Quelle Nummer 435
Rubrik 11 : LITERATUR Unterrubrik 11.02 : POETIK
KRITISCHE POETOLOGIE
ERWIN LEIBFRIED
IDENTITAET UND VARIATION
PROLEGOMENA ZUR KRITISCHEN POETOLOGIE
METZLERISCHE VERLAGSBUCHHANDLUNG STUTTGART 1970,S.14-
001 EINLEITENDE ÜBERLEGUNGEN. Der
002 Grundgedanke dieses Textes ist ganz einfach folgender: es wäre
003 völlig uneinsichtig, Worte wie ironisch, satirisch, märchenhaft,
004 sentimental, romantisch usw. zu gebrauchen, wenn damit nicht
005 irgendetwas Bestimmtes bezeichnet werden sollte. Und zwar muß
006 doch etwas damit gemeint sein, was nicht nur für ein Phänomen
007 gilt, sondern für wenigstens zwei; es liegen also in gewisser
008 Weise allgemeine Begriffe vor. Ebenso deutlich ist, daß diese
009 Worte (genauer: das, was sie bezeichnen) in bestimmter Weise
010 " definiert " sein müssen: denn es ist unmöglich, etwas
011 Satirisches mit etwas Sentimentalem zu verwechseln. Im einzelnen
012 Fall mag dies geschehen, weil Irrtümer nie ausgeschlossen werden
013 können, aber prinzipiell muß eine ganze Trennung möglich sein,
014 weil sonst nicht klar ist, warum überhaupt bestimmte Wörter
015 angewandt werden und warum die einzelnen Wörter nicht austauschbar
016 sind: doch nur deshalb, weil hinter jedem Wort ein bestimmter
017 Inhalt steht, der mit einem anderen nicht identisch ist. Daß die
018 Verhältnisse sehr schwierig sind, weil all diese Phänomene
019 höherstufig sind, also die verschiedensten
020 Fundierungsverhältnisse vorliegen, ist deutlich: so kann ohne
021 weiteres das Satirische mit dem Märchenhaften kombiniert sein, so
022 daß eine genaue Trennung schwerfällt. Es ist auch zu vermuten,
023 daß bestimmte Phänomene andere voraussetzen, daß also einseitige
024 Fundierungen vorliegen; so scheint - was genau zu begründen und
025 aufzuweisen wäre - das Ironische eine " realistische " Haltung
026 vorauszusetzen, die sich entsprechend textlich manifestiert,
027 insofern als irgendetwas positiv Gesetztes und als wahr Vermeintes
028 vorhanden sein muß (ob es explizit formuliert wird oder nicht),
029 was durch die Ironie gerade in Frage gestellt wird. Andererseits
030 liegen bestimmt auch wechselseitige Abhängigkeiten (Vermittlungen)
031 vor, so daß also das eine Moment notwendig ein anderes fordert
032 (vielleicht ist das Fabulose nur in Verbindung mit dem Lehrhaften
033 möglich, aber das Lehrhafte kann sehr wohl ohne das Fabulose
034 auskommen). Aus diesen wenigen Umrissen ergibt sich doch dies:
035 allgemeine Begriffe sind in der Wissenschaft vom Text vorhanden
036 und auch notwendig. Nur wie sie bestimmt werden, welchen Umfang
037 diese Begriffe haben, überhaupt welche Dignität ihnen zukommt,
038 bleibt fraglich. Genau das wird versucht zu beantworten; die
039 Dichtung liegt vor als aufgefaßter (erlebter) Text, die
040 Wissenschaft erfaßt diese Auffassung. Diese Darstellung will
041 aufweisen, wie eine solche Erfassung von Auffassungen geleistet
042 werden kann. Was als Bedingung der Möglichkeit der Untersuchung
043 anzusetzen ist, sind diese Thesen: Es gibt nicht nur
044 historisch je anderes (Variiertes), sondern es gibt in allem
045 Fluß Invarianten. Diese Invarianten sind durch eine ganz
046 bestimmte Methode zu bestimmen: die der eidetischen Reduktion.
047 Die eidetische Reduktion hebt das bei mehreren Varianten
048 Invariante ans Licht; denn nur dadurch, daß Invariantes
049 vorhanden ist, werden die Varianten zu Varianten (nämlich eines
050 Identischen) und nur dadurch, daß Invariantes vorhanden ist,
051 sind Aussagen über Text möglich. Hierzu ein erläuterndes
052 Beispiel: " Man fragte einst Scheler, den Verfasser einer
053 Abhandlung über Ethik, warum er das nicht ausführe, was er in
054 seinem Buch fordere. Seine Antwort war: " Haben Sie schon
055 einmal einen Wegweiser gesehen, der den Weg auch geht, den er
056 weist? " Diesem Satz Schelers liegt ein uraltes Motiv zugrunde,
057 das die Römer in die Form brachten: Quod licet iovi, non
058 licet bovi und das auch in der These, der Kaiser stehe supra leges
059 (bei den Byzantinern), zum Ausdruck kommt. Was sich für diese
060 ethische Haltung eidetisch (als wesentlich) ergibt, was also für
061 alle einzelnen Fälle gilt, ist dies, daß der Übergeordnete
062 (und der Autor ist als Schöpfer zunächst dem Leser übergeordnet)
063 gerade das nicht tun müsse, was er seinen Untergebenen befiehlt.
064 Sprachlich, poetologisch liegt eine Anekdote vor: wenn man den
065 Bezug zu dem Eigennamen herstellt; von einem Witz müßte man
066 sprechen, wenn man abstraktiv nur auf die sprachliche
067 Strukturierung blickte und den Eigennamen ausklammerte. Wollte
068 man das ganze Konkretum beschreiben, dann müßte man von einer "
069 witzigen Anekdote " sprechen. Dieses Textstück zeichnet sich
070 also durch zwei poetologisch relevante Konstituentien aus:
071 durch das Anekdotische und durch das Witzige (man könnte auch
072 noch andere konstitutive Momente abstraktiv aufweisen: ich
073 beschränke mich in der weiteren Analyse auf diese zwei. Man
074 könnte etwa sagen, daß hier elitäres Denken sich manifestiere,
075 das Ausdruck einer ganz bestimmten politisch-ökonomischen
076 Struktur sei, deren Hauptmoment die Hierarchisierung in Führer
077 (Ge-führte/Ver-) führte sei: man würde
078 so die gesellschaftliche Vermittlung des Textes, der aus einem
079 ganz bestimmten sozialen background heraus formuliert wurde,
080 dekouvrieren.) Abstraktiv sind diese Momente (anekdotisch,
081 witzig, elitär), weil sie am Konkreten selbst nicht anzutreffen
082 sind in der Weise wie die anderen Teile dieses Ganzen: "
083 Scheler ", " Ethik " gehört nicht so zu diesem Text wie die
084 Aussage " anekdotisch ". Man könnte zunächst grob sagen, das
085 eine (Scheler (...)) werde direkt, schlicht erlebt - wenn
086 überhaupt man diesen Text versteht - das andere dagegen könne
087 nur durch eine besondere Aktivität des Bewußtseins gewonnen
088 werden: z.B. durch den Vergleich mit anderen Anekdoten,
089 besser: mit anderen Textstücken, welche mit diesem, aktuell
090 vorliegenden, irgendwie übereinstimmen. Dieses " irgendwie
091 Übereinstimmende " kann ich zu explizieren versuchen: es
092 entsteht nicht ausschließlich durch den Eigennamen, aber ohne
093 diesen Namen läge keine Anekdote vor: man fragte einst einen
094 Mann, der eine Abhandlung über Ethik geschrieben hatte (...)
095 Poetologisch entstände so allenfalls ein " Exempel " oder auch
096 ein Witz, ein Epigramm: aber keine Anekdote. Damit das
097 Anekdotische konkret erscheinen kann, ist der Bezug auf eine
098 historisch - individuelle, faktische Person nötig; jedenfalls
099 die Relation zu etwas, was auch außerhalb dieses Textes noch eine
100 bestimmte Bedeutung hat. Man kann nun nicht formulieren:
101 Anekdotisches liegt vor, wenn (...) und dann normative Regeln
102 aufstellen. Ginge man so vor, dann hätte man schon immer einen
103 Vorbegriff von " anekdotisch ", dessen Konstitution nicht mehr
104 reflektiert würde: das, was anekdotisch wäre, würde schlicht
105 postuliert, wobei die empirische Vermittlung dieser Normierung
106 undurchschaut bliebe: denn das, was ich ins Postulat einbrächte,
107 müßte irgendwo gefunden worden sein (an bestimmten " Anekdoten
108 ": warum diese Texte aber Anekdoten wären, könnte nicht
109 gesagt werden, da an ihnen ja das Kriterium fürs Anekdotische
110 erst gewonnen werden soll. Man kann aber sagen: wenn von
111 Anekdotischem sinnvoll soll gesprochen werden können, dann
112 muß dieses Moment vorhanden sein; wenn es nicht vorhanden ist,
113 liegt eben ein anderes Phänomen vor. Damit hat man einen puren
114 wenn-dann-Satz, der sich selbst begründet: man hat die
115 Konstitutionsbedingungen (im wenn) des Konstituierten
116 (im dann) entschleiert. Man hat transparent gemacht, daß
117 das Phänomen (anekdotisch) nicht objektivistisch zu ergreifen ist,
118 sondern nur als Korrelat einer bestimmten Einstellung entsteht:
119 als " Objekt " liegt sozusagen nur der schwarz-weiß-
120 verteilte Text vor, der, aktualisiert, einen Sinn, eine
121 Bedeutung hat (Scheler machte dies und das). Das Prädikat "
122 anekdotisch ", das ich ihm als Ganzem zulege (dieser Text ist
123 eine Anekdote, er hat das Moment des Anekdotischen) kommt nicht
124 nur aus ihm selbst, sondern konstituiert sich durch aktive
125 Leistungen eines erfassenden Bewußtseins, welche Leistungen
126 wesentlich darin bestehen, das Aktuelle auf dem Hintergrund von
127 Ähnlichem aufzufassen, d.h. aus der Erinnerung (wie
128 Hegel sagt) Gleiches herbeizuschaffen, " so daß die
129 Intelligenz in der bestimmten Empfindung und deren Anschauung sich
130 innerlich ist und sie als das bereits Ihrige erkennt ".
131 Welche Momente zum Anekdotischen zählen, ergibt sich durch eine
132 Reflexion auf Texte, besonders auf die Texte, welche zunächst,
133 im schlichten Erleben als " Anekdoten " bezeichnet werden. Ich
134 lese also einen Text, lese einen zweiten Text und stelle fest,
135 daß sie " ähnlich " sind: diese Anmutung, Evidenz der
136 Ähnlichkeit/Gleichheit ist nicht weiter zurückführbar; sie
137 ist selbst ein Phänomen der ersten, pur auffassenden Stufe von
138 Bewußtsein. Sie ist das Vorprädikative, das dann in
139 Prädikation, in kategoriale Anschauung umzuformulieren ist: die
140 Texte sind ähnlich, weil sie aus Teilen und Momenten bestehen,
141 die zur Deckung gebracht, ich als gleiche oder ähnliche erkenne.
142 Wer diese Fähigkeit dem Bewußtsein abspricht, negiert jegliche
143 höhere Konstitutionsmöglichkeit: Denken ordnet Sein unter der
144 Kategorie der Ähnlichkeit, welche Ähnlichkeit differential sich
145 entfaltet, also von einem Limes der (völligen) Unähnlichkeit
146 /Differenz kontinuierlich zum Limes der (völligen)
147 Ähnlichkeit/Kongruenz/Gleichheit geht. Holzarten sind
148 untereinander ähnlicher/haben einen höheren Ähnlichkeitsgrad
149 als jede einzelne Holzsorte gegenüber z.B. Steinen.
150 Gattungen entstehen dort, wo unterschiedliche Ähnlichkeitsreihen
151 vorliegen; verschiedene Stufen von Untergattungen entstehen,
152 wenn innerhalb einzelner Ähnlichkeitsreihen Sprünge/Schnitte
153 auftreten. Das ist sehr allgemein, aber es muß durchreflektiert
154 werden, wenn Beschäftigung mit Text sich als Wissenschaft
155 etablieren will. Mit dieser Angabe eines Bestimmungsweges wird
156 nicht einer schrankenlosen Relativität die Tür geöffnet: nicht
157 alles, was unter dem Titel Anekdote auftritt, ist auch schon
158 Anekdote. Vielmehr ist - gleichsam a priori, besser: wenn ich
159 mich für eine Ähnlichkeitsreihe entschieden habe - genau zu
160 bestimmen, was anekdotisch ist und was nicht. Die einzelnen
161 faktischen Texte können nur als Leitfäden, als anschauliche
162 Unterlagen für diese Bestimmung dienen. Bestimmte Momente
163 gehören notwendig zu dem, was als Anekdote sinnvoll bezeichnet
164 werden kann, wenn ich nur einen Text mit diesem Wort/
165 Sinn erlernt habe: ohne auf genauere Analysen einzugehen, kann
166 man sagen, daß der Bezug auf eine bekannte historische
167 Persönlichkeit vorhanden sein muß. Die Tatsache, daß es auch
168 Anekdoten von " einem preußischen Grenadier " oder von " einem
169 Berliner Branntweinsäufer " (bei Kleist) gibt, ist kein
170 Gegenargument gegen die Bestimmung. Denn diese Figuren waren
171 bekannte historische Personen, wenn auch nicht notwendig
172 individuelle, sondern kollektive. Der Bezug auf eine historische
173 Persönlichkeit ist ein dominantes Moment. Andere Momente, etwa
174 das Witzige, können auftreten, müssen aber nicht: genauso gut
175 kann dafür auch " das Heroische " (oder anderes) stehen (in
176 einer Anekdote, in der der heldenhafte Mut der Person Gegenstand
177 ist). Solche Momente sind subdominant und nur in bestimmten
178 historischen Fällen mit der Dominante korreliert; sie fungieren
179 fakulatitiv: bei Anekdoten über (...) wird etwa das Witzige in den
180 weitaus überwiegenden Fällen erscheinen, so daß der Eindruck
181 entstehen kann, wenn man nur diese Anekdotengruppe betrachtet,
182 daß das Witzige und das Anekdotische sich wechselseitig fordern.
183 Ein solches Urteil würde dann durch die Beachtung anderer
184 Anekdoten richtiggestellt. Die Wichtigkeit des dominanten
185 Moments für ein poetologisch relevantes Phänomen läßt sich
186 ebenso beim Witzigen aufweisen: hier besteht dieses Moment in der
187 spezifischen Strukturierung der Bedeutungseinheiten, d.h.
188 in ihrer Aufeinanderfolge: Der fragliche Satz, in dem das
189 Witzige konkret erlebt wird, läßt sich in bestimmte "
190 Bedeutungsquanten " auflösen; solche sind etwa " Wegweiser
191 ", " sehen ", " Weg ", weisen " usw.. Wegweiser meint
192 etwas ganz Bestimmtes: jeder einzelne Wegweiser mag noch so sehr
193 von jedem anderen verschieden sein, das, daß all diese einzelnen
194 konkreten Gegenstände Wegweiser sind, kann nicht übersehen
195 werden: und diese " Wegweiserhaftigkeit " (um einen alten
196 Scholastischen Wortbildungstopos zu gebrauchen) ist das
197 Bedeutungsquant, von dem ich wissen muß - auch wenn ich dieses
198 Wissen verbal nur umständlich formulieren könnte - wenn
199 überhaupt ich diesen Satz begreifen (seinen Sinn konstituieren)
200 will. Die These ist nun, daß die einzelnen Bedeutungsquanten in
201 bestimmter Weise aufeinander folgen müssen, damit poetologisch
202 Witziges entstehen, damit - psychologisch - " Lachen ",
203 " Freude " allererst als begleitende Gestimmtheit sich ausbreiten
204 kann. Leicht ist zunächst diese These auf negative Weise zu
205 demonstrieren; wenn man die Wortfolge verändert, verliert sich
206 die witzige Wirkung: Scheler antwortete, daß es keinen
207 Wegweiser gebe, der den Weg auch gehe, den er weise ". Durch
208 diese Formulierung mag auch eine witzigartige Wirkung noch
209 entstehen, etwa die des " dry mock ": sie zieht jedoch ihre
210 ganze Kraft aus dem Bild selbst: aus dem Einfall, einen Autor
211 mit einem Wegweiser zu vergleichen. Das Bild ist hier schon
212 witzig strukturiert, so daß die Zerstörung des Witzigen nicht
213 ganz einfach gelingt. Das, was im Satz das Witzige entstehen
214 läßt, ist die Anordnung der Bedeutungsquanten in Form der
215 Frage: Der Leser ist zunächst völlig überrascht, verwirrt
216 (wenn auch nur für Bruchteile von Sekunden); er wird zu einer
217 Anstrengung seines Denkens gezwungen: denn das, was explizit in
218 der Frage formuliert wird, ist keine Antwort. Der Leser muß
219 gleichsam erst die Frage auflösen, um den wirklich gemeinten Sinn
220 zu verstehen. Er wird gezwungen, die grammatische Form des
221 Satzes umzubauen (aus dem Fragesatz wird ein Aussagesatz) und er
222 wird gezwungen, sich aus dem Wegweiserbild allererst eine Antwort
223 zu formen dadurch, daß er die Metapher auf ihren Sinn hin befragt.
224 Überraschung - als psychologisch konstatierbare Wirkung -
225 ist also das dominante Moment am Witzigen; poetologisch müßte
226 man formulieren: das Witzige entsteht durch eine nicht erwartete,
227 auch zunächst inadäquat erscheinenden Form (eine Frage als
228 Antwort auf eine Frage ist inadäquat und schon ein witziges
229 Moment). Was mit dieser kurzen Analyse gezeigt werden soll, ist
230 dies: Es gibt den Text und sein verstehendes Erleben. Ich
231 lese ihn und verstehe ihn (irgendwie, vielleicht auch falsch).
232 Das Verstandene wird mit einem " Titel " (z.b.
233 anekdotisch, witzig) belegt. Diese Plakatierung ist immer
234 notwendig, auch wenn ich vorgebe, nur diesen Text hier begreifen
235 zu wollen: selbst wenn nur interpretiert wird, müssen solche
236 allgemeinen Titel angewandt werden. Ich kann diesen Titel
237 thematisieren; d.h. ich blicke auf das, was der Sinn
238 dieses Wortes ist, ich expliziere ihn. Diese Explikation gelingt
239 mir dann, wenn ich frage, was eidetisch (essentiell, wesentlich,
240 a priori) zu diesem Prädikat gehört. Ich gelange dann zu ganz
241 bestimmten Ergebnissen, die - wenn die Befragung richtig war -
242 von jedem (intersubjektiv) auch als richtig anerkannt werden
243 können: denn es geht hierbei nicht um eine Wertung, die vom
244 subjektiven Dafürhalten abhängig bleibt, sondern allein um eine
245 Tatsachenfeststellung, um die Beschreibung eines empirischen
246 Sachverhalts (der freilich eidetische Wurzeln hat). Wenn
247 intersubjektiv Differenzen auftreten, kann nur durch weitgeführte
248 Kommunikation, durch Diskussion, durch Dialog eine Kongruenz
249 erzielt werden: solche Kongruenz muß möglich sein, wenn
250 überhaupt das Selbe (derselbe Gegenstand) im Griff ist (dieser
251 Text hier und jetzt) und wenn auf die jeweiligen Bedingungen des
252 subjektiven Konstitution reflektiert wird. Solche
253 intersubjektiv abgestimmten/abgearbeiteten Explikationen führen
254 notwendig zu einer allgemeinen Wissenschaft vom Text, zu einer
255 Poetologie. Es wird jetzt nicht Literaturgeschichte betrieben und
256 auch nicht primär interpretiert, es wird das bestimmt, was
257 mehreren einzelnen zukommt und wie es ihnen zukommt.
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