Beobachtung sichtbarer Symptome läßt eine fortgeschrittene
009 Viruserkrankung verhältnismäßig leicht erkennen, ist aber bei
010 der Beurteilung von Anfangsstadien der Krankheit mit gewissen
011 Schwierigkeiten verbunden. Äußere Faktoren können die
012 Ausprägung der Merkmale und damit eine sichere Erkennung
013 viruskranker Reben mehr oder weniger stark beeinflussen. So
014 führen z.B. hohe Temperaturen während der Sommermonate
015 zu einer Maskierung von Merkmalen. Auch die mitunter lange
016 Inkubationszeit, die sich über Jahre erstrecken kann, macht eine
017 sichere Frühdiagnose häufig unmöglich. Latente Infektionen
018 sind visuell kaum zu erfassen. Das Symptombild der
019 Virusinfektionen kann leicht mit anderen Schädigungen, wie denen
020 von Ernährungsstörungen, genetischen Veränderungen,
021 Spritzmitteln oder Unkrautbekämpfungsmitteln, verwechselt werden.
022 Die Merkmale an viruskranken Reben sind sehr mannigfaltig.
023 Auffallende Veränderungen im Habitus der Wirtspflanze, wie
024 Austriebsverzögerung mit nachfolgender Wachstumshemmung, sind
025 häufig mit Veränderungen der Blattform oder, seltener, mit
026 Auswüchsen auf den Blattunterseiten gekoppelt. Recht typisch
027 sind die verschiedenartigsten Farbveränderungen an den Blättern.
028 Auch Störungen im Fruchtansatz oder in der Fruchtform treten
029 häufig auf. Die für die einzelnen Rebvirosen bekannten Symptome
030 werden in einem späteren Kapitel eingehend besprochen.
031 Innere Symptome. Virusinfektionen können auch anatomisch-
032 histologische Veränderungen im Innern der Wirtspflanze, wie
033 Bildung von Einschlußkörpern in den Zellen,
034 Kalloseablagerungen in Knollen blattrollkranker Kartoffeln u.a.
035 , auslösen. In abbaukranken Reben wurden Anfang dieses
036 Jahrhunderts die sog. intrazellularen Stäbe bekannt. Diese
037 stabförmigen Gebilde in den Gefäßen der Rebe sollen durch eine
038 Reisiginfektion ausgelöst werden. Tatsächlich findet man in
039 stark reisigkranken Stöcken relativ oft Stäbe. Ihre Ausbildung
040 wird aber besonders in Anfangsstadien der Erkrankung von
041 verschiedenen Faktoren beeinflußt und kann folglich nicht zur
042 sicheren Erkennung dieser Stadien beitragen. Bei der Flavescence
043 dor1e treten im Innern der Triebe ebenfalls histologische
044 Veränderungen auf; aber auch sie sind allein für eine sichere
045 Erkennung der Krankheit wenig geeignet. Nachweis durch
046 Testpflanzen. Nicht in allen Fällen wird sich die Diagnose
047 viruskranker Reben auf die visuelle Bonitur beschränken können.
048 Da latente oder maskierte Infektionen an der Wirtspflanze selbst
049 nicht sichtbar sind, versucht man, sie durch Verimpfen von
050 Preßsaft aus kranken Pflanzen auf empfindliche Testpflanzen
051 (meist Unkräuter) nachzuweisen. Rebviren sind verhältnismäßig
052 instabil; sie werden durch Luftsauerstoff und durch
053 Zellinhaltsstoffe (meist Gerbstoffe), die bei der Herstellung
054 des Preßsaftes freigesetzt werden, inaktiviert, d.h.
055 unwirksam gemacht. Daraus resultiert ein unlöslicher Komplex von
056 Virus und Gerbstoff, dessen Bildung durch Zusatz bestimmter
057 Substanzen wie Puffer, Nikotin-Lösung oder anderer
058 Substanzen bei der Preßsaftherstellung verhindert werden kann.
059 Dieses Verfahren wurde erstmals 1960 bei Rebpreßsäften
060 angewendet. Es gelang damit, die viröse Natur verschiedener
061 Rebkrankheiten aufzuklären. Die mit Preßsäften kranker Reben
062 beimpften krautigen Testpflanzen reagieren oft mit typischen
063 Symptomen, die eine genauere Diagnose ermöglichen. In
064 Abhängigkeit von den Kulturbedingungen der Testpflanzen vor und
065 nach der Inokulation (Beimpfung) sowie der Virulenz
066 (Infektionskraft) des Virus zeigen sich meist 5 bis 20 Tage nach
067 der Inokulation die ersten Symptome, die in Abhängigkeit vom
068 Virus bzw. Virusstamm verschieden ausgeprägt sein können. Es
069 kann zu systemischen Symptomen in Form einer Umbiegung des
070 Stengels, Wuchsstauchungen oder netzförmigen Aufhellungen der
071 Blätter kommen. Bleibt die Infektion auf die inokulierten
072 Blätter beschränkt, werden sog. Lokalläsionen ausgeprägt.
073 Von allen bisher überprüften krautigen Testpflanzen eignen sich
074 für Rebviren die Gänsefußarten Chenopodium quinoa, Ch.
075 murale und Ch. amaranticolor besonders gut. Latente
076 Infektionen oder visuell nicht deutlich sichtbare Anfangsstadien
077 können aber auch so nicht sicher diagnostiziert werden. Bessere
078 Ergebnisse lassen sich erst dann erzielen, wenn der Preßsaft
079 kranker Reben bestimmten Reinigungsverfahren und
080 Anreicherungsmethoden unterworfen wird. Auch die
081 Testpflanzenmethode hat ihre Mängel. Sie ist jahreszeitlich eng
082 begrenzt, da die Symptomausprägung auf den Testpflanzen nur im
083 Frühjahr am deutlichsten ist und bei Fortschreiten der
084 Vegetationsperiode verhältnismäßig unsicher wird.
085 Nachweis mit Indikatorreben (Pfropftest). Ein Virusnachweis
086 ist auch möglich, wenn besonders virusempfindliche Rebsorten, sog.
087 Indikatorreben, mit dem zu untersuchenden Holz veredelt werden.
088 Symptome können dann je nach Virus u.U. bereits im
089 gleichen Jahr auftreten. Besonders gut eignen sich die Amerikaner
090 -Rebe Rupestris du Lot und die Hybride (Formel) (Siegfriedrebe)
091 z.B. zum Nachweis von Reisigkrankheit und infektiöser
092 Panaschüre. Die Rollkrankheit läßt sich bis heute überhaupt
093 nur auf Indikatorreben sicher identifizieren. Von den speziellen
094 Methoden soll hier das " chip budding " erwähnt werden, bei dem
095 kleine Holzstücke mit Auge an den aufgeschlitzten Sproß der zu
096 testenden Rebe angelegt und mit Bast oder Gummiringen umwickelt
097 werden. Indikatorreben bei Nachpflanzversuchen
098 und Bodenentseuchungsversuchen. Die Sorten Rupestris du Lot
099 und (Formel) reagieren, in verseuchte Böden gepflanzt, sehr schnell
100 mit einer Infektion. Die Reben bleiben oft schon im Pflanzjahr
101 im Wuchs zurück. Dann bilden sich typische Blattsymptome, die
102 bei Rupestris du Lot in einer asymmetrischen Blattspreite scharfer
103 Blattrandzahnung, gestreckter bzw. stumpfwinkliger
104 Blattstielbucht sowie deutlich sichtbaren Adernbänderungen
105 bestehen. Oftmals sind auch Aufhellungen der Blattspreite, meist
106 in Form von Ringmustern oder Linienmustern, zu
107 beobachten. Auch die Siegfriedrebe reagiert nach erfolgter
108 Infektion sehr rasch mit stichstellenartigen Aufhellungen,
109 typischen Blattdeformationen und gelegentlich goldgelber Ring
110 musterung und Linienmusterung. Serologisches
111 Verfahren. Die Serologie hat für die Virusdiagnostik in den
112 letzten Jahren immer mehr an Bedeutung gewonnen und wurde besonders
113 von französischen Virologen für Serienuntersuchungen herangezogen.
114 Die Methode beruht darauf, daß den Versuchstieren, meist
115 Kaninchen, artfremde Eiweißstoffe (Antigene), in Form der
116 Viruseiweiße in die Blutbahn injiziert werden. Im Blut des
117 behandelten Tieres werden gegen diese artfremden Eiweiße
118 spezifische Abwerhstoffe, sog. Antikörper, gebildet, die im
119 Blutserum gelöst sind und nach einer Blutentnahme gewonnen werden.
120 Ein derartiges Serum nennt man Antiserum. Bringt man
121 Antikörper und entsprechendes Viruseiweiß zusammen, bildet sich
122 ein nachweisbarer Niederschlag. Werden in ein Gelmilieu Löcher
123 in bestimmter Anordnung gestanzt, in die der zu untersuchende
124 gereinigte Rebenpreßsaft (Antigen) und das Antiserum
125 eingebracht werden, so erfolgt im Gelmilieu eine Diffusion.
126 Virus und Antikörper treten in Kontakt; der Komplex Virus-
127 Antikörper fällt aus, und es entstehen innerhalb weniger Tage
128 helle Bögen, sog. Viruslinien. Deren Ausbildung unterbleibt
129 bei Verwendung von gesundem Material. Diese Methode bedarf aber
130 apparativer Einrichtungen und ist somit nur von wissenschaftlichen
131 Instituten durchführbar. Physiologisch-chemische
132 Verfahren. Einfache physiologisch-chemische
133 Diagnoseverfahren zur möglichst raschen und sicheren Erkennung des
134 Gesundheitszustandes könnten für Routineuntersuchungen in der
135 Praxis recht wertvoll sein. Derartige Teste (z.B.
136 Lindner-Test, Diphenylamin-Probe,
137 Redoxpotentialmessungen, Stärkeprobe, Biuret-Reaktion,
138 Kaliumpermanganat-Reaktion, Fehlingsche Probe usw.) sind
139 allerdings recht unsicher, da sie nicht das Virus selbst erfassen,
140 sondern nur die sekundär durch die Viren ausgelösten
141 Stoffwechselveränderungen. Sie sind mehr oder weniger stark
142 umweltabhängig, so daß sie zur Virusdiagnose kaum in Frage
143 kommen. Außerdem treten eindeutige Reaktionen oft erst dann auf,
144 wenn der Virusbefall bereits erheblich fortgeschritten ist, d.h.
145 wenn die Wirtspflanze bereits visuell erfaßbare Symptome
146 ausgeprägt hat. Physikalische Verfahren. Mit Hilfe
147 des Elektronenmikroskopes ist es möglich, die Viren direkt zu
148 erfassen, wodurch die Fehler der indirekten Methoden umgangen
149 werden. Dieses Verfahren ist für Serienuntersuchungen jedoch
150 nicht geeignet. Inwieweit die spektralphotometrische Methode, bei
151 der das UV-Absorptionsspektrum des Nukleinsäuregehaltes
152 pflanzlicher Viren festgestellt wird, auch für
153 Serienuntersuchungen im Rahmen der Gesundheitsselektion eingesetzt
154 werden kann, muß abgewartet werden. Auch papierchromatographische
155 und elektrophoretische Verfahren sind bekannt, für diagnostische
156 Zwecke aber noch nicht anwendbar. Beschreibung der
157 Krankheiten. Als Krankheitssymptome bezeichnet man alle durch
158 die Einwirkung von Parasiten oder unbelebten Ursachen auf die
159 Wirtspflanze sichtbar werdenden Veränderungen des normalen
160 Aussehens der Pflanze. Sie sind recht verschieden, treten oft zu
161 mehreren auf und machen dann als Symptomkomplex das Krankheitsbild
162 aus. In der Diagnose der Viruskrankheiten treten mitunter
163 Schwierigkeiten auf, da einzelne Symptome oft solchen ähneln oder
164 sogar gleichen, die durch andere Faktoren ausgelöst werden. Bei
165 der Beschreibung einer Krankheit darf man sich nicht auf
166 Einzelsymptome beschränken, sondern es müssen alle auftretenden
167 Merkmale erfaßt werden, gleich, zu welchem Zeitpunkt erkennbar.
168 Auch die mitunter unterschiedliche Reaktion der Sorten sowie eine
169 ungleichmäßige Erkrankung der Stöcke muß berücksichtigt werden.
170 Im folgenden werden die Symptome jener Rebvirosen und
171 virusähnlichen Erscheinungen beschrieben, die bis jetzt in den
172 deutschen Weinbaugebieten beobachtet wurden. Da die Merkmale
173 leicht mit Schädigungen anderer Ursachen verwechselt werden
174 können, werden die Verwechslungsmöglichkeiten bei der
175 Betrachtung der einzelnen Krankheiten angeführt. Für
176 Vergleiche mit dem normalen Bau der Rebe wird auf den Anhang
177 verwiesen. Reisigkrankheit. Virus: Die
178 Reisigkrankheit stellt eine komplexe Krankheit dar, an deren
179 Zustandekommen folgende Viren beteiligt sein können:
180 Arabismosaik-Virus, Fanleaf-Virus, Himbeerringflecken
181 -Virus, Latentes Erdbeerringflecken-Virus, Tabakmosaik
182 -Virus, Tomatenschwarzringflecken-Virus,
183 Tomatenzwergbusch-Virus. Wirtspflanzenkreis:
184 Befallen werden in unterschiedlicher Stärke EuropäerReben
185 und Amerikaner-Reben sowie Hybriden. Übertragung
186 Pfropfübertragung und Übertragung durch Nematoden
187 (Xiphinema-Arten und Longidorus-Arten)
188 ist bewiesen. Mechanische Übertragung auf krautige
189 Testpflanzen ist möglich. Verbreitung: In allen
190 deutschen Weinbaugebieten. Wirtschaftliche Bedeutung:
191 Die Gefährlichkeit dieser Krankheit liegt in hohen
192 Ertragsausfällen, erhöhten Ausfällen in der Rebschule bei
193 Verwendung kranken Vermehrungsmaterials, häufigerer Neuanlage
194 von Weinbergen bei kranken Beständen und einer möglichen
195 Bodenverseuchung. Bekämpfung: Strenge
196 Selektionsmaßnahmen in Vermehrungsanlagen, somit Verwendung
197 möglichst vollständig gesunden Vermehrungsmaterials,
198 Durchführung einer chemischen Bodenentseuchung oder Einschaltung
199 einer längeren Brache (8-12 Jahre). Krankheitsbild.
200 Europäer-Reben. Wichtige Merkmale:
201 (Austriebshemmung), Schwachwüchsigkeit, Blattveränderungen,
202 Triebveränderungen, Veränderungen an Gescheinen und Trauben,
203 intrazellulare Stäbe. Austrieb. Der Austrieb kranker
204 Stöcke ist gegenüber dem gesunder Reben oft verzögert, und es
205 treten bereits in den ersten Wochen der Vegetationsperiode
206 Wuchsunterschiede auf. Die Hemmung des Austriebes kann
207 allerdings auch durch andere Faktoren ausgelöst werden und ist
208 folglich kein spezifisches Merkmal der Reisigkrankheit. Auf
209 Blattdeformationen im Sommer muß geachtet werden. In manchen
210 Fällen können reisigkranke Stöcke der Sorte Silvaner,
211 vereinzelt auch des Rieslings, im Frühjahr beim Austrieb
212 dunkelrot bis rotbraun gefärbte Triebspitzen und rötliche
213 Gescheine haben. Diese Rotfärbung tritt gelegentlich auch
214 während kühler Sommerperioden in schwächerer Form auf.
215 Möglicherweise verhalten sich einzelne Klone bzw. Herkünfte
216 unterschiedlich. Andere Ursachen: Verzögerung des
217 Austriebes kann auch durch Enationenkrankheit und Flavescence dore
218 1e, Frosteinwirkung und Befall mit der Kräuselmilbe
219 ausgelöst werden. Wuchs. Mit fortschreitender
220 Erkrankung wird eine immer stärkere und dauerhaftere
221 Schwachwüchsigkeit ausgeprägt. Sie entsteht durch Stauchung und
222 Verkürzung der oft zickzackartig angeordneten Internodien.
223 Buschiges Aussehen der kranken Stöcke (im Winter wie ein
224 " Reisigbesen ") wird durch starke Geiztriebbildung verursacht.
225 In den Anfangsstadien einer Reisiginfektion, besonders im
226 Stadium der Latenz (Infektion vorhanden, aber keine
227 Symptomausprägung) oder bei einer vorübergehenden " Gesundung "
228 können infizierte Reben sogar wesentlich wüchsiger sein als
229 gesunde. Man spricht hier von " Luxurieren " der Stöcke. In
230 diesem Stadium sind Blattmißbildungen meist nur schwach oder
231 überhaupt nicht zu erkennen; eine Beurteilung des
232 Gesundheitszustandes ist deshalb recht schwierig. Die Dauer der
233 Latenz bzw. vorübergehenden " Gesundung " hängt weitgehend
234 vom Allgemeinzustand der Anlage, von Rebsorte bzw. Klon,
235 Unterlage und wahrscheinlich auch vom Virus bzw. Virusstamm ab.
236 Andere Ursachen: Schwachwüchsigkeit kann auch bei
237 enationenkranken und FD-kranken Reben auftreten.
238 Weiter lösen Frosteinwirkung, Kräuselmilbenbefall,
239 Nährstoffmangel, Nematodenbefall, Herbizideinwirkung u.a.
240 gelegentlich ebenfalls Schwachwüchsigkeit aus. Es sind
241 jeweils die für diese Ursachen typischen Merkmale zu
242 berücksichtigen. Blattveränderungen.
243 Formveränderungen Blattmißbildungen sind für reisigkranke
244 Europäer-Reben sehr typisch und, von sorteneigenen
245 Abweichungen abgesehen, bei allen Sorten verhältnismäßig
246 ähnlich. Bei Stöcken im Anfangsstadium der Erkrankung
247 allerdings sind typische Blattdeformationen noch nicht deutlich
248 ausgebildet. Hier äußert sich eine Erkrankung zunächst in einer
249 länglich oder rundlich werdenden Blattspreite mit leicht
250 geöffneter Stielbucht. Wuchs und Blattgröße bzw.
251 Blattfärbung sind in diesen Stadien oft kräftiger als an normal
252 aussehenden Stöcken. Mit Fortschreiten der Erkrankung macht
253 sich meist eine ständig zunehmende Kleinblättrigkeit
254 bemerkbar. Im Endstadium der Erkrankung ist die Blattfläche nur
255 noch 1 (math.Op.) 3 bis 1 (math.Op.) 4 so groß wie die gesunder Stöcke. Beim
256 Silvaner dagegen können die Blätter auch etwas vergrößerte
257 Blattspreiten haben, sie " luxurieren ". Typische Abweichungen
258 von der normalen Blattform bestehen zunächst in asymmetrischen
259 Blattverbildungen, d.h. die Blatthälften beiderseits des
260 Mittelnerves sind verschieden groß. Blattdeformationen reichen
261 aber schließlich über alle Stufen bis zur
262 Petersilienblättrigkeit. Im Extremfall kann die Blattspreite
263 bis auf einen die Adern umgebenden schmalen Saum zurückgebildet
264 sein. Auch tütenförmige Blätter, sog. Peltationen,
265 können vereinzelt auftreten; sie wurden häufiger bei
266 Spätburgunder beobachtet. Da basale und Spitzenblätter in ihrer
267 Form oft variieren, sollte eine Beurteilung der Blattform
268 möglichst im mittleren Bereich des Stockes vorgenommen werden.
269 Die Blattlappung kann vollständig verschwunden sein; bei
270 gestreckter Blattstielbucht wird das Blatt dann halbkreisförmig.
271 Die normalerweise 3lappigen, 5lappigen oder
272 7lappigen Blätter können aber auch tiefer eingeschnitten sein als
273 normal. Die Blattstielbucht, je nach Sorte normalerweise
274 V-förmig oder überlappend, öffnet sich immer mehr, bis sie
275 gestreckt oder im Extremfall stumpfwinklig ist. Bei fehlender
276 Blattlappung und stumpfwinkliger Blattstielbucht kann
277 Fächerblättrigkeit entstehen; die Nerven laufen dann parallel
278 (besonders häufig bei den Sorten Chardonnay, FS 4 201-39,
279 Batsch-Riesling (Seidentraube), seltener bei Riesling),
280 dazu können außerdem durchsichtige Adernaufhellungen ausgebildet
281 sein. Die Blattspreiten sind bei manchen Sorten derb und
282 lederartig, manchmal entlang der Adern gekräuselt oder gefaltet.
283 Gelegentlich findet man auch blasige Aufwölbungen der
284 Blattoberfläche. Die normale Färbung der Blattspreite ist oft
285 intensiver grün als bei gesunden Stöcken, und dies besonders in
286 den Anfangsstadien der Erkrankung. Einrollen der Blattränder
287 kann, besonders bei Silvaner und Riesling, gelegentlich
288 beobachtet werden. Dies ist aber eher auf Ernährungsstörungen
289 oder die Blattrollkrankheit zurückzuführen, als daß es ein
290 Merkmal der Reisigkrankheit wäre. Die Blattzähne sind
291 oft unnatürlich lang und spitz ausgezogen; sie wechseln meist mit
292 kurzen Zähnen ab, und ihre Anzahl ist recht unterschiedlich.
293 Bei Silvaner sind die Zähne ziemlich gleichmäßig
294 sägeblattartig oder stumpfkegelig.
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