Quelle Nummer 441

Rubrik 07 : POLITIK   Unterrubrik 07.03 : TAGESPOLITIK

SOWJETISCHE ENERGIEPOLITIK
WERNER GUMPEL
ENERGIEPOLITIK IN DER SOWJETUNION
ABHANDLUNGEN DES BUNDESINSTITUTS FUER OSTWISSEN-
SCHAFTLICHE UND INTERNATIONALE STUDIEN BAND XXIV
VERLAG WISSENSCHAFT UND POLITIK, KOELN 1970, S. 26


001  Historisch bedingte Standortbildung. Die
002  industrielle Entwicklung des vorrevolutionären Rußlands war auf
003  einige wenige Kernpunkte des europäischen Landesteils beschränkt.
004  Zwar war die Zarenregierung bemüht, die östlichen Landesteile,
005  insbesondere Sibirien, zu besiedeln, um damit eine Entlastung
006  der in bezug auf die vorhandenen Beschäftigungsmöglichkeiten
007  überbevölkerten westlichen Regionen zu erreichen, die Umsiedler
008  wurden jedoch auch in ihrem neuen Siedlungsgebiet wieder agrarisch
009  und nicht industriell tätig. Die Rückwanderungsquote war hoch.
010  In der Stahlproduktion und Eisenproduktion, die oftmals
011  zum Maßstab der industriellen Entwicklung eines Landes genommen
012  wird, stand Rußland an einem der ersten Plätze der Welt:
013  Bereits um 1800 lag seine Roheisenproduktion vor der Englands,
014  und 100 Jahre später besetzte Rußland auf diesem Sektor den
015  vierten Platz der Weltproduktion, wenngleich es in der
016  (entscheidenden) Pro-Kopf-Erzeugung weit hinter den damals
017  führenden Industrieländern zurückgeblieben war. Besonders die
018  Amtszeit des Finanzministers Witte war durch einen bedeutenden
019  industriellen Aufschwung gekennzeichnet. Diese
020  Industrialisierungserfolge können jedoch nicht darüber
021  hinwegtäuschen, daß sie unter den Bedingungen einer äußerst
022  ungleichmäßigen Dislokation der Produktivkräfte zustande kamen,
023  die zur Bildung von industriellen Kernen und Randkernen in
024  rohstoffmäßig und verkehrsmäßig begünstigten Gebieten
025  führte, während die große Fläche des übrigen Raumes in
026  agrarischer Rückständigkeit verharrte. So bildeten sich die
027  ersten Industriegebiete im sogen. Zentrum (Moskauer Gebiet)
028  und, auf Grund seiner günstigen Lage in bezug auf die Verbindung
029  zu den Märkten der Welt, in Petersburg. Die Schaffung eines
030  relativ leistungsfähigen Verkehrssystems (vor allem der Bau von
031  Eisenbahnen) sicherte die Versorgung der wachsenden Industrien
032  mit Agrarprodukten und erschloß ihnen neue Absatzgebiete. Das
033  geschah vor allem durch die Verbindung mit den landwirtschaftlich
034  wichtigen Regionen und mit den Häfen des Landes. Die
035  Hauptperioden des Eisenbahnbaus in Rußland entfallen auf die
036  Hauptzeiträume der Industrialisierung. Im weiteren Verlauf
037  wuchsen diese ersten Ballungszentren weiter, gleichzeitig
038  entstanden aber, nachdem durch den Eisenbahnbau die notwendigen
039  verkehrsmäßigen Voraussetzungen geschaffen worden waren, neue
040  Kerne auf der Grundlage der extraktiven Industrien des Donez-
041  Beckens und des Dnjepr-Gebiets sowie auf der Grundlage der
042  Erdölvorkommen von Baku. Letzteres übernahm die Versorgung der
043  damaligen Industrien mit Erdölprodukten. Die Neuerschließungen
044  im extraktiven Bereich führten jedoch nicht zu einer
045  gleichmäßigeren Verteilung der Industriestandorte über das Land.
046  Die neuerschlossenen Gebiete waren vielmehr Rohstofflieferanten
047  der bereits bestehenden Ballungszentren. Diese jedoch befanden
048  sich ausschließlich im europäischen Landesteil. Dementsprechend
049  war auch die Verkehrserschließung auf diese Region beschränkt.
050  Der Bau der Transsibirischen Eisenbahn sowie der Bahnen in die
051  Randgebiete des Imperiums (kaukasische und mittelasiatische Bahn)
052  hatten, obgleich sie auch wirtschaftliche Auswirkungen zeitigten,
053  militärisch-administrativen Charakter. So wurden im
054  vorrevolutionären Rußland dreiviertel der industriellen
055  Bruttoproduktion allein in den Bezirken Moskau, Petersburg,
056  Ivanovo und in der Ukraine erzeugt. Neben Petersburg erfuhr im
057  Norden des Landes das Baltikum eine industrielle Entwicklung.
058  Alle übrigen Regionen des Landes blieben wirtschaftlich
059  unentwickelt oder bildeten nur kleine Industriezentren von geringer
060  Bedeutung aus. Die Montanindustrie konzentrierte sich ebenfalls
061  auf den europäischen Landesteil, nämlich auf die Ukraine, den
062  Ural und Baku. Die Kohlenförderung war mit 87 v. H. auf
063  den Donbass, die Erdölgewinnung mit 97 v. H. auf die
064  Bezirke des Kaukasus (Baku, Groznyj, Majkop) konzentriert,
065  wobei allein Baku 83 v. H. des geförderten Rohöls
066  lieferte. Die Kohlenvorräte des Kuzbass wurden, obwohl zu jener
067  Zeit bereits bekannt, nur sehr gering genutzt. Die starke
068  Ballung in den genannten europäischen Gebieten führte dazu, daß
069  industrielle Randkerne wie der Ural auf Grund der durch
070  Standortvorteile (geringe Transportkostenbelastung) gestärkten
071  Hauptkerne und deren Konkurrenz in der Entwicklung zurückblieben.
072  Dabei war gerade im 18.und 19.Jahrhundert die
073  Metallurgie des Urals, die auf dem Holzreichtum dieser Region
074  errichtet war, die metallurgische Hauptbasis Rußlands. Die
075  industrielle Entwicklung brachte also nicht nur keine Expansion in
076  Richtung Rohstofflagerstätten des Ostens, sondern führte zu
077  einer immer größeren Ballung in den europäischen Landesteilen
078  bei einer Ausdehnung der Kerne und bei Ausbildung von
079  Kernrandzonen und abnehmendem Wachstum in den " peripheren "
080  Wirtschaftsgebieten. Diese Standortbildung war bei der
081  Machtübernahme durch die Sowjets ein Datum. An eine Änderung
082  war nur langfristig zu denken, doch wurde sie frühzeitig ins Auge
083  gefaßt. Auf Grund des herrschenden Kapitalmangels war die
084  Sowjetregierung gezwungen, die Produktionsstandorte im
085  europäischen Landesteil weiter zu bevorzugen, da diese bei dem
086  völligen Niedergang der Wirtschaft durch den Krieg und die
087  Nachkriegsereignisse den einzigen Ansatzpunkt boten, die
088  Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. So galten in der Periode
089  des ersten Fünfjahresplans die Hauptinvestitionen der
090  Wiederinstandsetzung und Überholung der alten Industriezentren
091  des Landes mit ihrem Stamm an qualifizierten Facharbeitern.
092  Damit wurde nicht nur die ungleichgewichtige Erschließung des
093  Landes zementiert, es wurden zugleich auch die Wurzeln für die
094  Energieproblematik gelegt, vor der die Sowjetunion heute steht.
095  Auswirkungen der Politik der forcierten Industrialisierung
096  Die Rückständigkeit Sowjetrußlands auf wirtschaftlichem
097  Gebiet und die Vielzahl der Kriegsschäden, aber nicht zuletzt
098  auch der Wunsch nach einer leistungsfähigen Rüstungsindustrie
099  veranlaßten die sowjetische Führung zu einer Politik der
100  forcierten Industrialisierung. Vor allem nach der Verkündung des
101  ersten Fünfjahresplans, zuvor aber schon durch den Plan
102  GOELRO sollten Schritte eingeleitet werden, die die
103  wirtschaftliche Rückständigkeit des Landes beseitigten.
104  " Industrialisierung in größtmöglichem Tempo " lautete die
105  wirtschaftspolitische Zielsetzung, was in der Praxis eine
106  Bevorzugung der Grundstoffindustrie und
107  Investitionsgüterindustrie vor den Konsumgüterindustrien
108  bedeutete. In der sowjetischen Politischen Ökonomie werden die
109  beiden ersteren als " produktionsabteilung A ", die letzteren als
110  " Produktionsabteilung B " bezeichnet, wobei die
111  Produktionsabteilung A auch als Schwerindustrie bezeichnet wird.
112  Die zum wirtschaftspolitischen Programm erhobene Bevorzugung der
113  Schwerindustrie bedeutete ein überproportionales Anwachsen der
114  energieintensiven Wirtschaftszweige, zu denen bekanntlich auch die
115  Rüstungsindustrie gehört. Diese Politik wurde bis in die Mitte
116  der sechziger Jahre beibehalten. Den energieextensiven Industrien
117  und vor allem der Landwirtschaft wurde in den
118  Investitionsprogrammen eine wesentlich geringere Aufmerksamkeit
119  geschenkt. Die Erfolge dieser Politik waren durch hohe
120  industrielle Wachstumsraten bei einem allerdings in allen Bereichen
121  spürbaren Mangel an Konsumgütern, auch an Energie für den
122  individuellen Gebrauch, gekennzeichnet. In
123  energiewirtschaftlicher Hinsicht hatte diese Politik zwei
124  folgenreiche Auswirkungen: Eine Umformung der industriellen
125  Struktur. Sie verstärkte die Ungleichgewichtigkeit im Bereich
126  der Energiewirtschaft, die durch die einseitige Bevorzugung des
127  europäischen Landesteils bei der Vergabe von Investitionsmitteln
128  entstanden war. Die bisher zur Befriedigung des Bedarfs
129  herangezogenen Energiequellen reichten nicht mehr aus, wodurch ein
130  Zwang zur Erschließung neuer Primärenergielagerstätten entstand.
131  Da hierfür ein großer Kapitaleinsatz erforderlich ist, wurden
132  und werden damit die Grenzen des industriellen Expansionsprozesses
133  von dem Ausmaß abhängig, in dem eine weitere Erschließung
134  energetischer Vorkommen möglich ist. Sowohl industrielle
135  Expansion als auch die bevorzugte Entwicklung der Schwerindustrie
136  als auch das Erfordernis der Erschließung neuer
137  Primärenergielagerstätten zwingen zu einer Umorientierung der
138  bisherigen Standortpolitik. In der sowjetischen Literatur wird
139  heute erkannt, daß diesen Gesichtspunkten bei der Vergabe von
140  Investitionsmitteln Rechnung getragen werden muß, wenn nicht die
141  gesamte wirtschaftliche Entwicklung in Frage gestellt werden soll.
142  Tatsächlich wird Kapital seit Jahrzehnten in zunehmendem Maße
143  auch in die Ostgebiete geleitet. Als wesentlicher Impuls zu
144  dieser Änderung der Standortpolitik und der damit verbundenen
145  Raumerschließung kann die Gründung des Ural-Kusnezk-
146  Kombinats betrachtet werden. In diesem (nun schon der
147  Geschichte angehörenden) Fall wurde ein Industriekomplex
148  geschaffen, der auf das Eisenerz des Urals und die Kohle des
149  Kusnezk-Beckens gegründet war. Die Rohstoffe wurden den
150  beiden Zentren im Pendelverkehr zugeleitet, wobei eine Entfernung
151  von ca. 2000 km zu überwinden war. Vom Kuzbass aus sollte,
152  laut Plan GOELRO, die weitere Erschließung Sowjetasiens
153  erfolgen. Wenn aus Gründen eines gedeihlichen Zusammenlebens der
154  vielen Völkerschaften der UdSSR ein interregionaler
155  Wohlfahrtsausgleich von Westen nach Osten auch ein sehr
156  wesentliches Element der sowjetischen Wirtschaftspolitik ist, so
157  bleibt doch die Erschließung der Rohstofflagerstätten einer der
158  wichtigsten Aspekte der ökonomischen Aktivität in Sowjetasien.
159  Das Programm der KPdSU von 1961 sieht zwar vor, daß
160  energieintensive Produktionen bei den Energiequellen angesiedelt
161  werden sollen, spricht aber gleichzeitig von einer " bedeutenden
162  weiteren Entwicklung " der Industrieproduktion im europäischen
163  Landesteil, was zu einer weiteren Erschwerung der
164  Energieversorgung der dortigen Wirtschaft führen wird. Die
165  Perspektivpläne, die bis zum Jahr 1980 reichen, zeigen zwar
166  gewissen Schwerpunktverlagerungen in der wirtschaftlichen
167  Entwicklung (u. a. wird der Konsumgüterproduktion ein
168  größerer Platz als bisher eingeräumt), bei sich abflachenden
169  Wachstumsraten ist aber auch für die Zukunft ein jährlicher
170  Zuwachs der industriellen Produktion von 8-10 v. H.
171  vorgesehen. Wenn die Periode der forcierten Industrialisierung
172  jetzt auch als abgeschlossen betrachtet werden kann, so ist doch ein
173  weiteres starkes wirtschaftliches Wachstum abzusehen. Im übrigen
174  ist die Sowjetunion erst in den sechziger Jahren in die Phase der
175  intensiven Erschließung ihres asiatischen Landesteils getreten,
176  was zwar einen ungeahnten Zuwachs in der Energie-Erzeugung,
177  aber auch im Energieverbrauch erwarten läßt. Probleme,
178  die sich aus dem ökonomischen Reifeprozeß der Sowjetwirtschaft
179  ergeben. Mit dem Abschluß der Politik der forcierten
180  Industrialisierung, die durch einen 50 Jahre anhaltenden
181  Zwangssparprozeß gekennzeichnet war, hat die Sowjetwirtschaft
182  einen Reifestand erreicht, der es erlaubt, sie zu den
183  entwickeltsten Volkswirtschaften der Welt zu zählen. Dem
184  widerspricht nicht, daß (mit Ausnahme der dort gebildeten
185  Industriekerne) der asiatische Landesteil noch immer
186  Entwicklungsgebiet ist. Mit zunehmendem Industrialisierungsstand
187  hat die sowjetische Volkswirtschaft einen Strukturwandel in
188  zweifacher Hinsicht erfahren: Die Politik der forcierten
189  Industrialisierung formte den einstigen Agrarstaat zum
190  Industriestaat moderner Prägung, jedoch bei übermäßiger
191  Betonung der energieintensiven Schwerindustrie und relativ
192  schwacher Entwicklung der Konsumgüterindustrie. Dies ist eine
193  Strukturgestaltung, die als typisch für alle Planwirtschaften
194  sowjetischen Typs gelten kann. Die zweite Komponente des
195  Strukturwandels ist systemunabhängig. Sie ergibt sich aus der
196  Entstehung neuer Wirtschaftszweige und deren schnell wachsender
197  Bedeutung für die Volkswirtschaft. Es handelt sich hier vor
198  allem um die chemische und elektrotechnische Industrie. Die
199  Erfindung der Chemiefaser und der Kunststoffe und die Einführung
200  neuer technologischer Prozesse in der Stahlindustrie und anderen
201  Wirtschaftszweigen sowie die fortschreitende Substitution von
202  Arbeit durch Kapital sind mit einem ständig zunehmenden Einsatz
203  von Energieträgern verbunden. Der technische Fortschritt
204  ermöglicht es zwar, einen immer größeren Wirkungsgrad der
205  eingesetzten Energie zu erzielen, auch sinkt durch zahlreiche
206  Innovationen der spezifische Elektrizitätsverbrauch, der
207  größere Wirkungsgrad wird jedoch durch den zunehmenden Einsatz
208  von Maschinen bzw. die Einführung neuer Produktionsprozesse
209  und den damit verbundenen Energieverbrauch weit mehr als
210  ausgeglichen. Als Beispiel möge die chemische Industrie dienen.
211  Hier sind besonders die elektrothermischen Produktionen (die
212  Erzeugung von Karbidkalzium und Elektrophosphor), die
213  Elektrolysen (kaustisches Soda), die Herstellung von
214  Chemiefasern, synthetischem Kautschuk und Stickstoff-
215  Düngemitteln von einem großen Energieaufwand begleitet. Nach
216  sowjetischen Angaben beläuft sich der prozentuale Anteil der
217  Brennstoffkosten und Energiekosten an den
218  Gesamtselbstkosten von Chemiefasern in der UdSSR auf 40-45
219  v. H.. Für die Erzeugung einer Tonne Chemiefasern
220  werden 16 Tonnen SKE verausgabt, bei Berücksichtigung der
221  gekoppelten Produktionen sogar 19 Tonnen. Als bemerkenswert ist
222  hier zu erwähnen, daß eine Verlagerung der chemischen Werke an
223  die Rohstoffquellen bisher in nur sehr geringem Maße stattgefunden
224  hat. Jensteits des Urals wurden 1966 nur 12 v. H. der
225  Gesamtproduktion an kaustischem Soda, 17,8 v. H. der
226  Chemiefasern und 17,7 v. H. der Autoreifen erstellt.
227  Da als Standorte für neue chemische Werke verschiedene Gebiete
228  des europäischen Landesteils ausgewählt wurden, wird sich an
229  dieser Situation nicht so bald etwas ändern. Die
230  energieintensiven Wirtschaftszweige, allen voran die chemische
231  Industrie, erfahren in der Sowjetunion die stärkste Expansion.
232  Die chemische Industrie verzeichnete in den Jahren 1961-1967
233  ein jährliches Wachstum der Bruttoproduktion von ca. 14,5
234  v. H., der Maschinenbau und die Metallverarbeitung von 12,
235  5 v. H. und die elektroenergetische und
236  wärmeenergetische Industrie von 9,0 v. H. bei einer
237  Wachstumsrate der Gesamtindustrie von 8,6 v. H.. Der
238  Bedarf an Edelenergie steigt (wie auch in den westeuropäischen
239  Ländern) weitaus stärker als der an Rohenergie. Das ist einmal
240  eine direkte Folge der auf Elektrizität angewiesenen modernen
241  Produktionsprozesse, zum anderen ist es aber auch darauf
242  zurückzuführen, daß die Elektrizität auf Grund des immer
243  dichter werdenden Leitungsnetzes, der durch Verbundsysteme
244  gewährleisteten Sicherheit der Versorgung und der geringen
245  Übertragungskosten in zunehmendem Maße ubiquitär wird. Die
246  dadurch ermöglichte räumliche Verfügbarkeit auch in Gebieten,
247  die über keine natürlichen Energievorkommen verfügen, eröffnet
248  zwar neue Perspektiven für deren wirtschaftliche Erschließung,
249  steigert aber auch den Gesamtbedarf des Landes. Die zu erwartende
250  weitere Steigerung des Energieverbrauchs in der sowjetischen
251  Industrie findet in der langfristigen Planung ihren Ausdruck.
252  Für das Jahr 1980 wird der Stromverbrauch der Industrie auf etwa
253  1085 Mrd. kWh geschätzt (1965: 244 Mrd. kWh). Die
254  Elektrizitätserzeugung soll bis zu diesem Jahr auf 2700 bis 3000
255  Mrd. kWh ansteigen, wovon allein 1800 Mrd. kWh in der
256  RSFSR erzeugt werden, die auch bei der Erweiterung der
257  installierten Leistung gegenüber den anderen Unionsrepubliken
258  bevorzugt wird. Auch dies ist eine Folge der historisch bedingten
259  Standortbildung. Verwertung von Energieträgern als
260  industrielle Rohstoffe. Die Entwicklung der Volkswirtschaft in
261  den industrialisierten Ländern hat in den vergangenen Jahrzehnten
262  zu einem wachsenden Einsatz von primären Energieträgern als
263  Rohstoff geführt. Das betrifft vor allem Kohle, Erdöl und
264  Erdgas. Die Erfindung neuer Produkte besonders in der chemischen
265  Industrie hat sogar eine Substitution von völlig andersgearteten
266  Rohstoffen wie Eisenerz (in seiner verarbeiteten Form) durch
267  Energieträger (Erdöl) in ihrer verarbeiteten Form
268  (Kunststoffe) gebracht. Diese Entwicklung wird in den kommenden
269  Jahren weiter anhalten. Aus Naturgas und Beigas werden
270  in der Sowjetunion zur Zeit 200 Sorten von chemischen Produkten
271  hergestellt. Die verschiedenen Erdölprodukte sind wieder
272  Ausgangsstoffe für ganze weitere Industriezweige. So stellt das
273  aus den niedrigsiedenden Fraktionen der Rohöldestillation
274  gewonnene Rohbenzin oder Leichtbenzin einen wichtigen
275  Rohstoff für die Petrochemie dar. Unter hohem Druck und bei
276  hohen Temperaturen gekrackt, sind seine Spaltprodukte
277  Ausgangsstoff für viele petrochemische Synthesen. Aus Rohöl
278  werden etwa 15000 bis 20000 verschiedene Sorten von Schmierölen
279  und Schmierfetten erzeugt.

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