Quelle Nummer 379

Rubrik 12 : BILDENDE   Unterrubrik 12.01 : PRESSE

HANDELSBLATT
DEUTSCHE WIRTSCHAFTSZEITUNG, INDUSTRIEKURIER
JAHRGANG 26, NR.35, 19./20.2.1971, S.35
(GESELLSCHAFT UND KULTUR)


001  In der Provinz kann sich die Kultur noch erholen.
002  Lyon zum Beispiel: Indutriemetropole mit kulturellem
003  Eigengewicht. Frankreichs Kulturfortschritt verlangt Aufhebung
004  wenn nicht gar Rückgängigmachung von 250 Jahren Geschichte.
005  Das hört sich nicht so neu, vor allem nicht so revolutionär an,
006  wie es in Wahrheit ist. Das Problem stellt sich allerdings in
007  einem Zusammenhang des Aufbegehrens gegen die Obrigkeit. Darin
008  liegt die kulturpolitische Neuheit, die aus jedem Theaterabend in
009  St. Etienne, jedem Konzert in Le Havre eine Demonstration
010  macht. Die Hauptstadt ist bereit, der Provinz ein Eigenleben in
011  wirtschaftlicher wie kultureller Hinsicht zu gewähren. Diese
012  Politik trägt in Frankreich den Namen " Regionalisation ".
013  General de Gaulle leitete sie in die Wege und kam über sie zu
014  Fall. Als ein Königsgeschenk gewährte er der Provinz
015  Freiheiten, die zu einer sorgsamen Abstufung der Kompetenzen
016  führen sollte. Die sekundären stand er den Regionen zu, die
017  primären blieben fest in der Hand der Zentralverwaltung. Georges
018  Pompidou sah ein, daß dies Eingenleben nicht huldvoll von oben
019  herab gewährt, sondern von unten angeregt und gespeist werden muß.
020  Wer sich selbst hilft, dem hilft der Staat, so heißt die
021  theoretische Losung. Die Praxis verdient nähere Betrachtung.
022  Nehmen wir dazu Frankreichs drittgrößte Stadt: Lyon als
023  Beispiel. Hier fließt die Sa“ne in die Rhone, nördlich
024  und westlich von hier liegen weltberühmte Weinberge Burgunds.
025  Rhoneabwärts erstreckt sich seit zehn Jahren ein breites
026  Industriegebiet; die Petrochemie faßte Fuß und mit ihr die
027  Zukunft. Die Rhone ist schiffbar, eine Autobahn begleitet ihr
028  Ufer, wer hier produziert, hat über Wasser, Land und Luft
029  für seine Produkte guten Anschluß an den Markt.
030  Satellitenstädte schießen aus dem Boden, der " clapier ", der
031  Kaninchenstall auf handtuchgroßen Landflecken, einst das
032  Wahrzeichen der Rentnerrepublik der Dreißigerjahre, findet
033  nirgends mehr Platz. Schlote und Generatoren machen sich statt
034  dessen breit. Daß die Menschen hier nicht nur Arbeitstiere sind,
035  für die der Abend einzig das Fernsehspiel bereit hält, dafür
036  hat das kulturelle Leben zu sorgen. Damit ist vor allem gesagt,
037  daß es nicht Bildung zu vermitteln hat, sondern in erster Linie
038  Gemeinschaft wecken will. Das gilt z. B. für Roger
039  Planchons " Th‚ƒtre de la Cit‚ " in
040  Villeurbanne, einer nördlichen Vorstadt von Lyon. Das
041  berühmteste Theater der Region, das den Weltruhm als lästige
042  Nebenerscheinung in Kauf nimmt, der der entscheidenden
043  gemeinschaftstiftenden Kulturarbeit im lokalen Umkreis nur im Weg
044  steht. Planchon war Jean Vilars Entdeckung vor einem Dutzend
045  Jahren. Zog das TNP (Theatre National Populaire), um das
046  Nicht-Publikum aufzuspüren, in die Pariser Vorstädte, so
047  Planchon direkt auf die Fabrikhöfe. Als Spielplatz dienten
048  manchmal die Ladeflächen der Lastwagen, mit denen die Truppe
049  herangefahren kam. Das Spiel sollte Vorwand zur Diskussion sein,
050  die dem Arbeiter klar macht: Theater ist kein Luxus, der ihn
051  nichts angeht, sondern als Rangabzeichen in der Klassenschichtung
052  der Gesellschaft dient. Das waren die Pionierzeiten des Lyoner
053  Volkstheaters. Nirgendwo anders in Frankreich verfolgte ein
054  Theatermann Aufklärungsabsichten mit gleichem missionarischem
055  Eifer. Nicht lokales Ansehen, sondern internationaler Ruhm
056  wurde ihm dafür zuteil. Diese Entwicklung deckt ein Symptom der
057  Kulturarbeit auf; Maurice Mar‚chal, Lyons zweiter
058  nonkonformistischer Theatermann, kann in seinem " Th‚ƒ
059  tre du HuitiŠme " auf eine Parallele hinweisen. Nur 3
060  Prozent seiner Besucher stammen aus der Arbeiterschaft.
061  Experimentierfreude. Sein Theater ist dabei in einem
062  Stadtviertel Lyons angesiedelt, wo mehrheitlich kleine
063  Angestellte und Arbeiter wohnen. Hier wird noch ausgesprochener
064  experimentiert als bei Planchon, der auf seine Anfangszeiten
065  bezogen (etwa auf " Eduard 2.von Marlowe), heute
066  klassizistisch beruhigt erscheint. Mar‚chal führt Audiberti
067  auf (" Die Puppe "), dessen explosive Rhetorik seinem
068  Temperament entspricht, er spielt in einer Inszenierung von
069  Patrice Ch‚reau den " Don Juan " von MoliŠre,
070  oder er spitzt Angelo Beolcos " Moscheta " aus den Tagen der
071  italienischen Renaissace zu einer Spitzbubenkomödie in Rios
072  Lumpenproletariat zu. Ein anderes Unternehmen, das kürzlich
073  stattfand, verdient Beachtung, zeugt es doch von dem Willen, die
074  Kenntnis vom jüngsten Theater, notgedrungenerweise einem
075  politischen Theater, zu mehren. " Festwochen des jungen
076  Theaters " setzte er deshalb mitten im Winter an. Victor
077  Garcias aufsehenerregende Einstudierung von Genets " Zofen ",
078  G‚rard Gelas affektaufwühlende politische Drum-Session "
079  Op‚ra-tion " (Kampf des Fabrikarbeiters gegen den
080  Fabrikherrn) als Gegengewicht Claudels " Goldhaupt " und
081  schließlich Andr‚ Benedettos " Rosa Lux ". Die
082  erzieherische Absicht dieses Theaters ist es, daß mittels
083  szenischer Gleichnisse der Spaß am Denken stimuliert werden soll.
084  Finanzierungsprobleme. Das Ziel wurde in
085  unvorhergesehenem Maße verwirklicht. Zum Beweis diente letztes
086  Jahr die tätige Unruhe, welche die Bewohner des Quartiers
087  ergriff, als das Theater seine Zuschüsse nicht ausbezahlt bekam
088  und mit Schließung drohte. Finanziert wird es sowohl vom Staat
089  wie von der Stadt, diese aber leistet ihren Beitrag nur
090  widerstrebend. Aufbegehrer, selbst wenn sie gegen nichts
091  Konkretes innerhalb der Stadt die Stimme erheben, sind unbequem,
092  weil die frommen Hinnehmer unter den Einwohnern durch Aufklärung
093  eines Tages sich in Rebellen gegen die Verwaltenden verkehren
094  können. Louis Pradel, der Stadtpräsident, leitet die
095  Geschicke Lyons als ein später Nebenzweig der Medizäer: als
096  unumschränkter Herr, der stets die Mehrheit im Gemeinderat für
097  sich zu mobilisieren weiß, wenn er Rechenschaft abzulegen hat.
098  Vor dem Aufstand der Lyoner des achten Bezirks, die für ihr
099  Theater und den mißliebigen Maurice Mar‚chal
100  Protestumzüge veranstalteten und unbotmäßige Petitionen
101  verfaßten, krebste der Bürgermeister indes zurück. Eine
102  Machtkonstellation drohte sich auszubilden. Unruhe, die sich
103  öffentlich kundtat, verlangte nach Beschwichtigung: das Theater
104  erhielt seine Subsidien sogleich. Kein Wunder, daß sich eine
105  besonders enge Beziehung zwischen Publikum und Bühne herstellte.
106  Eine Solidarisierung griff um sich, die die Rolle des Theaters
107  in der Gemeinschaft schlagartig aufzeigte. Wachsende
108  Zuschauerzahlen. Nicht diesen beiden peripher gelegenen Bühnen,
109  sondern dem Gastspieltheater der " C‚lestins " bringt der
110  Lyoner die größte Hochachtung entgegen. Konsekration in der
111  guten Gesellschaft verleiht nur diese Bühne, welche nach alter
112  Weise von den Pariser Wanderbühnenorganisationen Karsenty und
113  Georges Herbert mit den abgespielten Erfolgen der Hauptstadt
114  beschickt wird. Sacha Pitoeff studiert hier ab und zu einen
115  Tschechow ein, andere Regisseure produzieren auch auf diesen
116  Brettern, die dem bestandenen Repertoire und einer bewährten
117  Spielweise Platz bieten. Hier ist also die Konvention vom "
118  guten Theaterabend " angenehm zu konsumieren und leicht zu
119  vergessen, zu Hause. Aufschlußreicher als die Stilarten sind
120  die Zuschauerzahlen. Fünf Theater in Lyon, einer Stadt von
121  einer Million Einwohnern, können dahinsiechen oder blühen, ohne
122  daß ausschließlich ihr Spielplan dafür verantwortlich wäre.
123  Sie blühen aber allesamt. Keines, das nicht zu Beginn dieses
124  Winters eine Zunahme der Abonnenten fast um die Hälfte melden
125  konnte. Planchon spielt seit Monaten bereits nicht mehr in seinem
126  Haus, das in langwierigem Umbau begriffen ist. Mar‚chal
127  leidet nach wie vor an Geldnöten und bringt " Romeo und Julia
128  " im Pariser Od‚on heraus, das einen Teil seiner eigenen
129  Subvention für diese Einstudierung zur Verfügung stellte,
130  gerade um das Lyoner Budget zu schonen. Aber auch bei ihm nehmen
131  die Zuschauerzahlen zu. Nicht nur für Cineasten. Das
132  Spielfilmprogramm der ARD für 1971. Wer heute in einer
133  beliebigen deutschen Großstadt das Kinoprogramm der Zeitungen
134  durchgeht, findet nur noch in Glücksfällen einen Film, der
135  nicht dem vielgescholtenen aber einträglichen Konglomerat von Sex,
136  Sadismus und Penne zuzuordnen ist. Das Schreckgespenst totaler
137  Banalisierung geht um, eine in Jahrzehnten gewachsene Filmkultur
138  (hier ist vor allem das gemeint, was sich in den sechziger Jahren
139  an relevanten ausländischen Streifen bei uns etablieren konnte)
140  droht im Wirtinnen-Orgasmus und Pornografen-
141  Orgasmus ein klägliches Leben auszuhauchen. Dekoriert mit
142  Bundesprämien - getreu dem Leitsatz: nur der
143  publikumsträchtige Film ehrt die Branche und verdient staatliche
144  Förderung - hat die vulgäre Klamotte das ernstzunehmende
145  Filmkunstopus verdrängt. Nicht nur der experimentelle Film ist
146  in den Untergrund gedrängt, selbst was sich vor acht Jahren unter
147  der schon historischen Wertmarke " Junger deutscher Film
148  " halbwegs unkommerziell formierte, hat sich nebst seinen
149  ausländischen Sympathisanten im Widerstand der Verleiher
150  aufgerieben. In dieser trostlosen Situation erwerben sich die
151  Fernsehanstalten zweifellos Meriten, wenn sie in einem breit
152  angelegten anspruchsvollen Programm, das auf ein Jahr hinaus
153  konzipiert ist, vor allem mit Spielfilmen aufwarten, die von
154  deutschen Verleihfirmen abgewiesen wurden, und mit Neuproduktionen,
155  die auf Grund ihres Sujets in naher Zukunft kaum in die
156  deutschen Filmtheater gelangen werden. Die ARD präsentiert bis
157  zum Ende dieses Jahres ein durchdachtes Programm, das in fünf
158  Sparten gegliedert ist und gemäß der alten Schausteller-
159  Maxime zwar jedem etwas bringt, dafür aber auch eindeutig Akzente
160  in Richtung gesellschaftskritischer internationaler Film setzt.
161  Diese Streifen werden einmal im Monat, jeweils am ersten
162  Dienstag um 21.00 Uhr ausgestrahlt. Unter ihnen sind
163  zahlreiche Produktionen, die in den Jahren 69 und 70 entstanden:
164  so wird im März als deutsche Erstaufführung Roland Galls "
165  Wie ich ein Neger wurde ", der bereits die Zuschauer in Cannes
166  und Berlin überraschte, aber bis jetzt noch nicht in unsere
167  Lichtspielhäuser gelangte, präsentiert; einen Monat später
168  Luis Bunuels ebenfalls 1970 entstandenes jüngstes Werk "
169  Tristana ", das das alte Thema des Spaniers, die Befreiung des
170  Individiums aus sozialen, religiösen und politischen Zwängen
171  nuanciert. Die Dekurierung des amerikanischen " Helden " und
172  ein Negativbild der amerikanischen Gesellschaft gibt Samuel
173  Fuller in seinem 1969 entstandenen Film " Hai " (Shark); er
174  steht im Mai auf dem Programm. Im Juni folgt der italienische
175  Film " Strategie der Spinne " (Regie: B. Bertolucci,
176  1970), eine Abrechnung mit dem italienischen Bürgertum in den
177  Tagen des Faschismus. Im Juli wird der chilenische Film " Der
178  Salpeterkrieg " (Regie: Helvio Soto, 1969) ausgestrahlt -
179  der erste Film eines jungen lateinamerikanischen Regisseurs, der
180  so eindeutig mit dem Rückgriff auf die Historie ein aktuelles
181  Anliegen verkündet: den Aufruf zur Solidarität der Völker
182  Südamerikas gegenüber ihren Ausbeutern. Der bolivianische Film "
183  Das Blut des Condors " (1969, Regie: Jorge Sanjines),
184  ist ebenfalls in die Reihe der lateinamerikanischen Arbeiten
185  einzuordnen, denen die besondere Aufmerksamkeit der ARD-
186  Filmredaktion gilt. (Sendetermin: August.) Carlos Sauras "
187  Höhle der Erinnerungen " (La Madriguera, Spanien 1969,
188  mit Geraldine Chaplin) setzt die Reihe der vier Saura-Filme
189  fort, die von der ARD bereits in lockerer Folge ausgestrahlt
190  wurden. In der Reihe " Der Studiofilm am Montag " wird im
191  März AgnŠs Vardas " Lions Love " geboten, ein Film,
192  der zweigleisig einen Teil der amerikanischen Gegenwart einfängt:
193  politischen Starkult und abbröckelnden Hollywoodmythos,
194  gesehen durch die Brille dreier Hippie-Stars. Der 1969
195  entstandene brasilianische Film " Die Erben der Macht " ("
196  Os Herdiros ", Regie: Carlos Diegues) findet sich im April
197  im Programm, ihm folgt einen Monat später ebenfalls als deutsche
198  Erstaufführung der englische Film " Lobet Marx und greift zu
199  den Waffen! " von Morris Hatton. Der Erstlingsfilm des
200  32jährigen Regisseurs ist mit geringen Mitteln produziert, in
201  brillanter Farbphotographie gehalten und von brisanter Thematik:
202  die ironische Studie eines Londoner Jungrevolutionärs, dessen
203  theoretische Begabung den Kontrast zur Realität potenziert.
204  Auch Thomas Schamonis im letzten Jahr entstandener Film " Ein
205  großer grau-blauer Vogel ", der im Juni gesendet wird, ist
206  eine Erstaufführung, ebenso der brasilianische Film " Hunger
207  nach Liebe " (von Nelson Pereira dos Santos), der am ersten
208  Julimontag gezeigt wird. Den lateinamerikanisch-
209  revolutionären Trend bestätigt auch der 1970 entstandene
210  brasilianische Streifen " Das Irrenhaus " (O Alienista)
211  desselben Regisseurs. Sergio Cittis Erstlingsfilm (er war
212  Assistent Pasolinis) " Ostia " ist eine Mixtur aus mythischem
213  und proletarischem Stoff, er erzählt eine Geschichte über Liebe
214  und Tod. Je ein kanadischer (" Ein verheiratetes Paar ", von
215  Edgar King im Oktober), ein jugoslawischer (" Grillen im
216  Kopf " von Milos Radivojevic im November) und japanischer Film
217  (" Tod durch Erhängen " von Nagisa Oshima im Dezember)
218  bereichern die Erstaufführungsskala des ersten Fernsehprogramms.
219  Die Filme, die am Sonntag und Donnerstag in unregelmäßigen
220  Abständen gesendet werden, bringen die bewährte Mischung aus
221  Action, Familienunterhaltung, Historie. Die Filme, die am
222  Samstag jeweils im Spätprogramm zu sehen sind, offerieren neben
223  Wiederholungen vor allem publikumswirksame Filmproduktionen der
224  fünfziger Jahre speziell amerikanischer Provenienz:
225  Gangstersteifen, Western, Abenteuerfilme, dazwischen immerhin
226  ein so anspruchsvoller Film wie Chabrols " Schritte ohne Spur
227  " von 1959. Auch der Italo-Western gibt mit dem ersten Film
228  der Django-Serie seinen Einstand. In seiner Gesamtheit
229  beweist das ARD-Programm für das Jahr 1971 ein Niveau,
230  das sich als beinahe lebensnotwendiges Korrelat zur
231  pornogeschwängerten Makrtenge der deutschen " Filmkunsttheater
232  " versteht. Information und Gourmandise für den Cineasten
233  verbindet sich hier auf eindringliche Weise mit dem Dienst an der
234  Gesellschaft: Das breite Publikum findet gehobene
235  Unterhaltungskost und der Individualist einen intimen Einblick in
236  jüngste Welt-Produktionen. Auslandschulen sollen gezielt
237  gefördert werden. In der Fragestunde des Bundestages hat sich
238  der parlamentarische Staatssekretär beim Bundesaußenminister,
239  Karl Mörsch, zu Fragen über die Förderung von
240  Auslandsgastspielen mit dem Osten sowie über die Förderung des
241  deutschen Schulwesens im Ausland geäußert. Mörsch stellte fest,
242  daß die Bestrebungen, den Austausch mit dem Osten zu fördern,
243  den Wechselbeziehungen von Auslandsgastspielen mit dem Westen
244  nicht abträglich sein soll. Allerdings hat sich der
245  Kulturaustausch mit den EWG-Ländern, wie etwa mit
246  Frankreich, auch auf kommerzieller Basis so gut eingespielt, daß
247  er nur in Ausnahmefällen der staatlichen Hilfe bedarf. Dagegen
248  kann ein Kulturaustausch mit dem Osten wegen der unterschiedlichen
249  Wirtschaft und Struktur nur mit deutscher staatlicher Hilfe
250  durchgeführt werden. Die Bundesregierung ist, wie Mörsch zu
251  einer anderen Frage ausführte, der Meinung, daß die Förderung
252  der deutschen Schulen im Ausland gezielter und zugleich rationeller
253  werden muß. Als kulturpolitisch besonders effektives Modell
254  bezeichnete er die zweisprachige integrierte Sekundarschule, zumal
255  sie ein sprachliches Vorbereitungsjahr einschließt. Es gibt,
256  heißt es in der Antwort weiter, sehr viel mehr Bewerber für
257  Lehrerstellen an deutschen Auslandsschulen, als es den
258  Kultusministerien lieb ist. Mörsch erinnerte an die Auffassung
259  vieler Bundestagsabgeordneter, denen die Beseitigung des
260  Lehrermangels im Inland wichtiger ist als die Beschickung von
261  Auslandsschulen mit Lehrern. Weiter teilte er mit, daß die
262  Zentralstelle für das Auslandsschulwesen in Köln zur Zeit ein
263  Reformkonzept erarbeitet, um die Struktur der Auslandsschulen den
264  deutschen Kulturpolitischen Vorstellungen sowie den Interessen des
265  Gastlandes anzupassen. Als besonders vordringlich sieht die
266  Bundesregierung folgende Aufgaben an: Die Verbesserung der
267  Vergütung einheimischer, insbesondere deutsch-sprachiger
268  Lehrer, die Förderung aller Einrichtungen zur Ausbildung
269  und Weiterbildung dieser Lehrkräfte unter besonderer
270  Berücksichtigung der drei bestehenden Lehrerseminare in Chile,
271  Argentinien und Paraguay und schließlich die Entwicklung
272  geeigneter Lehrmittel und Lernmittel für das Fach
273  Deutsch.

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