Quelle Nummer 383

Rubrik 12 : BILDENDE   Unterrubrik 12.01 : PRESSE

SUEDDEUTSCHE ZEITUNG
MONTAG, 9.11.1970, NR.268, S.16 (FEUILLETON)


001  Molden trennt sich von Molden. Österreichs
002  größter Buchverlag will das Pressehaus verlassen. Der Fritz
003  -Molden-Verlag, mit einem Jahresumsatz von etwa 10
004  Millionen Mark Österreichs größter Buchproduzent, will das
005  16stöckige Pressehaus verlassen, von dessen Dach die
006  Leuchtschrift " Molden " abends weit ins Donautal und zum
007  Kahlenberg hinaufleuchtet. Ein Zerwürfnis mit dem
008  Geschäftsführer Kurt Falk steht hinter diesem Entschluß,
009  Angriffe gegen Molden in der gleichfalls von Falk geleiteten
010  Kronen-Zeitung gaben, wie schon berichtet, den Anstoß.
011  In fernerer Zukunft will der Buchverlag in Grinzing ein eigenes
012  Quartier beziehen, doch sieht es so aus, als wolle Molden dessen
013  Fertigstellung erst gar nicht abwarten, sondern schon vorher in
014  provisorische Unterkünfte ausweichen. Aus der verlegerischen
015  Perspektive würde dies wohl nur bedeuten, daß Moldens Bücher
016  eben künftig in einer anderen Druckerei hergestellt werden.
017  Hinter dem Exodus aus den drei Stockwerken des Glasbetonbaus in
018  Heiligenstadt aber wird ein spannungsreiches Kapitel
019  österreichischer Zeitungsgeschichte sichtbar. Es begann damit,
020  daß der Vater des heutigen Verlegers, Dr. Ernst Molden,
021  nach dem Krieg die Tradition der seinerzeit von ihm geleiteten
022  Neuen Freien Presse in die neugegründete Presse
023  einbrachte, die zuerst wöchentlich, später als Tageszeitung
024  erschien. Molden junior, während der Hitler-Ära als
025  Widerstandskämpfer zum Tode verurteilt, trat als Aspirant in das
026  Blatt ein, wurde nach dem Ableben seines Vaters Herausgeber,
027  zeitweilig auch Chefredakteur. Die fünfziger Jahre brachten dem
028  österreichischen Presselord die größte Ausdehnung seines
029  publizistischen Imperiums. Er führte am Donaukanal in einer
030  damals noch kaum besiedelten Strandwüste sein Hochhaus auf.
031  Neben der Presse unterstand ihm deren Wochenausgabe (die
032  später selbständige Wochenpresse), er verlegte den
033  Expreß und druckte insgesamt etwa 20 Prozent aller in
034  Österreich umlaufenden Zeitungsexemplare. 1961 zeichnete sich der
035  erste Umschwung in seinem Herrschaftsbereich ab. Der Expreß
036  ging in sozialistische Hände über; sowohl die Presse
037  wie die Wochenpresse wurden verkauft. Molden wollte
038  nur noch Drucker sein. Es erschien eine kluge Flurbereinigung:
039  Zeitungen und deren Defizit anderen zu überlassen und das sichere
040  Geschäft einer Großdruckerei zu betreiben. Die
041  Kronenzeitung, Österreichs Kleinformat, wuchs zu,
042  ursprünglich auf eine 100000-Auflage präliminiert, heute bei
043  750000 an Wochentagen,, 900000 an Sonntagen haltend.
044  Aber Fritz Molden war nicht von so friedlichem Naturell, daß
045  ihm die rein kommerzielle Tätigkeit genügt hätte. 1965 startete
046  er seinen Buchverlag, und zwar mit einem propagandisten
047  Paukenschlag, der ihn zum Ereignis der damaligen Frankfurter
048  Buchmesse machte. Er hatte einen außerordentlich dynamischen
049  Verlagsleiter zur Seite: Gerd Bacher, den späteren
050  Generalintendanten des Österreichischen Rundfunks. Nicht nur
051  die geruhsameren österreichischen Verleger sahen sich überspielt;
052  auch in Deutschland trat das finanzstarke und
053  werbungsstarke Unternehmen unübersehbar in Erscheinung. Die
054  Swetlana-Memoiren, CharriŠres " Papillon ",
055  neuerdings Hildegard Knefs " Geschenkter Gaul "; das waren
056  Spitzenreiter, die ein Programm von Sachbüchern und etwas
057  weniger Belletristik nach sich zogen. Der Molden-Verlag
058  machte jedes Jahr hinreichend von sich reden. Aber das für so
059  sicher erachtete Druckereigeschäft wurde indessen immer
060  problematischer. Lohnerhöhungen im graphischen Gewerbe, die
061  Anschaffung moderner Großmaschinen und seltsamerweise die
062  unvorhergesehene Auflagensteierung der kleinformatigen
063  Kronenzeitung, die im ursprünglichen Vertrag nicht
064  verhergesehen worden war, brachten das Molden-Haus in
065  Schwierigkeiten. Von Verkaufsabsichten wurde schon lange
066  gesprochen. Kronenzeitung und Expreß wollten
067  ausbrechen. Vergangenen Mai schließlich ging das Pressehaus in
068  neue Hände über. Die " Bank für Arbeit und Wirtschaft ",
069  deren Majorität Gewerkschaftseigentum ist, trat dabei
070  federführend auf. Der Mitinhaber der Kronenzeitung,
071  Kurt Falk, wurde Gesellschafter und Geschäftsführer des
072  Pressehauses. Molden wollte nur noch Buchverleger sein, hatte
073  sich allerdings nicht verpflichtet, alle seine Werke in dem Haus
074  drucken zu lassen, auf dessen First weiterhin sein Name leuchtete.
075  Kurzfristig hatte er den New Yorker Verleger Praeger an seinem
076  Verlag beteiligt, trennte sich aber bald wieder von ihm. Blieb
077  immerhin noch eine publizistisch zwar unansehnliche, aber finanziell
078  bemerkenswerte Hausmacht in der Form des Wiener Wochenblatts
079  und einiger gut verkäuflicher Bezirkszeitungen. Mit Falk
080  teilte er sich auch in die Wochenausgabe, die nunmehr zum
081  Kronenzeitungs-Bereich gehörte. Aber daß gerade in
082  dem kleinformatigen Massenblatt gegen Molden Breitseiten
083  abgefeuert wurden, führte schließlich zum Bruch mit Falk. Zum
084  zweitenmal geht ein Molden-Imperium zu Ende, und der auf
085  seine Buchproduktion und seine Familienblätter zurückgeworfene
086  dynamische Verleger bezieht in Grinzing neue Kampfpositionen. Um
087  die Eigentumsverhältnisse an der Kronenzeitung stehen neue
088  gerichtliche Auseinandersetzungen bevor, deren Hintergründe
089  allerdings noch völlig undurchsichtig sind, weil sich die
090  Erklärungen der Beteiligten diametral widersprechen. In einem
091  Fernsehinterview hatte Rechtsanwalt Ewald Weniger erklärt, sein
092  Mandant Ludwig Piatnik habe dem früheren
093  Gewerkschaftsbundpräsidenten und einstigem sozialistischen
094  Innenminister, Franz Olah, 50 Prozent der Anteile an der
095  Kronenzeitung abgekauft. In einer notariellen Urkunde habe
096  Olah erklärt, die gesamten Stammanteile der Kronenzeitung
097  hätten ihm gehört. Der Anwalt kündigte gegen den
098  Geschäftsführer des als Kommanditgesellschaft registrierten
099  Verlags, Hans Dichand und Kurt Falk, die lediglich
100  Treuhänder gewesen seien, eine Klage auf Herausgabe des Blattes
101  an. Olah selbst, der seit Anfang Oktober eine einjährige
102  Zuchthausstrafe wegen Betrugs verbüßt und am Freitagnachmittag
103  aus familiären Gründen eine einwöchige Haftunterbrechung
104  bewilligt bekam, bestreitet demgegenüber, jemals Anteile an der
105  Kronenzeitung besessen zu haben. Piatnik und sein Anwalt
106  hätten im Sommer ihm gegenüber das Vorhandensein entsprechender
107  Urkunden behauptet und ihm die Einsicht in diese zugesagt, wenn er
108  seine Treuhandrechte abtrete. Er, Olah, habe dies dann auch in
109  hypothetischer Form in der Überzeugung getan, das jene
110  Treuhandvereinbarung nicht existiere und die Abtretung mithin auch
111  gegenstandslos sei. Inzwischen soll auch Olahs Freund, der
112  Frankfurter Exportkaufmann Ferdinand Karpik, der als
113  Kommanditist des Zeitungsverlags genannt wurde, seinerseits eine
114  Klage genen Dichand und Falk eingebracht haben. Die
115  Kronenzeitung bezeichnete diese Klage als gegenstandslos, weil
116  Karpik schon im Juni als Gesellschafter ausgeschieden sei.
117  Konterrevolutionäre auf dem Laufsteg. " Das Verhör von
118  Habana " im Werkraumtheater der Münchner Kammerspiele.
119  Genauer als es das Plakat der Kammerspiele zu dieser Inszenierung
120  tut, läßt sich die Situation eines einigermaßen geübten
121  Theatergehers, also des Angehörigen einer bestimmbaren
122  " Schicht " (Klasse soll es ja nicht mehr geben) nicht bezeichnen:
123  die Darsteller der cubanischen Bourgeoisie, im
124  Fallschirmjägerdreß der Invasoren, sitzen in einem gutbesetzten
125  Zuschauerraum, zwischen gutgekleideten Leuten. Das heißt: wir
126  gehören zusammen; die Kluft der " anderen " ist nur ein
127  historisch-deutliches sekundäres Gedankenmerkmal. Jeder, der
128  der apologetischen oder nur schizophrenen Selbstdarstellung der
129  Gefangenen folgt und auf das Prinzip ihrer seltsamen Dialektik
130  lauscht, wird wahrscheinlich ohne große Anstrengung bei sich
131  selbst die gleichen " intellektuellen " Klassenmerkmale
132  konstatieren können: das Denken, das sich auch auf
133  Offensichtliches, Eindeutiges nicht einzulassen imstande ist.
134  Hans Magnus Enzensberger in der Einleitung zu seiner
135  " dramaturgisierten " Dokumentation des Verhörs der Schweinebucht
136  -Invasoren: " Die Struktur eines solchen Reformismus läßt
137  sich bis in die Syntax hinein verfolgen. " Wenn auch - so doch
138  "; " zwar - aber "; " im Prinzip ja - aber nur "; "
139  es kann gut sein - bloß "; " das schon - allerdings ":
140  jedesmal wird im Nebensatz zurückgenommen, was der Hauptsatz
141  verspricht ". So funktioniert die öffentliche Verteidigung der
142  cubanischen Konterrevolutionäre, funktioniert die Rezeption des
143  nachgestellten Verhörs und, natürlich, auch die Rezension
144  desselben. Es gibt eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der
145  Rekonstruktion des " Verhörs von Habana " auf der Bühne:
146  Enzensberger verweist einleuchtend auf den Modellcharakter dieser
147  " Selbstdarstellung einer Klasse " - es muß also jedem
148  ernstmeinenden Regisseur darum gehen, das Beispielhaft-
149  Gültige zu betonen. Andererseits kann dort die konkrete
150  historische Situation nicht geleugnet werden; aus ihr allein
151  bezieht das Verhör Evidenz, in ihr allein gewinnt das
152  Selbstbildnis sinnliche Deutlichkeit ohne denunziatorische Züge,
153  auf die es den cubanischen Befragern auch nicht ankam. Ulrich
154  Heising entschied sich für eine weitgehende Aufgabe der
155  historischen Situation; er strich gänzlich Lokalkolorit und
156  alles, was nach einer Rekonstruktion bloßer Stimmung aussehen
157  könnte. Er fand stattdessen ein Arrangement, das so sehr
158  verblüfft, daß man erst nach und nach auf alle Inhalte kommt,
159  die diese Struktur vermittelt. Heisings Grundgedanke ist einfach
160  und dennoch der radikalste Teil der Inszenierung: es gibt keine
161  Bühne; sie ist einfach zu, nicht durch einen Vorhang, der ja
162  mit ständiger Öffnungsbereitschaft drohen würde, sondern quasi
163  vernagelt, verrammelt; Bühne ist nicht vorhanden. Das Verhör
164  findet im Zuschauerraum statt. Die Befrager bewegen sich " frei "
165  in den Gängen vor und neben den Sitzreihen, den Gefangenen
166  aber steht ein Laufsteg zu, der mitten durchs Publikum geht wie
167  sich's für einen Laufsteg gehört. Man darf ihnen zusehen wie den
168  Mannequins, deren Gesten und Gehabe ja auch nur einer bestimmten
169  Schicht geweiht sind. So stellen sie sich dar, weit entfernt vom
170  repressiven Klima einer Gerichtsszene (die ja auch das historische
171  Verhör nicht war), entfalten frei ihre verschleierte Ideologie
172  der Verschleierungen, Illustrieren " moralische Arbeitsteilung "
173  (Enzensberger), Unwissen, Propaganda, Selbsttäuschung
174  (...) ein Jahrmarkt der Verdeutlichungen. Das war es dann auch bei
175  den Schauspielern. Man hatte aus dem Mangel an Situation, an
176  Atmosphäre und wohl auch aus der Einsicht, daß wahrscheinlich
177  nur wenig Zuschauer genügend genau wissen, was hier verhandelt
178  wird, einen kammerspielerischen Auftrag gezogen; Heising setzte
179  also, um den Augenschein zu ersetzen, auf starke schauspielerische
180  Akzente: statt klärende Situation klärende Darstellung. Das
181  hatte eine hinreißend servierte Charakterstudie von Romuald Pekny
182  zur Folge (bei der man - wie fast immer bei Pekny - nie genau
183  wußte, ob er eine Figur spielt oder eine Rolle
184  spielt, was in diesem Fall auf eine zynische Weise paßt); das
185  hatte zur Folge, daß Traugott Buhre (in drei Gefangenen-
186  Rollen) seine Typengestaltung so ins kostbare Detail trieb, daß
187  manchmal die Grenze zur Charge deftig überschritten war. Beides
188  Solistenleistungen, die unter anderem auch beweisen, wie sehr das
189  bürgerliche Theater von eben solchen schizoiden, unsicher
190  flackernden Charakteren lebt. - Die kühlste, intelligenteste
191  " Typenbezeichnung " schien mir Hans-Peter Hallwachs zu
192  geben; er reduzierte seine jeweilige Darstellung auf eine
193  eindeutige, übersichtliche Grundhaltung. Ein bißchen farblos im
194  illustren Kreis bürgerlicher Entäußerung: Rüdiger Bahr.
195  Den Fragestellern hatte Heising die von Enzensberger bezeichneten
196  Namen und damit auch ihre Individualität genommen. So war es
197  immerhin erstaunlich, wie gut sie sich als Gegenspieler hielten:
198  Maya Speth, Richard Beck, Wilmut Borell, Hans Drahn und
199  Fred Kraus. " Das Verhör von Habana ", wie es Enzensberger
200  nachzeichnet, enthält neben einer dringend zu lesenden Einleitung
201  zehn Verhöre. Im übrigen übernimmt Enzensberger die
202  authentische Form des öffentlichen (von Radio und Fernsehen live
203  gesendeten) Hearings. Es gibt da zum Beispiel einen Moderator,
204  der auch als Worterteiler fungiert. Heising hat ihn genauso wie
205  das gesamte historische Arrangement, und viel Propagandamaterial,
206  gestrichen. Er strich auch die in der Rekonstruktion kaum
207  vertretbaren Anklagen von Zeugen gegen den mordenden und folternden
208  Batista-Polizisten Calvi¤o während dessen Verhör.
209  Gestrichen wurden ferner drei Verhöre, die mit nicht-
210  bürgerlichen, also laut Dokumenten untypischen Vertretern der
211  Invasoren gemacht wurden; zwei davon sind Arbeiter, die versucht
212  hatten, in den USA Fuß zu fassen und eher durch Zufall und
213  Repression zum Söldnerheer stießen, und einer FBI-Agent,
214  der für die Geschichtsschreibung interessanter ist als für die
215  " Selbstdarstellung der Konterrevolution ". Enzensbergers Buch
216  aber ist - verglichen mit dieser doch kargen, auf Entlarvung,
217  Dramatik und aufklärerische Spannung weitgehend verzichtenden
218  Inszenierung - nicht nur der Kürzungen wegen bei weitem nicht
219  ausgelastet. Das gemeinte Modell wird nur verstehen, wer die
220  Lektüre von Buch und Kursbuch 18 hinter sich hat. Genie in
221  schwacher Stunde. Beethovens " Christus am Ölberg " im
222  2.Münchner Rundfunk-Symphoniekonzert unter Fritz Rieger
223  Auch einem Genie soll man seine schwachen Stunden zugestehen.
224  Nur fragt es sich, ob man auch noch besonders darauf hinweisen soll,
225  zumal wenn sich das Genie mit seinem Nachruhm gerade in einem so
226  euphorischen Moment befindet wie derzeit der Jubilar Beethoven.
227  Sein einziges Oratorium " Christus am Ölberg ", bereits 1801
228  (nach des Autors eignem Wort " in vierzehn Tägen ")
229  komponiert, aber erst zehn Jahre später unter der hohen Opuszahl
230  85 im Druck veröffentlicht, kann uns heute höchstens noch den
231  schlechten Geschmack und die Begriffsstutzigkeit seines
232  zeitgenössischen Publikums bezeugen, das dieses allenfalls in der
233  Tradition eines Graun zu plazierende, aber weltenweit von Bach
234  entfernte Werk, ebenso wie später das Spektakelstück
235  " Wellingtons Sieg oder Die Schlacht bei Vittoria " mit Beifall
236  überschüttete, während es den Symphonikern gegenüber
237  überwiegend zugeknöpft blieb. Von Rafael Kubelik aufs Programm
238  des zweiten Rundfunk-Symphoniekonzerts gesetzt, übernahm es
239  der für den erkrankten Kollegen hilfsbereit eingesprungene Fritz
240  Rieger mit zwei Proben und brachte es, gestützt auf die
241  Anpassungsfähigkeit des Orchesters und den von Heinz Mende
242  höchst akkurat vorbereiteten Rundfunkchor, zu einer Aufführung,
243  die auch bei einer besseren Sache ehrenvoll bestanden hätte.
244  Immerhin konnte man in Riegers eindringlicher Darstellung der
245  Partitur in der sich aus düsterem es-Moll losringenden,
246  lastenden Introduktion erste Vorklänge zur Einleitung des zweiten
247  " Fidelio "-Akts (Kerkerszene) heraushören, und auch das
248  böse, punktierte " alla Marcia " Pizarros ist beim Auftritt
249  der Häscher schon zu vernehmen, die dann allerdings ihre
250  Greiferparolen ganz in der Manier eines trällernden Verschwörer
251  chors oder Mörderchors, wie sie beim frühen Verdi
252  vorkommen, von sich geben - das ist hart an unfreiwilliger Komik,
253  wenn auch nicht ohne eine gewisse forsche Theatralik. Und an die
254  erhabene Ausdruckskraft der Bachschen Jesus-Partien darf man
255  bei dem hier (psychologisch mißverstanden) für Tenor
256  geschriebenen Christus nicht denken, es sei denn, man läßt sich
257  in dem von Friedrich Melzers kultivierten Evangelistenstimme sehr
258  intensiv vorgetragenen Duett mit dem Seraph " So ruhe denn mit
259  ganzer Schwere auf mir, mein Vater, dein Gericht " vom
260  musikalisch suggestiven Ausdruck der Angst und Todesfurcht für
261  Augenblicke ergreifen. Ob ein fülliger Opersopran wie der der an
262  der Berliner Deutschen Oper tätigen Amerikanerin Lou Ann
263  Wyckoff den seraphischen Klang einer Engelsstimme zu vermitteln
264  vermag, muß jedoch bezweifelt werden. Mit seinem voluminösen
265  Baß führte Karl Ridderbusch den sein Schwert ziehenden Petrus
266  ungeachtet des geringen Umfangs der Partie als eine Figur von
267  dramatischem Gewicht ein.

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