Quelle Nummer 374
Rubrik 26 : MEDIZIN Unterrubrik 26.02 : FACHWISSENSCHAFTLICH
PHYSIOLOGIE
T.ULMER/G.REICHEL/D.NOLTE
DIE LUNGENFUNKTION
PHYSIOLOGIE UND PATHOPHYSIOLOGIE
GEORG THIEME VERLAG STUTTGART 1970, S. 36-
001 Die atemmechanischen Komponenten der Ventilation sind
002 Grundvoraussetzung für die ständige Erneuerung der Luft in den
003 Alveolen und für eine weitgehend konstante Luftzusammensetzung am
004 Ort des Gasaustausches. Eine weitere Voraussetzung für den
005 Gasaustausch in der Lunge ist eine sinnvolle Anpassung der
006 Alveolenbelüftung (Ventilation) an die Alveolendurchblutung
007 (Perfusion). Der Ventilation-Perfusion-Quotient
008 drückt das Verhältnis von alveolärer Ventilation pro Minute
009 ((Formel)) zu Herzzeitvolumen ((Formel)) aus und beträgt normalerweise 0,
010 9. (Formel). Dieser Wert integriert zahllose Einzelwerte,
011 die von Alveole zu Alveole erhebliche Unterschiede aufweisen
012 können. Die Alveolen werden weder ganz gleichmäßig belüftet
013 noch ganz gleichmäßig durchblutet, so daß innerhalb bestimmter
014 Grenzen bereits physiologischerweise eine funktionelle
015 Ungleichheit der Alveolen untereinander hinsichtlich ihres
016 Ventilation-Perfusion-Verhältnisses besteht (556, 557,
017 520, 519, 517, 502). Als Ursache kommen in Frage:
018 Unterschiedliche Alveolengröße in den einzelnen
019 Lungenabschnitten (in den Spitzen größer als in den basisnahen
020 Bezirken); Regionale Pleuradruckschwankungen ((Formel) im
021 kranialen Bereich stärker negativ als in Zwerchfellnähe).
022 Ungleichmäßige Luftwegsquerschnitte innerhalb einer Atemwegs-
023 Generation. Auswirkungen der Schwerkraft auf die
024 Lungendurchblutung (Blutmenge im Stehen und Sitzen kaudal
025 deutlich größer als kranial). Lungenabschnitte die belüftet
026 werden, ohne daß ein Gasaustausch stattfindet, bezeichnen wir als
027 Totraum. Der (Formel)-Quotient des Totraumes ist gleich
028 (Formel) (da Q = O). Alveolen, die zwar belüftet, aber schlecht
029 durchblutet sind, wirken im Sinne der Vergrößerung des
030 " funktionellen Totraumes ". Dieselben Verhältnisse gelten analog
031 für die Durchblutung. Auch beim Gesunden gelangt ein kleiner
032 Teil des venösen Blutes als Folge " physiologischer "
033 Kurzschlüsse nicht bis zu den Alveolen (0-5 %). Es
034 handelt sich um intrapulmonal gelegene Shunts zwischen Arteria und
035 Vena pulmonalis und zwischen Bronchialvenen und
036 Pulmonalvenen sowie um Coronarvenenöffnungen, die in das linke
037 Herz münden (Vv. Thebessi). Für diesen kleinen
038 Blutanteil ist (Formel). Im Krankheitsfall kann das jetzt als
039 " venöse Beimischung " bezeichnete Shuntvolumen stark zunehmen;
040 V/Q wird kleiner. Errechnete " venöse " Beimischungen
041 sind meist Folge erheblich unterschiedlicher Ventilation-
042 Perfusion-Quotienten in verschiedenen Alveolarbezirken.
043 " Physiologische " Kurzschlüsse lassen sich von physiologischen
044 Verteilungsanomalien nur sehr schwer abgrenzen (26).
045 Verteilungsstörungen sind für das Verständnis der
046 Pathophysiologie fast aller Zustände mit respiratorischer
047 Insuffizienz von wesentlicher Bedeutung (20, 444, 443, 461,
048 102, 529, 517). Diffusion. Die Richtung, in der sich
049 die Gasmoleküle bewegen, ist für das Verständnis des
050 Diffusionsvorganges belanglos (Alveole-Blut oder Blut-
051 Alveole). Es genügt daher, wenn wir uns im folgenden auf die
052 (Formel)-Diffusion beschränken, da die (Formel) wegen ihrer besseren
053 Diffusionseigenschaften keine klinischen Probleme in dieser
054 Hinsicht stellt. Der Diffusionsweg des Sauerstoffs
055 beginnt in der Alveole und endet im Erythrozyten. Er kann in
056 folgende Abschnitte unterteilt werden (500, 360, 34, 361):
057 Diffusion innerhalb der Alveole (" Durchmischung ").
058 Diffusion durch die " pulmonale " oder " alveolokapilläre "
059 Membran. Diffusion durch das Blutplasma. Diffusion
060 durch die Erythrozytenmembran und chemische Bindung an Hämoglobin.
061 " Durchmischung " der Alveolarluft. Das Gasvolumen
062 der einzelnen Alveole ist bei ruhiger Atmung am Ende der
063 Inspiration um 15-20 % größer als zu Beginn. Rechnen
064 wir mit einem normalen Alveolendurchmesser von 150-250 (Formel), so
065 dauert die gleichmäßige Verteilung der neu hinzukommenden Luft
066 weniger als 1 (math.Op.) 100 Sekunde. Aus ganzkörperplethysmographischen
067 Untersuchungen ist bekannt, daß selbst höherfrequente
068 Änderungen von Alveolardruck und Alveolar volumen
069 weitgehend isotherm verlaufen, der Wärmeausgleich des Gases mit
070 der Alveolenwand geht also sehr rasch vonstatten (380). Da
071 Thermodiffusion und Konzentrationsdiffusion eines Gases einander
072 in der Größenordnung entsprechen, muß auch die Gasdiffusion
073 innerhalb der normalen Alveolen ein außerordentlich schneller
074 Vorgang sein. Eine verzögerte Durchmischung beeinträchtigt den
075 Gasaustausch allenfalls bei sehr großen Emphysemblasen; für die
076 Diffusionsverhältnisse der normalen Lunge kann dieser Faktor
077 weitgehend vernachlässigt werden. Die Untersuchung der (Formel)-
078 Diffusion darf sich somit auf die Strecke alveolokapilläre
079 Membran-Blutplasma-Erythrozyt beschränken. Das sind die
080 drei wesentlichen Faktoren, die in der gesunden Lunge die
081 Meßgröße der Diffusionskapazität (Formel) bestimmen. Wir
082 verstehen darunter die Gasdiffusion in ml (STPD) in der
083 Zeiteinheit pro mm Hg Partialdruckdifferenz zwischen Alveolarluft
084 und Erythrozyteninhalt: (Formel). Die
085 Gesamtdiffusionskapazität (Formel) setzt sich in folgender Weise
086 aus den Teilkomponenten Membrandiffusionskapazität (Formel) und
087 Erythrozyten-Diffusionskapazität (Formel) zusammen (464):
088 (Formel). (Formel) ist das mtttlere Blutvolumen im Lungenkapillarbett.
089 (Formel) erfaßt den Diffusionsweg in die Erythrozyten hinein; es
090 ist die Gasmenge in ml, die vom Vollblut bei einem Druckgefälle
091 von 1 mm Hg pro Minute aufgenommen wird. Sie hängt u. a.
092 von der Konzentration der Erythrozyten im pulmonalen Kapillarbett
093 (360, 361, 34) und der Geschwindigkeit der Gasaufnahme pro
094 Erythrozyt ab. (Formel) und (Formel) können bei Messungen von (Formel) mit der
095 CO-Methode bei verschiedenen alveolären Sauerstoffdrucken
096 errechnet werden (1). Unter Atmung von Zimmerluft setzt sich
097 (Formel) mit der CO-Methode ((Formel)) zu etwa gleichen Teilen aus
098 (Formel) und (Formel) zusammen. Die alveolokapilläre Membran, die
099 die Luftphase der Alveole gegen die Blutphase der Kapillaren
100 abgrenzt, wird von der Alveolarluft um so schneller passiert,
101 je dünner sie ist; je größer die Oberfläche des
102 Kapillarbettes ist; je besser sich das diffundierende Gas in
103 den Membranstrukturen löst; je kleiner das Molekulargewicht
104 des diffundierenden Gases ist. und entsprechen dem für die
105 alveolokapilläre Membran maßgebenden Diffusionskoeffizienten,
106 der weitgehend konstant ist. Um so größer kann im Krankheitsfall
107 die Variabilität der Faktoren a) und b) sein. Es ist
108 bislang nicht möglich, die einzelnen Komponenten der
109 Membrandiffusion getrennt zu bestimmen; ja selbst die
110 Gesamtdiffusionskapazität (Formel) stellt einen meßtechnisch
111 schwierigen und im Krankheitsfall schlecht zu interpretierenden
112 Parameter der Lungenfunktion dar, weil bereits kleinere
113 Veränderungen des (Formel)-Verhältnisses mit in die Messung der
114 (Formel) eingehen. Die als " Normwert " angegebenen Zahlen weichen
115 daher je nach Untersucher, angewandter Methode und
116 Untersuchungskollektiv erheblich voneinander ab. Die
117 Diffusionskapazität der gesunden Lunge beträgt: (Formel). Es
118 handelt sich nicht um einen Maximalwert (die Bezeichnung
119 Diffusionskapazität ist etwas unglücklich). Unter körperlicher
120 Belastung nimmt die (Formel) zu, weil zusätzliche Gefäßgebiete
121 eröffnet werden, die in Ruhe wenig durchblutet sind. Hierdurch
122 wird die Kapillaroberfläche vergrößert (39, 405, 406). Die
123 (Formel) wird weiterhin vom Körperbau, vom aktuellen Lungenvolumen,
124 vom Alter und von der Körperlage beeinflußt. (Formel)-
125 Diffusion.. Die (Formel) diffundiert wegen ihrer wesentlich besseren
126 Löslichkeit 20 mal schneller als der Sauerstoff. Für die
127 Pathophysiologie haben daher Diffusionsstörungen der Kohlensäure
128 so gut wie keine Bedeutung. Gastransport. Sauerstoff.
129 Der Sauerstoff, der von der atmosphärischen Luft über die
130 Ventilation in die Alveolen und von dort durch Diffusion in die
131 Lungenkapillaren gelangt ist, wird durch einen besonderen
132 Transportmechanismus zum Gewebe gebracht. Wenn das Kapillarblut
133 die Alveole verläßt, entspricht der Partialdruck der in ihm
134 gelösten Gase weitgehend den Verhältnissen in der Alveolarluft,
135 d. h. der (Formel) im arteriellen blut beträgt im
136 Idealfall 100 mm Hg. Dieser Wert nimmt im Laufe des Lebens
137 kontinuierlich ab, da sich ventilatorische und hämodynamische
138 Inhomogenitäten immer stärker bemerkbar machen (477, 517, 324).
139 In einer Flüssigkeit wird von einem bestimmten Gas um so mehr
140 gelöst, je größer dessen Gasdruck (Partialdruck) ist. Bei
141 einem Druck von 50 mm Hg ist wegen der linearen Beziehung halb
142 soviel (Formel) im Blut physikalisch gelöst wie bei einem Druck
143 von 100 mm Hg. Im Gegensatz zur Kohlensäure ist aber der
144 Sauerstoff in Flüssigkeiten so schlecht löslich, daß der (Formel)
145 -Bedarf des Organismus dadurch allein nicht gedeckt werden kann.
146 Bei einem (Formel)-Partialdruck von 100 mm Hg sind in 100 ml
147 Blut nur 0,3 ml (Formel) physikalisch gelöst. Beim Atmen reinen
148 Sauerstoffs mit einem Überdruck von 3 Atmosphären würde der
149 physikalisch gelöste Teil des Sauerstoffs den Ruhebedarf des
150 Organismus decken. Man macht sich diese Möglichkeit z.B.
151 für die Behandlung der CO-Vergiftung, bei der das
152 Hämoglobin als Sauerstoffträger ausgefallen ist, zunutze. Erst
153 das Hämoglobin (Hb) der Erythrozyten, mit dem der
154 Sauerstoff eine chemische Bindung eingeht ((Formel)), ermöglicht
155 einen ausreichenden (Formel)-Transport von der Lunge zu den
156 Körperzellen. 1 g Hämoglobin kann 1,34 ml (Formel) chemisch
157 binden; das sind in 100 ml Blut ca. (Formel) (Sauerstoff
158 " Kapazität " des Blutes). Wie die physikalische Löslichkeit,
159 so hängt auch die (Formel)-Sättigung des Hämoglobins vom
160 Sauerstoffdruck ab. Die " Dissoziationskurve " des Hb
161 für (Formel) ergibt jedoch keine Gerade. Sie zeigt einen S-
162 förmigen Verlauf mit einer im oberen Bereich stark abnehmenden
163 Steigung. Das hat für den Gasaustausch den Vorteil, daß eine
164 Verringerung des arteriellen (Formel) von 100 auf 60 mm Hg eine
165 Verminderung der (Formel)-Sättigung des Hb auf nur 90 % zur
166 Folge hat - ein Wert, bei dem noch keine hypoxischen Störungen
167 zu befürchten sind. Bei vermindertem Hämoglobingehalt des
168 Blutes nimmt der arterielle (Formel)-Gehalt (Volumen %)
169 entsprechend ab. Der Hb-Sättigungsprozentwert bleibt aber
170 gleich, wenn der (Formel)-Partialdruck konstant bleibt. Die
171 Umrechnung von (Formel)-Sättigungsprozent des Blutes in (Formel)-
172 Gehalt kann nach der Formel erfolgen: (Formel). Im Gewebe
173 herrscht ein (Formel) von ca. 40 mm Hg; das Hb gibt entsprechend
174 dem Partialdruckgefälle (Formel) ab. Dieser Vorgang wird durch einen
175 Mechanismus unterstützt, der als BOHR-Effekt bezeichnet
176 wird. Die (Formel)-Dissoziationskurve ist etwas " nach rechts
177 verschoben ", wenn das Blut- (Formel) durch die aus den
178 Gewebszellen freiwerdende (Formel) " saurer " wird. Daraus ergibt
179 sich, daß bei gleichem (Formel) das Hb weniger Sauerstoff bindet; es
180 kann mehr (Formel) an die Gewebszellen abgegeben werden. Nach neueren
181 Untersuchungen ist der BOHR-Effekt keine einfache (Formel)-
182 wirkung sondern eine spezifische (Formel)-Wirkung. Das
183 venöse Mischblut hat im Mittel einen (Formel) von 40 mm Hg, eine
184 (Formel)-Sättigung des Hb von 75 % und einen Gesamt- (Formel)
185 -Gehalt von ca. 15 Vol. % gegenüber 20 Vol. %
186 im arteriellen Blut. An die Gewebszellen werden also ca. 5
187 Vol. % abgegeben. Dieser Wert wird als arteriovenöse
188 Sauerstoffdifferenz bezeichnet. Sie steigt unter Belastung an,
189 weil das Herzzeitvolumen dem Mehrbedarf des Gewebes an Sauerstoff
190 nicht entsprechend ansteigt und damit die Sauerstoff
191 " Ausschöpfung " des Kapillarblutes größer werden muß. (Formel)
192 -Transport.. Die Kohlensäure löst sich im Blut etwa 20
193 mal besser als der Sauerstoff. Trotzdem reicht - wie Abb. 25
194 zeigt - auch für den Transport der (Formel) die physikalische
195 Löslichkeit nicht aus. Wie der Sauerstoff wird die
196 Kohlensäure zum größten Teil chemisch gebunden. Die Vorgänge
197 sind etwas verwickelter als bei der Sauerstoffbindung. Wieder
198 spielt der rote Blutfarbstoff, das Hämoglobin, eine
199 entscheidende Rolle. Abb. 26 zeigt schematisch die Prozesse,
200 die sich im Gewebe abspielen. Denkt man sich sämtliche Pfeile in
201 umgekehrter Richtung, so entspricht das Bild den Vorgängen in
202 der Lunge. Die (Formel) diffundiert im Gewebe in Richtung des
203 Druckgefälles aus den Körperzellen durch das Blutplasma in den
204 Erythrozyten hinein. Hier wird die Kohlensäure über drei
205 Mechanismen gebunden. Ein kleiner Teil der (Formel) wird in den
206 Erythrozyten physikalisch gelöst. Ein größerer Teil der
207 (Formel) verbindet sich mit den (Formel)-Gruppen des Hb unter Bildung
208 von Karbaminoverbindungen. Ein weiterer Teil der (Formel) bildet
209 mit (Formel). Durch ein in den Erythrozyten vorhandenes Ferment, die
210 Karboanhydrase, wird diese Reaktion stark beschleunigt. (Abb.) (Formel)
211 dissoziiert in (Formel) und (Formel), Die (Formel)-Ionen werden vom Hb
212 gepuffert. Dabei wirkt sich vorteilhaft aus, daß gleichzeitig (Formel)
213 die Erythrozyten verläßt. Es entsteht dabei reduziertes
214 Hämoglobin, das " alkalischer " ist und daher mehr (Formel)-
215 Ionen binden kann. Dieser sog. HALDANE-Effekt wirkt
216 sich für die Bindung der (Formel) ebenso günstig aus wie der BOHR
217 -Effekt für die Bindung des (Formel). Die vermehrt im
218 Erythrozyten anfallenden (Formel)-Ionen diffundieren auf der
219 Strecke zwischen Körperperipherie und Lunge entsprechend dem
220 Konzentrationsgefälle ins Plasma. Wenn die Diffusion der
221 Anionen von der Diffusion einer gleichen Anzahl Kationen (z.B.
222 (Formel)) begleitet wäre, bliebe die elektrische Neutralität
223 des Erythrozyten erhalten. Die Erythrozytenmembran ist für
224 Kationen aber schlecht permeabel. Daher müssen statt dessen zum
225 Austausch gegen (Formel) - andere Anionen (Formel) - vom Plasma in die
226 Erythrozyten hineinwandern (" Chlorverschiebung "). Auch im
227 Plasma wird die (Formel) physikalisch gelöst, an Bikarbonat
228 oder an (Formel)-Gruppen der Plasmaproteine gebunden. Quantitativ
229 stehen jedoch die Vorgänge im Erythrozyten ganz im Vordergrund.
230 Die in Abb. 25 dargestellte (Formel)-Bindungskurve zeigt, daß
231 im Unterschied zum Sauerstoff geringe Veränderungen des (Formel)-
232 Partialdrucks bereits zu erheblichen Veränderungen der im Blut
233 gebundenen (Formel)-Menge führen. Der Kohlensäuredruck liegt
234 daher im venösen Blut mit 46-48 mm Hg nur wenig über
235 dem arteriellen Wert von 40 mm Hg. Lunge und Säure-
236 Basen-Haushalt. Die Lunge ist das wichtigste
237 Exkretionsorgan für säure Valenzen. Die Niere scheidet pro
238 Tag nur 40-80 mval (fixe Säuren) aus, die Lunge aber ca.
239 13 000 mval ((Formel)). Eine metabolische Azidose des Blutes
240 kann daher über eine vermehrte (Formel)-Abgabe respuratorisch
241 weitgehend ausgeglichen (" kompensiert ") werden. Das
242 Puffersystem (Formel) ist für das aktuelle Blut- (Formel) von
243 ausschlaggebender Bedeutung. Sämtliche Veränderungen im Säure
244 -Basen-Haushalt lassen sich über das Verhalten des
245 metabolischen Anteils (Bikarbonat) zum respiratorischen Anteil
246 (Kohlensäure) erklären. Einzelheiten gehen aus Abb. 27 und
247 28 hervor. Alle Abweichungen des arteriellen Kohlensäuredruckes
248 vom Normwert (37-44 mm Hg) entlang der
249 Kohlensäuredissoziationskurve sind respiratorischer Natur.
250 Abweichungen des aktuellen Blutwertes von der
251 Kohlensäuredissoziationskurve nach oben oder unten sind
252 metabolischer Natur. Hierbei kann eine respiratorische
253 Störung metabolisch kompensiert werden; die metabolische
254 Kompensation tendiert in Richtung (Formel)-Normalisierung. Es
255 kann auch eine primäre metabolische Alkalose vorliegen, die
256 respiratorisch ebenfalls noch nicht vollständig kompensiert ist.
257 Auch die respiratorische Kompensation tendiert vor allem zur
258 Normalisierung der Wasserstoffionenkonzentration.
259 Atemregulation. Auch die Atmung wird durch Regelkreise
260 gesteuert, in denen Erfolgsorgan und übergeordnetes Zentrum sich
261 gegenseitig induzieren oder bremsen. Sobald die Leistung der an
262 der Respiration beteiligten Strukturen nicht den Anforderungen
263 entspricht, wird über propriorezeptive Reflexe, über
264 Dehnungsrezeptoren oder über den Blutchemismus durch Einschaltung
265 übergeordneter Zentren (" Atemzentrum ") eine
266 Leistungssteigerung stimuliert. Darüber hinaus ist die Atmung
267 durch eine Rhythmik gekennzeichnet, die eigenständig im
268 Zentralnervensystem terminiert ist. Die wichtigsten Schaltstellen
269 für die Atemregulation befinden sich im verlängerten Mark und in
270 der Brückenregion, von den in den entsprechenden Segmenten im
271 Rückmark umgeschalteten propriorezeptiven Reflexen abgesehen (554,
272 225, 165). Eine größere Ganglienzellansammlung, die man
273 analog den Hirnnervenkernen als das Atemzentrum im
274 anatomischen Sinne ansprechen könnte, gibt es nicht.
275 Stereotaktische Experimente am Tier haben ergeben, daß Impulse
276 aus dem unteren Bereich der Formatio reticularis inspiratorisch
277 wirken, während von der Gegend der oberen Formatio reticularis
278 exspiratorisch wirkende Impulse ausgehen (549). Die
279 Rhythmizität der Atmung geht nicht - wie am Herzen - auf
280 einen Schrittmacher zurück. Wahrscheinlich handelt es sich um
281 einen von der unteren Formatio reticularis, also vom Inspirations
282 -" Zentrum " ausgehenden, rein tonischen Impuls, der
283 oberhalb eines bestimmten Schwellenwertes durch Impulse aus der
284 Brückengegend (" Pneumotaxie-Zentrum ") (328)
285 unterbrochen wird (574). Es ist offen, ob die meist am Tier
286 gewonnenen Ergebnisse ohne Einschränkung auf den Menschen
287 übertragen werden können. An den prinzipiellen Ergebnissen
288 dürfte aber kein Zweifel sein.
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