Quelle Nummer 424

Rubrik 14 : VOLKSKUNDE   Unterrubrik 14.00 : VOLKSKUNDE

LAETAREBRAUCHTUM
THEODOR BRAUCH
LAETAREBRAUCHTUM AM BAYRISCH-BADISCHEN UNTERMAIN,
IM OESTLICHEN ODENWALD UND BAULAND
EINE UNTERSUCHUNG DES BRAUCHTUMS ZUR SOMMERBEGRUES-
SUNG UM DIE MITTFASTEN
INAUGURAL-DISSERTATION ZUR ERLANGUNG DER DOKTORWUERDE
DER PHIL.-FAK. DER JULIUS -MAXIMILIANS-UNIVERSITAET
WUERZBURG
WUERZBURG 1970, S. 98-


001  Jeder Spielort hat im Laufe der Jahrzehnte eigene lokale
002  Besonderheiten ausgebildet (oder mißbildet), ohne jedoch den
003  Kern der Sache zu zerstören. Stadtprozelten (Dorfprozelten),
004  Breitenbrunn, Faulbach und Mondfeld singen nach Link und
005  Schober um 1900 ein inhaltlich gleiches (aber textlich
006  verschiedenes) Lied. Heute sind in Stadtprozelten nur noch die
007  beiden ersten Verse der Link'schen Fassung bekannt. Neuenbuch
008  hat sein Lied ebenfalls stark verkürzt; in Breitenbrunn machen
009  sich Hörfehler bemerkbar (" legge die Berke die Kaschte ").
010  Mondfeld singt heute allgemeine Sommerlieder; nur die
011  Heischestrophe erinnert an vergangene Zeiten. Die Faulbacher
012  Verszeilen " Aus dem Bratebrunner Hertehaus, hange die Lumpe
013  minanner raus " sind reine lokale Zutaten und als Ortsneckerei
014  gegen die Breitenbrunner gerichtet. Die Boxtaler Strophe hat
015  Anklang an Faulbach. In Rauenberg war 1928 der Fasten-
016  Kastenreim noch bekannt, heute fehlt er. In dem gegenwärtigen
017  Lied wird auch des Sommers gedacht, ohne ihn eigens ins Dorf
018  einzubringen. Die Sommerverse klingen wie die Faulbacher
019  Winterverse, " Winter " wurde gegen " Sommer " ausgetauscht.
020  Das alte Ebenheider Lied (1928 und 1931) enthält Faulbacher
021  und Breitenbrunner Elemente; der Karwuche-Eierkuche-
022  Reim zeigt nach Pülfringen. Der dreimalige lärmende Umzug um
023  den Ebenheider Hof verweist in den Petertagsraum. Zwischen 1923
024  und 1932 hat Hauptlehrer Ronnecker zusätzlich das Heidelberger
025  " Schtrih, Schtrah, Schtroh " eingeführt. Das alte
026  Heischelied ist nur noch der älteren Generation bekannt. Das
027  überlieferte und heutige Liedgut der Maintalorte bestätigt den
028  zweifigurigen Typus (seit alters), und daß das " Doudemo-
029  Heijo-Spiel " eigentlich ein " Sommer/Winterspiel "
030  darstellt. Rauenberg und Ebenheid tendieren der Liedtradition
031  nach ebenfalls ins Maintal. Wie liegen die Dinge bei der
032  Odenwaldgruppe? Hettigenbeuern, Hollerbach, Unterneudorf
033  (und Oberneudorf) bilden die Oculi-Gruppe. Leider ist nur in
034  Hettigenbeuern das Heischelied erhalten geblieben. Die Verse
035  " S'Brot lait im Kaschte, s'Messer lait denäwe " des
036  Hettigenbeuernen Liedes sind auch in dem hohenlohischen Kinderreim
037  " Lirum, larum Leffelstiel " bekannt; hier der 4.und 5.
038  Vers. Das Unterneudorfer Lied ist verstümmelt und durch
039  Hörfehler entstellt. Hollerbach hat das alte Lied mit Ausnahme
040  von zwei Versen durch das " Summer-Maie-Lied " ersetzt,
041  wann, konnte nicht ermittelt werden. Die Heischeforderung nimmt
042  hier eine drohende Haltung an. Damit niemand es wagt, die
043  Gabenforderung zu überhören, wird sofort mit dem " Wei)'
044  gedroht. Heppdiel, Windischbuchen, Rinschheim, Hettingen
045  (Götzingen und Hemsbach) scheinen in ihren Heischeliedern
046  Entlehnungen aus dem Peterstagsraum gemacht zu haben (De Peiter
047  is ä Schärer). Das Poltern in Unterneudorf könnte an die
048  lärmenden Umzüge um die Gehöfte in den Petertagsorten erinnern
049  (der Lärm soll das Böse vertreiben). Das Rüdentaler Lied
050  hat im Untersuchungsraum keine Parallele. Die erste Strophe ist
051  einzig in ihrer Art. Die zweite dagegen kann vom Peterstag oder
052  von Fastnacht her beeinflußt sein. Bei vorsichtiger Analyse
053  schält sich Verwandtes heraus. Die Booz-Strophe
054  verweist bis auf den Katz-Vers allgemein in das Gebiet des
055  Todaustragens. Die Aufforderung " Renne, renne, renne
056  " erinnert an den Lauf in Ebenheid. Die Heischeverse,
057  Glückwunschverse, aber auch die Fluchverse, scheinen
058  fastnachtlichem Liedgut entlehnt zu sein. Die Unklarheiten des
059  Liedes dürften auf Hörfehlern oder sonstigen lokalen Umständen
060  beruhen. Rüdental liegt wie eine Insel in einer braucharmen
061  Landschaft im Hinblick auf die Frühlingsfeiern. Fragen wir nun
062  nach der Herkunft bzw. nach der Tradition des Liedgutes. Die
063  Fastenverse, die fast in jedem Lied auf irgendeine Art anklingen,
064  künden von einer alten Tradition, ebenso die Elemente aus den
065  Peterstagliedern und Fastnachtsliedern. Die
066  Fastenverse zu Heidelberg von 1696 sind um 1800 noch in Neckarelz,
067  in Hirschhorn, Brombach, Schönau, Grein, Altneudorf in
068  Erinnerung, werden 1705 in Pülfringen gesungen, in Nürnberg
069  1787, ebenso in Erlangen, der Aischgrund und Zenngrund,
070  Gailnau südlich Rothenburg kennen ebenfalls einen
071  Mittfastenvers. Durchmustert man die Becker'sche Liedsammlung,
072  die Mößinger'sche reiche Liedangabe und die Liungman'sche
073  Sammlung, dann fällt auf, daß, außer der Schweiz und dem
074  Elsass, nur in Franken (vom Rhein bis zur Quelle des Mains)
075  die Fastenverse vorkommen. In den fränkischen Kurpfalzgebieten,
076  am Neckar entlang, gehen sie im Laufe des 19.Jahrhunderts
077  verloren, oder weichen dem erneuerten Heidelberger Sommertagslied.
078  In Unterflockenbach bei Weinheim soll neben dem Summer'Maije
079  -Lied auch das Heidelberger Lied von 1696 bekannt gewesen sein.
080  Die Fasten-Kastenverse dürften demnach im 17.
081  Jahrhundert in der rheinfränkischen und
082  mittelfränkischen Landschaft allgemein bekannt und ein besonderes
083  Charakteristikum gewesen sein. Während das Sommer/
084  Winterkampfspiel sie treu bewahrte, hat das von Osten nach Westen
085  vorrückende Todaustragen das Lied lokal abgewandelt und seinem
086  Spielgeschehen angepaßt. Hollerbach singt nach dem Verbrennen
087  des " Toudte " ein Sommerlied, das Erck bereits 1841-1844
088  in seine Liedsammlung aufgenommen hat. Watterbach kennt von diesem
089  nur die ersten vier Verse. Nach Mößinger und Liungman war das
090  Lied besonders im vorderen und mittleren Odenwald stark verbreitet.
091  Für den kleinen Odenwald und das Neckartal überliefert
092  Auguste von Pattberg geb. Kettner, 1807 ein Sommertagslied,
093  wovon die zwei ersten Strophen die Heidelberger/Watterbacher
094  Fasten-Kastenreime enthalten, die Strophen 3-6 aber ein
095  eigenes Sommertagslied entfalten und die Strophen 7-10
096  Heischeverse sind, wie sie allgemein im deutschen Sprachraum
097  bekannt waren (vom goldenen Tisch und Fisch). Die Watterbach
098  nächstliegenden Summer-Maije-Orte sind Schöllenbach an
099  der Itter und Würzburg, beide im Landkreis Erbach. Könnte in
100  Hollerbach für das Summer-Maije-Lied wirklich eine alte
101  Tradition nachgewiesen werden (leider ist dies im Augenblick sehr
102  schwierig), dann wäre wohl Hollerbach der östlichste Ort für
103  die Summer-Maije-Tradition, so aber kommt nur
104  Watterbach in Frage. Das Summer-Maije-Lied dürfte
105  erst in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts in Hollerbach
106  eingeführt worden sein (vielleicht durch eine
107  Lehrerpersönlichkeit). Vorsichtig folgernd möchte ich sagen:
108  im westlichen Teil des Odenwaldes nördlich des Neckars war neben
109  dem Fasten-Kasten-Typ auch das Summer-Maije-
110  Lied in Übung. Ersteres geriet im vorderen und mittleren
111  Odenwald, letzteres im hinteren Odenwald in Vergessenheit, wurde
112  aber in Hollerbach auf irgendeine Weise wieder aufgefrischt. In
113  die Landschaft des Todaustragens konnte es nicht eindringen. In
114  Ebenheid haben wir für das " Schtrih, Schtrah, Schtroh
115  " eine ähnliche Erscheinung. Die Ablösung des alten
116  Heischeliedes (1928) dürfte mit dem Wirken des Hauptlehrers
117  Ronnecker zusammenhängen, allerdings scheint das Todaustragen in
118  den zwanziger Jahren sehr verflacht gewesen zu sein. C.
119  Mischformen. Beuchen, Oberndorf und Rippberg pflegen einen
120  Mischtypus. Im Beuchener " Hutzelbooz " sind Winter und
121  Sommer vereinigt. Lösen wir die Einheit auf, wird ein
122  zweifiguriger Typus daraus. Der " Winter " gleicht dem von
123  Watterbach (unter dem Strohschaab verbirgt sich ein kleiner Junge),
124  der " Sommer " dem Neuenbucher und Breitenbrunner " Hejo
125  ". Die Wintergestalt ist dem Sommer/Kampfspiel (= dem
126  Butzenlaufen) entlehnt; das Sommerbäumchen dagegen erinnert an
127  das " Sommerholen ", wie es uns aus den Mosbacher
128  Stadtrechnungen bekannt ist. Aus uns unbekannten Gründen haben
129  die Hutzelbuben irgendwann einmal eine Kombination dieser zwei
130  Figuren vorgenommen, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten
131  hat. Auch terminlich trat eine Verschiebung ein. War der
132  Spieltag früher " ein Sonntag in der Fasten ", wird seit
133  geraumer Zeit der Mittwoch vor Lätare als Spieltermin
134  eingehalten. Die Sommergestalt ist verschwunden. Wann das
135  Verbrennen des " Hutzelbooz " aufkam, konnten die Buben nicht
136  sagen. 1920 versicherte der Gastwirt Herkert: " Weder
137  verbrannt noch ins Wasser geworfen ". Der Wandel läßt auf eine
138  lange Tradition schließen, und das Heischelied bestätigt dies.
139  Der erste Vers verweist nach Heidelberg/Watterbach. Die
140  Verse 2-6 bilden den " Wurstvers ". Bereits 1784 wird ein
141  solcher in Frankfurt a.M. innerhalb eines Fastnachtsliedes
142  gesungen. In der Rhön, der Pfalz, an der Bergstraße, im
143  Hohenlohischen, ebenso im Holsteinischen tauchten in
144  Heischereimen die Wurstverse auf. Das Frankfurter
145  Fastnachtslied besingt in seinem zweiten Teil den " Sommer " und
146  den " Winter ". Im letzten Vers wird sogar ein Zweikampf
147  zwischen den beiden angedeutet. Beuchen weiß nichts vom " Sommer
148  " und " Winter ". Die rußgeschwärzten Gesichter, die
149  Kranewittzweige und die Wurstverse dürften Relikte des
150  Fastnachtsgeschehens sein. Irgendwann hat der Beuchener Umzug
151  sich von der Fastnacht abgesetzt und auf Mittfasten hinverlagert.
152  Die Meinung der Erwachsenen, die Eierspende sei eine Vorausgabe
153  für das Klappern in den Kartagen, rückt den " Hutzelbooz
154  " näher an Ostern heran. In Mörschenhardt, Landkreis Buchen,
155  tragen die Klapperbuben am Karsamstag beim Eierheischen ein
156  geschmücktes Tannenbäumchen mit, das sie am Ende auf einem
157  Obstbaum befestigen. Hier hat Ostern das " Sommertägliche
158  " völlig an sich gezogen. Rippberg war der westlichste Ort der
159  Todaustragelandschaft. Leider ging das Spiel bis auf einen
160  Bettelumzug anfangs der zwanziger Jahre verloren. Das wilde
161  Gabenheischen einiger Kinder wurde als Belästigung empfunden.
162  Mit Unterstützung der Lehrer Blank und Hirt und vor allem der
163  Brezelstiftung durch das Fabrikantenehepaar Kurtz (jetzt
164  verstorben) erstand aus den spärlichen Brauchrelikten ein neues
165  Lätarefest eigener Prägung, Sommerpyramiden und
166  Winterpyramiden und die Sommerstecken wurden dem 1893 erneuerten
167  Heidelberger Sommertag entlehnt. Den Zug führt ein auf einer
168  hohen Stange gebündelter " Strohbooz " an. Nach dem Umzug
169  wird alles verbrannt. In diesem Verbrennen begegnen sich das "
170  Wintervertreiben " und das " Todaustragen ". Die
171  Brezelstiftung hält die Erinnerung an den Brotsonntag wach.
172  Auch das Heischelied hat diesen Umwandlungsprozeß mitgemacht.
173  Waren nach dem ersten Weltkrieg nur die beiden Heischeverse
174  bekannt, erfuhren sie in dem neuen Lied, das eine Dichtung der
175  Restauratoren sein dürfte, eine sinnvolle Aufwertung. Das Lied
176  knüpft an den Osterputz an. Mit dem Ausstauben der Wohnungen
177  (" Fensterputzen ") sollen die Sorgen aus dem Haus gejagt werden.
178  Alles soll froh und munter mitziehen. Vor jedem Haus wird mit
179  den alten Heischeversen geheischt. Das Schenken wird nun nicht
180  mehr als eine Bettelei, sondern als Ehre angesehen. Wie sehr
181  aber der Lätareumzug an die Lehrerpersönlichkeit gebunden ist,
182  zeigt die Tatsache, daß 1956 wegen Erkrankung des Lehrers der
183  Umzug ausfiel (nachdem aber seit wenigen Jahren der
184  Verkehrsverein Fremdenwerbung betreibt, dürfte ein Ausfallen des
185  Zuges nicht mehr vorkommen). Die beiden zu Ehren gekommenen
186  Heischeverse verraten für Rippberg ein hohes Alter, sind aber
187  wohl dem Peterstag entlehnt. Oberndorf, südlich von Osterburken
188  schon außerhalb des Untersuchungsraumes gelegen, macht ein
189  zweifiguriges Sommerspiel. Vom Kampf und vom Vernichten des
190  Winters keine Spur. Die Buben umringen einen maskierten "
191  Butzen " oder " König "; die Mädchen tragen ein
192  buntgeschmücktes Tannenbäumchen von Haus zu Haus. Jede Gruppe
193  singt ein eigenes Lied. Die Buben das vom " kleinen König ",
194  sie fordern ihre Spende mit dem Hinweis, daß der " Butz " im "
195  Hurhaus " (im Hühnerhaus) sitzt und alle Eier aussaugt.
196  Die Königsstrophe ist vom Dreikönigsheischen her bekannt (nach
197  Mößinger und Becker in Hetzbach, Kaiserslautern, Sausenheim,
198  Kocherbach bei Waldmichelbach). Das Lied der Mädchen macht
199  den Zweck des Umzugs kund. Der Winter wird vertrieben, d.h.
200  in den " Dreck " geworfen. Die Mädchen kennen aber auch
201  die alten Heidelberger Mittfasten-Kastenverse. Sie liefern
202  den Beweis einer Jahrhunderte langen Tradition und allgemeinen
203  Verbreitung im rechtsrheinischen Raum. Die Segen und Fluchverse
204  zielen hinüber in die Pfalz. Das Oberndorfer Spiel hat mehrere
205  Spielelemente des Wintervertreibens und Sommerholens, aber auch
206  Heischegewohnheiten aus dem Dreikönigsspiel zu einem Lätarespiel
207  uniert und so einen lokalen eigenständigen Typus geschaffen. Der "
208  Butz " verweist aber auch in den Raum des " Todaustragens
209  ". Als Mischtypus gibt er Zeugnis für die Grenzsituation der
210  rheinfränkischen und ostfränkischen Brauchlandschaften. Während
211  Rippberg und Oberndorf in ihren Liedern den Einzug des Sommers
212  begrüßen, hat das Beuchener Lied nur den Heischecharakter
213  bewahrt. Das Motiv des Spieles muß aus dem " Hutzelbooz
214  " ergründet werden. Die drei Mischformen liefern ein beredtes
215  Zeugnis dafür, wie in gewissen Zeitabständen aus spontanen,
216  geringfügigen Variationen, von der Grenzlage her bestimmt,
217  plötzlich ein neuer Spieltypus entsteht, ohne allerdings das
218  Grundmotiv anzugreifen oder auszuhöhlen, selbst wenn es nur noch
219  aus dem Figuralen erkannt werden kann. Obwohl Beuchen zu einem
220  reinen Heischespiel herabsank, leuchtet in seinem " Hutzelbooz
221  " das Wintervertreiben und Sommerbegrüßen auf. Sachsenhausen im
222  Landkreis Tauberbischofsheim kannte vor dem 1.Weltkrieg den "
223  Ladäretag ". Den Symptomen des Spiels (Zug der Knaben zur
224  Teilbacher Mühle, Gabenheischen in der Mühle und im Dorf von
225  Haus zu Haus, Absingen religiöser Lieder, Verteilen der
226  geheischten Eierspenden) und dem Wortspiel des Namens nach,
227  handelte es sich hier um ein völlig umgewandeltes Lätarespiel,
228  vermutlich um das Todaustreiben. Vom " Todt " oder " Booz
229  " ist nicht die Rede. Der Teilbacher Müller hatte wahrscheinlich
230  eine Gabenstiftung gemacht, ähnlich wie die Hofleute vom
231  Ebenheider Hof, um den Buben den Zug zur Mühle reizvoller zu
232  machen. Die Windischbuchener Buben besuchen mit ihrem " Booz
233  " die Talmühle im Kaltenbrunner Tal. Wenn in Sachsenhausen
234  tatsächlich einmal ein Todaustragen bestanden hat, dann erfuhr es
235  unter Verzicht des " Todten " ein völlig neues Gesicht. Umzug,
236  Heischen, Singen blieben. Statt des " Todten " zog man in
237  der dunklen Morgenfrühe zur Mühle, daher das Mittragen von
238  Laternen, Kienfackeln und Pechfackeln. Laterne heißt
239  im Ortsdialekt " Ladäre "; Lätare und Ladäre gaben im
240  Wortspiel dem Sonntag den Namen. Wichtigste Zeremonie bei dem
241  Spiel war das " Stauchen " der Fünftkläßler auf dem "
242  Dreimärker " - eine Tatsache aus dem jährlichen Umgang der
243  Siebener oder Untergänger bzw. Steinsetzer. 1906 hatte ein
244  Wolkenbruch den Grenzstein verschlammt oder fortgeflößt. Der
245  Ersatzstein aber übte bei den Buben nicht mehr den besonderen
246  Reiz aus. Als gar noch der Müller verzog, schlief das "
247  Ladärespiel " ein und geriet in Vergessenheit. Noch leben in
248  Sachsenhausen ältere Männer, die als Buben an dem Spiel
249  teilgenommen hatten. Die Ursachen der Umwandlung können mangels
250  gesicherter Unterlagen nur vermutet, nicht aber bewiesen werden.
251  Obrigkeitliche wie kirchliche Verbote oder gar der Wille, das
252  Spiel mit neuem Inhalt zu füllen, dürften bei der Umwandlung
253  Pate gestanden haben. Vielleicht war es die Stiftung der
254  Teilbacher Müllersleute, welche der Spieltradition eine gewisse
255  Zähigkeit verlieh. D. Verbot und Tradition.
256  Verbot oder Förderung. In der historischen und volkstümlichen
257  Begründung sind schon einige Motive der Tradition gegeben. Sie
258  lassen sich auf einen Nenner bringen: Der " Dot " muß
259  umgetragen werden, um Schlimmes (Krankheit oder sterben) zu
260  verhindern.

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