Quelle Nummer 442

Rubrik 28 : TECHNIK   Unterrubrik 28.01 : BUECHER

NORMUNG
HANNS ULLRICH
RECHTSSCHUTZ GEGEN UEBERTRIEBLICHE NORMEN DER TECHNIK
ABHANDLUNGEN AUS DEM GESAMTEN BUERGERLICHEN RECHT,
HANDELSRECHT UND WIRTSCHAFTSRECHT
BEIHEFTE DER ZEITSCHRIFT FUER DAS GESAMTE HANDELS-
RECHT UND WIRTSCHAFTSRECHT
HERAUSGEGEBEN VON KURT BALLERSTEDT UND ERNST STEIN-
DORF, 42. HEFT
FERDINAND ENKE VERLAG STUTTGART 1971, S. 23-


001  B. Der Rechtswidrigkeitsmaßstab bei wirtschaftlich
002  diskriminierenden Normen. Die Rechtfertigung einer allgemeinen
003  und insbesondere deliktischen Verantwortlichkeit der
004  Normungsverbände für ihre technischen Regeln nach den
005  Maßstäben verbandsinterner Rechtssätze erfordert eine eingehende
006  Auseinandersetzung mit ihrer rechtlichen und wirtschaftlichen
007  Funktion. Diese kann hier nicht für die Normungsarbeit aller
008  Verbände versucht werden. Stellvertretend für alle, weil den
009  größten Wirtschaftsbereich umspannend, soll deshalb im
010  wesentlichen nur eine Darstellung der Rechtsnatur und
011  Wirkungsweise derjenigen überbetrieblichen technischen Normen
012  erfolgen, die der deutsche Normenausschuß festlegt. Dafür ist
013  zunächst der Ausgangspunkt, der Schutz der Normungsarbeit vor
014  einer durchgängigen Rechtskontrolle und
015  Gerichtskontrolle durch das Selbstordnungsrecht des Verbandes, zu
016  beschreiben, ehe durch eine besondere Grenzbestimmung für die
017  Vereinsautonomie der Normungsverbände der an den verbandsinternen
018  Normungsgrundsätzen ausgerichtete allgemeine
019  Rechtswidrigkeitsmaßstab für wirtschaftlich diskriminierende
020  technische Regeln gewonnen werden kann. Rechts
021  freiheit und Gerichtsfreiheit technischer Normen nach den
022  Grundsätzen der Vereinsautonomie. Die Norm als
023  Vereinsbeschluß. Wie bereits mehrfach angedeutet, werden
024  technische Regeln durch Vereinsbeschlüsse festgelegt. Normen des
025  deutschen Normenausschusses durchlaufen dabei sämtlich das gleiche
026  Verfahren, das in der DIN 820 geregelt ist, einer vom DNA
027  über Ablauf und Grundsätze der Normungsarbeit erlassenen
028  Richtlinie ohne Satzungscharakter: Ein Fachnormen
029  ausschuß oder ein Arbeitsausschuß berät und beschließt,
030  gegebenenfalls nach Durchführung eines gegen den ersten Entwurf
031  gerichteten, vor diesem Ausschuß stattfindenden
032  Einspruchsverfahrens, den Inhalt der Norm. Dieser Ausschuß
033  gehört im Sinne von 30 Satz 1 GWB zu den satzungsmäßigen
034  Organen des DNA als einem eingetragenen Verein. Er stellt ein
035  mehrgliedriges Beschlußorgan dar, das sich aus ehrenamtlichen
036  Mitgliedern zusammensetzt, die nicht Mitglieder des DNA zu sein
037  brauchen (so die Satzung des DNA 2 Satz 1). Zu diesen
038  Mitgliedern gehören neben Repräsentanten der von der Norm
039  betroffenen Wirtschaftskreise häufig auch Vertreter der sachlich
040  für den von der Norm geregelten Bereich zuständigen
041  Staatsbehörden, etwa der Bauaufsichtsbehörden der Länder.
042  Ihre Mitgliedschaft im Arbeitsausschuß beruht jedoch nicht auf
043  öffentlich-rechtlicher Entsendung durch die Staatsbehörde,
044  sondern auf privatrechtlicher Berufung durch den Ausschuß oder den
045  DNA selbst. Dementsprechend nehmen sie bei ihrer Tätigkeit im
046  Ausschuß keine öffentlich-rechtlichen Befugnisse wahr. Auch
047  vertreten sie nicht alle betroffenen Staatsbehörden, sondern -
048  wenn überhaupt - nur die einzelnen, der sie gerade angehören.
049  Aus der Besetzung des Arbeitsausschusses läßt sich mithin auf
050  eine öffentlich-rechtliche Qualifikation der DIN-Norm
051  nicht schließen. Der im Arbeitsausschuß beschlossene
052  Normentwurf wird zur Prüfung auf seine Vereinbarkeit mit den
053  Normungsgrundsätzen des DNA, wie sie in der DIN 820
054  festgelegt sind, der sogenannten Normenprüfstelle vorgelegt.
055  Diese bildet ein satzungsmäßiges Kollegialorgan des DNA, das
056  zur abschließenden Beschlußfassung über die künftige Norm,
057  ihrer Freigabe zur Aufnahme in das Normenwerk und zu ihrer
058  Veröffentlichung berufen ist. Die Normenprüfstelle nimmt die
059  abschließende Beschlußfassung und Freigabe der Norm in
060  Übereinstimmung mit dem Arbeitsausschuß - bei Beanstandungen
061  also nur nach entsprechender neuer Beschlußfassung durch den
062  Arbeitsausschuß - vor. Sie handelt hierbei unmittelbar im
063  Auftrag des Präsidiums des DNA. Die Aufnahme der Norm in
064  das deutsche Normenwerk und ihre Veröffentlichung beschließt den
065  Entstehungsvorgang der DIN-Norm. Sie ist damit in Kraft
066  getreten. Diese Entstehung der DIN-Norm durch ein
067  doppeltes, allein auf Vereinsrecht gegründetes Beschlußverfahren
068  führt zu der Folgerung, daß sie allein vereinsrechtlich
069  qualifiziert und gewertet werden kann. Dabei wird der
070  Normenbeschluß dadurch gekennzeichnet, daß die Grundsätze
071  seines verfahrensmäßigen Zustandekommens und seiner inhaltlichen
072  Gestaltung nur in Richtlinien ohne Satzungscharakter festgelegt
073  sind. Die DIN 820 über die Normungsarbeit (Grundbegriffe,
074  Grundsätze, Geschäftsgang) ist vom Ausschuß Normungstechnik
075  im DNA erlassen, der nach der Satzung des DNA (5 Abs.
076  5 Nr. 4) nicht für Satzungserlaß oder Satzungs
077  änderung zuständig ist. Die DIN 820 gehört auch nicht kraft
078  Vereinsobservanz oder als sonst außerhalb der formellen Satzung
079  stehender interner Vereinsrechtssatz zur materiellen Verfassung des
080  Verbands. Sie müßte auch insoweit, insbesondere da sie
081  wiederholt geändert wurde, gemäß 71 BGB in das
082  Vereinsregister eingetragen worden sein, um als materielle
083  Vereinsverfassung Wirksamkeit zu erlangen. Tatsächlich mag
084  gerade 71 BGB die Normungsverbände davon abgehalten haben,
085  ihren Normungsrichtlinien Satzungscharakter zu verleihen.
086  Die Vereinsautonomie als Schutz vor rechtlicher und gerichtlicher
087  Kontrolle von Vereinsbeschlüssen. Ihre eigentlich bedeutsamen
088  Folgen zeitigt die Ausklammerung der DIN 820 aus der Satzung
089  bei der Lösung der Frage, inwieweit sich technische Normen als
090  Beschlüsse von Organen eines eingetragenen privatrechtlichen
091  Vereins eine Rechtmaßigkeitskontrolle durch die ordentlichen
092  Gerichte gefallen lassen müssen. Nach ständiger Rechtsprechung
093  und noch verbreiteter Lehre hat sich eine gerichtliche
094  Überprüfung von Vereinsbeschlüssen auf deren Vereinbarkeit mit
095  zwingendem Gesetzesrecht, mit dem Sittengesetz, der
096  Vereinssatzung und den Regeln der allgemeinen Billigkeit zu
097  beschränken. Dies soll selbst dort gelten, wo der
098  Vereinsbeschluß zu einem Eingriff in das Recht am eingerichteten
099  und ausgeübten Gewerbebetrieb eines Vereinsmitgliedes führt.
100  Demgemäß bildet die DIN 820 keinen durch ein Gericht
101  anwendbaren Prüfungsmaßstab, obwohl sie in einem besonderen
102  Abschnitt " Grundsätze rechtlicher Art ", wie etwa das Verbot
103  der Normung entsprechend den Schutzansprüchen gewerblicher
104  Schutzrechte, enthält und gewiß den normbeschließenden
105  Ausschuß verbandsintern an diese Grundsätze binden will. Solche
106  teilweise Gerichtsexemption von Vereinsakten gründet die
107  Rechtsprechung auf das Selbstordnungsrecht des Vereins. Dieses
108  hat zwei Wirkungsrichtungen. Es besagt nach innen, daß der
109  Verein seine Angelegenheiten selbst in der ihm gutdünkenden Weise
110  frei von staatlicher, und damit nach herrschender Lehre auch frei
111  von gerichtlicher Ingerenz regeln kann, weil seine Mitglieder der
112  Vereinsgewalt insoweit kraft ihres eigenen, freiwilligen Beitritts
113  unterworfen sind. Es bedeutet zugleich - wenn das auch meist als
114  selbstverständlich von der Lehre nicht mehr betont wird -, daß
115  der Verein im Außenverhältnis zu Dritten nur an die allgemeinen
116  Gesetze gebunden ist und, so wie er Dritte seinem Verbandsrecht
117  nicht unterwerfen kann, auch Dritten gegenüber zur Einhaltung
118  seiner verbandsinternen Rechtssätze, soweit sie im Range unter
119  der Satzung stehen, nicht verpflichtet ist. Diese Pflicht
120  besteht nur den Vereinsmitgliedern gegenüber. Dritte können sich
121  demgemäß vor Gericht auf die Ungültigkeit eines
122  Verbandsbeschlusses nur insoweit berufen, als die Prüfungsgewalt
123  des Gerichts auch sonst reicht. Mithin entsteht nicht nur für
124  Vereinsmitglieder, etwa in einem Rechtsstreit wegen unberechtigter
125  Vereinsstrafenverhängung, sondern jedenfalls in den hier zur
126  Analyse anstehenden Fällen auch für Dritte die Frage nach einer
127  weiteren Ausdehnung der gerichtlichen Prüfungsbefugnisse
128  gegenüber Vereinsakten und damit nach einer stärkeren inhaltlichen
129  Rechtsbindung der Vereinsgewalt. Diese Frage nun ist stets und
130  in jüngster Zeit in wachsendem Maße kritisch gestellt worden.
131  Teilweise erschöpft sich solche Kritik in der Forderung nach
132  schärferen Prüfungsmaßstäben gegenüber Maßnahmen
133  wirtschaftlich mächtiger Vereine oder nach Modifikationen der
134  Rechtsprechung in Einzelpunkten. In neuester Zeit aber rückt
135  sie mit unterschiedlichen Begründungen der Gerichtsfreiheit von
136  Vereinsakten und einer so verstandenen Vereinsautonomie selbst zu
137  Leibe. Sie zieht einmal Vergleiche zwischen dem
138  Vereinsausschluß und dem Ausschluß aus einer Gesellschaft
139  (insbesondere nach 737 BGB, vgl. 54 BGB) und zwischen
140  der Vereinsstrafe und der Vertragsstrafe nach 343
141  BGB bzw. der Leistungsbestimmungsbefugnis nach 315 BGB.
142  Sie schließt von der dort gegebenen vollen Nachprüfbarkeit auf
143  die völlige Gerichtsunterworfenheit auch der entsprechenden
144  Vereinsakte. Die Vereinsautonomie könne insoweit richterlichen
145  Prüfungsbefugnissen nicht entgegenstehen, da sie nur einen Teil
146  der allgemeinen Privatautonomie bilde und folglich wie diese keine
147  Gerichtsfreiheit begründe. Die Unterwerfung unter die
148  Vereinsgewalt durch Eintritt in den Verein könne nur bedeuten,
149  daß sich das Vereinsmitglied den Rechtsakten unterwirft, die der
150  Verein auch vornehmen darf. Die Grenzen dieses Dürfens aber
151  habe der Richter nach den Maßstäben gesetzten Rechts zu
152  bestimmen, wie dies auch allgemein der verfassungskräftige
153  Rechtsstaatsgrundsatz gebiete. Den verschiedenen
154  Argumentationsweisen braucht hier nicht im einzelnen nachgegangen zu
155  werden. Wie berechtigt auch immer die Kritik an der den Vereinen
156  von der Rechtsprechung kraft einer Autonomie gewährten
157  Gerichtsfreiheit sein mag, bei der großen Mehrzahl ihrer
158  Vertreter führt sie doch nur zu einer Austreibung des Teufels
159  durch den Beelzebub. Die Freiheit vor Gerichtskontrolle nämlich,
160  die sie den Vereinen nehmen, erstatten sie ihnen weitgehend durch
161  das Zugeständnis einer Ermessensfreiheit bzw. eines
162  Beurteilungsspielraums über Erlaß und Inhalt einer
163  Vereinsmaßnahme zurück, weil und soweit sich das Mitglied in den
164  Grenzen der 134, 138, 242, 826 BGB einer dergestalt
165  freien Vereinsgewalt unterworfen habe bzw. weil und soweit nur
166  der Verein selbst beurteilen könne, welches Mitgliedsverhalten
167  mit dem Vereinsinteresse vereinbar sei. Es ist offensichtlich,
168  daß eine solche Lehre, oft gewonnen in Anlehnung an die
169  öffentlich-rechtliche Verwaltungsaktlehre und
170  Ermessenslehre, das Problem gerichtlicher Nachprüfung von
171  Vereinsakten bloß von der prozessualen auf die materiell-
172  rechtliche Ebene verschiebt und Fortschritte lediglich in
173  Einzelfragen wie der einer gerichtlichen Kontrolle der einem
174  Vereinsakt zugrundeliegenden Sachverhaltsfeststellung zu bringen
175  vermag. An den Nerv der Vereinsgewalt dringt sie nicht heran.
176  Dieser kann durch Einräumung von Ermessensbefugnissen an die
177  Vereinsorgane konserviert werden. Bezogen auf die in dieser
178  Arbeit untersuchten Fälle würde das etwa bedeuten, daß der
179  Normungsverband seine Normungsrichtlinien nur weit zu fassen
180  brauchte, um sich vor einer gerichtlichen Überprüfung der von ihm
181  erlassenen Normen hinreichend zu schützen. Vor solchen
182  Ausweichmöglichkeiten des Vereins würde das Mitglied selbst die
183  Verbesserung der Rechtslage nicht sichern, die sich über die
184  Einführung eines dem öffentlich-rechtlichen
185  Gleichbehandlungsgebot entlehnten Satzes erreichen ließe, wonach
186  eine Ermessensbindung durch gleichartige Entscheidung einer Reihe
187  vergleichbarer Fälle oder durch verwaltungs-interne (vereins
188  *tkinterne) Aufstellung von Ermessensrichtlinien
189  eintritt. Dritte könnten sich zudem zur Begründung der
190  Unwirksamkeit eines Vereinsbeschlusses auf eine solche
191  Ermessensbindung nur dann berufen, wenn sich nachweisen ließe,
192  daß sie überhaupt Anspruch auf Einhaltung des an sich den Verein
193  nur gegenüber seinen Mitgliedern bindenden Gleichheitsgrundsatzes
194  haben. Ein solcher Nachweis nun wird sich kaum allgemein, sondern
195  nur bezogen auf die drittwirkende Tätigkeit eines bestimmten
196  Verbandes führen lassen, wenn anders nicht der privatrechtliche
197  Gleichbehandlungsgrundsatz ausufern soll. Genau dieselbe Analyse
198  der Tätigkeit eines Verbandes aber erscheint allgemein vonnöten,
199  um zu einer genauen Feststellung der Grenzen der Gerichtsfreiheit
200  der Vereinsgewalt zu gelangen. Die vielfach anzutreffende
201  Differenzierung der Lösungsvorschläge nach Art und Bedeutung
202  des Verbandes und die Freigabe eines Ermessensspielraums deuten
203  doch daraufhin, daß eine pauschale Kritik und Problementscheidung
204  nicht allen Fällen gerecht werden kann und daß sich hinter den
205  Grundsätzen der Rechtsprechung ein wahrer Kern verbirgt. Das
206  Gewicht der von den Gerichten zu beurteilenden Gegensätze
207  zwischen Verbandsschutz und Individualschutz differiert
208  nach den soziologischen Vereinstypen. Vereine mit
209  gesellschaftlicher Zielsetzung und Wirtschaftsverbände,
210  Vereinigungen, deren Tätigkeit nur ihre Mitglieder und solche,
211  deren Wirken auch Dritte berührt, können nicht mit demselben
212  Maßstab gemessen werden. Auch läßt sich nicht von der Hand
213  weisen, daß die vollständige Verrechtlichung und gerichtliche
214  Überprüfung jeglicher Vereinstätigkeit die Gerichte sowohl nach
215  Aufgabenstellung wie Arbeitsbelastung überfordern würde. Im
216  folgenden soll deshalb versucht werden, die Kriterien aufzuzeigen,
217  die bei einem bestimmten Verbandstyp, dem nämlich, der in
218  wirtschaftlich erheblicher Weise und mit Auswirkung für Dritte
219  aktiv wird, zu einer vollkommenen rechtlichen und gerichtlichen
220  Erfassung seiner Tätigkeit zwingen. In diesem Sinne hat sich an
221  die vereinsrechtliche Würdigung der Arbeit der Normenverbände
222  eine Untersuchung der Wirkungsweise und des Geltungsanspruchs
223  technischer Normen anzuschließen. Die öffentliche
224  Funktion der Normungsverbände als Schranke ihrer
225  Vereinsautonomie. Normempfehlungen der großen
226  Normungsverbände erfahren auf zweierlei Weise eine
227  Wirkungsverstärkung. Einmal erkennt ihnen vielfach das Gesetz
228  einen besonderen Geltungsbereich zu, den sie aus eigener Kraft
229  nicht oder nicht mit Sicherheit erreichen könnten. Zum anderen
230  entfalten sie im Wirtschaftsleben ein tatsächliches
231  Durchsetzungsvermögen, dem ein Unternehmen auf die Dauer kaum
232  ausweichen kann. Beides bei der rechtlichen Würdigung der
233  technischen Normen in Rechnung zu stellen ist gerechtfertigt, weil
234  die Normungsverbände bei ihrer Normungsarbeit selbst auf diese
235  Wirkungsformen abzielen. Die rechtliche Tragweite
236  technischer Normen. Der tatsächliche Geltungsbereich einer
237  DIN-Norm wird gesetzlich im wesentlichen auf zwei Arten
238  festgelegt. So verweist der Gesetzgeber bei seiner Rechtsetzung
239  häufig zur Tatbestandsausfüllung auf DIN-Normen. Des
240  weiteren wird der gesetzliche Sorgfaltsmaßstab, etwa in der
241  zivilrechtlichen Deliktshaftung nach 823 BGB, durch die
242  DIN-Normen in bestimmter Weise konkretisiert.
243  Gesetzliche Verweisung auf technische Normen. Gesetzliche
244  Verweisung auf technische Normen verhelfen diesen in
245  unterschiedlicher Weise zu einer Wirkungsverstärkung. Eine erste
246  und wirkungsvollste Form bildet die der unmittelbaren Verweisung
247  dergestalt, daß die technische Norm voll in den Tatbestand der
248  Gesetzesvorschrift aufgenommen wird und dessen
249  Verbindlichkeitsanspruch teilt. Man kann insoweit von einer
250  Allgemeinverbindlicherklärung der technischen Norm sprechen.
251  Bekanntestes Beispiel dieser Verweisungstechnik dürfte 35 h
252  StVZO sein, wonach in Kraftfahrzeugen ein Erste Hilfe-
253  Material mitzuführen ist, das in Art und Umfang bestimmten
254  DIN-Normen zu entsprechen hat. Ähnliche Verweisungen
255  finden sich an anderer Stelle, beispielsweise im Baurecht. So
256  bestimmt Art. 106 Abs. 4 der Bayerischen Bauordnung
257  (BayBO) i. d. F. vom 21.8.1969, daß
258  Rechtsverordnungen, welche die besonderen technischen
259  Anforderungen zu regeln haben, die gemäß Art. 106 Abs * 1
260  BayBO an manche ungewönlich sicherheitsbedürftige Bauanlagen
261  gestellt werden können, für diese technischen Anforderungen auf
262  Bekanntmachungen besonderer sachverständiger Stellen verweisen
263  dürfen. Gemeint sind damit u. a. die Normen, welche der
264  DNA festlegt. Infolge dieser unmittelbaren Verweisung findet
265  eine Aufnahme der DIN-Norm in den Tatbestand der
266  Rechtsnorm mit der Folge statt, daß die DIN-Norm selbst
267  am Rechtsatzcharakter der Verordnung teilnimmt. Jeder Bauherr
268  ist infolgedessen von Gesetzes wegen zur Einhaltung der DIN-
269  Norm verpflichtet und kann ihr ohne Gesetzesverstoß nicht
270  ausweichen. Diese Verweisungsmöglichkeit auf eine DIN-
271  Norm ist zwar insofern nicht von allgemeiner Bedeutung, als sie
272  bloß vereinzelt vorkommt und auch im gewählten Beispiel des
273  Baurechts nur bestimmte Arten von Bauwerken und Bauteilen erfaßt.
274  Ihr läßt sich aber bereits ein Hinweis darauf entnehmen, daß
275  die Normung keineswegs die Privatangelegenheit eines einfachen
276  Vereins bilden, sondern für Dritte unmittelbar erheblich werden
277  kann und, weil vom Gesetzgeber zur Entlastung seiner eigenen
278  Tätigkeit tatsächlich ungeprüft übernommen, dem
279  Allgemeininteresse mehr verpflichtet und einer weiterreichenden
280  Gerichtskontrolle unterworfen sein muß als sonstige, nur
281  privatrechtserhebliche Vereinstätigkeit. Die zweite und
282  häufigere Form gesetzlicher Inbezugnahme technischer Normen liegt
283  vor, wenn das Gesetz im Wege mittelbarer Verweisung nicht die
284  technische Norm selbst zum Tatbestandsmerkmal erhebt, sondern nur
285  die Einhaltung der " allgemein anerkannten Regeln der Technik "
286  bei der Herstellung irgendwelcher Gegenstände oder der Errichtung
287  von Bauten verlangt, als solch allgemein anerkannte Regeln der
288  Technik jedoch die von den Normenverbänden festgelegten
289  technischen Normen ansieht. Jüngstes und in seiner
290  wirtschaftlichen Bedeutung nicht zu unterschätzendes Beispiel
291  dieser Gesetzestechnik bildet das Gesetz über technische
292  Arbeitsmittel vom 24.Juni 1968 (sog. Maschinenschutzgesetz).
293  Danach sind technische Arbeitsmittel (d. h. gemäß
294  2: Maschinen, Arbeitsgeräte, aber auch Haushaltsgeräte,
295  Sportgeräte und Bastelgeräte) im Interesse
296  ihrer Gebrauchssicherheit so herzustellen, daß sie den allgemein
297  anerkannten Regeln der Technik genügen.

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