Quelle Nummer 373
Rubrik 15 : GEOGRAPHIE Unterrubrik 15.22 : GEOGRAPHIE
RELIEFENTWICKLUNG
OTMAR SEUFFERT
DIE RELIEFENTWICKLUNG DER GRABENREGION SARDINIENS
EIN BEITRAG ZUR FRAGE DER ENTSTEHUNG VON FUSS-
UND FUSSFLAECHENSYSTEMEN
WUERZBURGER GEOGRAPHISCHE ARBEITEN HEFT 24
GEOGRAPHISCHES INSTITUT DER UNIVERSITAET WUERZBURG
1970, S.48-
001 Der Einfluß tektonischer Bewegungen auf die Gestaltung
002 der Fußflächenstockwerke im Campidano und Cixerri-Becken.
003 Im Campidano und Cixerri-Becken begann die Anlage eines
004 Fußflächensystems wie in den meisten Fußflächenbereichen im
005 Jungtertiär/Ältestquartär mit der Bildung der
006 Initialfußfläche. Ihre erhalten gebliebenen Reste finden wir
007 heute als Dachfußfläche in den peripheren Grabenregionen
008 (Cixerri-Becken, Ostcampidano, Nordwestcampidano
009 und Südwestcampidano). Sie sind überall durch intensive und
010 tiefgründige Verwitterung (Ferritisierung) ausgezeichnet,
011 besitzen stets tertiäre Sedimente oder Vulkanite der
012 Grabenfüllungen als geologisches Substrat und können von allen
013 jüngeren Fußflächen (terrassen) durch die wesentlich bessere
014 Zurundung ihres Deckmaterials gut unterschieden werden. Im
015 tektonisch labilen inneren Campidano fehlen dagegen Reste dieser
016 Initialflußfläche fast völlig. Dort bildet eine jüngere
017 Fußfläche das Dach des Reliefs, die nach
018 Verwitterungsintensität und Materialaufbau (zusammensetzung,
019 Korngröße und Zurundung der Deckschotter) als ein Pendant der
020 ältesten, flächenhaft verbreiteten Fußflächenterrasse bzw.
021 Fußflächen etage in den peripheren Grabenregionen
022 angesehen werden darf. Sie ist mit ziemlicher Sicherheit
023 rißzeitlicher Entstehung, da sie im Umkreis des Golfes von
024 Cagliari verschiedentlich von riß/würmzeitlichem, marinen
025 Material angeschnitten wird. Von der Dachfußfläche in den
026 äußeren Grabenzonen ist diese " innere Dachfußfläche " durch
027 die sehr viel geringere Zurundung ihres Deckmaterials, sowie vor
028 allem durch ihr gänzlich anderes Substrat unterschieden. Dies
029 besteht nämlich nicht - wie bei der Initialflußfläche in den
030 peripheren Grabenregionen - aus flyschartigen Tertiärsedimenten,
031 sondern aus gutgerundeten Grobschottern jüngeren
032 (villefranchezeitlichen oder altquartären) Alters. Wir ziehen
033 daraus den durch geologische Indizien untermauerten Schluß, daß
034 die Initialfußfläche ehemals auch das innere Campidano überzog,
035 dort aber im Verlauf des Altquartärs aus tektonischen Gründen
036 (Absenkung des inneren Campidano) " untertauchte " und mehr oder
037 weniger stark von Akkumulationsmaterial überdeckt wurde. Dies
038 wurde dann später zum Substrat einer neuen, jüngeren
039 (rißzeitlichen) Fußfläche, die heute die Dachfußfläche des
040 inneren Campidano bildet. Diese Schlußfolgerung wird durch
041 einige wenige Reste der Initialfußfläche am Ostrand des inneren
042 Campidano bekräftigt, die als basaltüberdeckte " Horste "
043 inmitten des Senkungsfeldes erhalten geblieben sind. Ihre
044 Existenz und ihre Lage im Kreuzungsbereich mehrerer tektonischer
045 Leitlinien bestätigen einerseits die vormalige Verbreitung der
046 Initialfußfläche im inneren Campidano und beweisen andererseits
047 deren spätere Absenkung. Einen wichtigen Hinweis auf das Alter
048 dieser Absenkung ermöglichen schließlich die Basalte, die diesen
049 Resten der Initialfußfläche im inneren Campidano auflagern,
050 denn ihre Förderung muß - da diese Vulkanitdecken mitverstellt
051 sind - der Absenkung vorausgegangen sein. Das Alter dieser
052 Basalte aber ist höchstwahrscheinlich mindelzeitlich, da
053 vollkommen gleichartige Laven am Nordwestrand des inneren
054 Campidano einer marinen 60-m-Terrasse auflagern, die
055 aufgrund ihrer Höhenlage als günz/mindelzeitlich (Milazzo)
056 angesehen werden muß. Damit verbleibt für die postbasaltische
057 Absenkung des inneren Campidano eine Zeitspanne, die etwa vom
058 Mindel bis zum Ende der Mindel/Riß-Warmzeit reicht.
059 Gleichviel nun, wann die Absenkung tatsächlich vonstatten ging,
060 sie bewirkte während dieser Zeit in jedem Fall eine Unterbrechung
061 klimabedingter Reliefentwicklung (Fußflächenbildung) und
062 führte außerdem dazu, daß evtl. vorhandene altquartäre
063 (günzzeitliche und mindelzeitliche) Fußflächenterrassen
064 weitgehend beseitigt, d. h. überschüttet (im
065 Senkungsflügel des inneren Campidano) oder zerschnitten (in den
066 Hebungsgebieten der peripheren Grabenregionen) wurden. Dies wird
067 durch den morphologischen Befund nachhaltig unterstrichen, denn
068 altquartäre Fußflächen (terrassen) finden sich heute nur (noch)
069 in den peripheren Grabenregionen (d. h. den zumindest
070 relativ zum inneren Campidano gehobenen Gebieten) und auch da nur
071 an ganz wenigen Stellen, an denen sie durch besonders günstige
072 Umstände vor späterer Zerstörung (Zerschneidung) bewahrt
073 blieben. In der Rißkaltzeit und danach dominierte dann im
074 Bereich der größeren Flüsse wieder der normale, klimagesteuerte
075 Rhythmus der Reliefentwicklung, d. h. im Riß herrschte
076 Lateralerosion (Fußflächenbildung) vor, im Riß/Würm
077 Tiefenerosion, im Würm wieder Lateralerosion und im Holozän
078 schließlich erneut lineare Erosion. Zwei deutlich voneinander
079 getrennte, rißzeitliche resp. würmzeitliche
080 Fußflächen (terrassen) zeugen von dieser Abfolge. Sie sind
081 sowohl im inneren Campidano, als auch in den peripheren
082 Grabenregionen vorhanden. Beide können aufgrund ihrer
083 unterschiedlichen Verwitterung sehr gut voneinander unterschieden
084 werden. Nur die rißzeitliche Fußfläche bzw.
085 Fußflächenterrasse besitzt nämlich noch einen gut ausgebildeten
086 ferritischen Boden. Die würmzeitlichen Oberflächen weisen
087 dagegen keinerlei autochthone Ferritisierung mehr auf. Sie
088 besitzen stattdessen einen grauen oder braunen Boden, der kaum
089 irgendwo eine Gesamtmächtigkeit von 10 bis 30 cm übersteigt.
090 Außerdem fehlen den würmzeitlichen Fußflächen (terrassen) im
091 Gegensatz zu den rißzeitlichen und älteren Formen
092 Krustenbildungen (Kalkkrusten) sowohl an der Oberfläche, als
093 auch im Profil. Die Gründe für das Fehlen autochthoner
094 ferritischer Verwitterungsböden auf den würmzeitlichen
095 Fußflächen (terrassen) sind ohne Schwierigkeiten erkennbar.
096 Diese Oberflächen unterlagen nämlich im Gegensatz zu allen
097 älteren nach ihre Bildung nicht mehr ausgesprochen feuchtzeitlichen,
098 sondern nur noch trockenzeitlichen Verwitterungsbedingungen. Bei
099 Niederschlagsmitteln von 400 bis 600 mm aber, wie sie heute und
100 sicherlich die meiste Zeit des Holozäns herrschten, konnte kein
101 ferritischer Boden entstehen, sondern allenfalls eine mediterrane
102 Braunerde. Diese bildet zwar auch auf den älteren Fußflächen
103 (terrassen) das Dach des Bodenprofils, doch tritt dort schon bei
104 Beackerung und erst recht an Geländeeinschnitten der mächtige
105 ferritische Unterböden zutage. Auch das Fehlen von
106 Krustenbildungen auf den würmzeitlichen Fußflächen (terrassen)
107 ist auf die Niederschlagverhältnisse des Holozäns
108 zurückzuführen. In diesem Fall aber waren die vorhandenen 400
109 bis 600 mm Regen nicht zuwenig-wie bei der Ferritisierung -,
110 sondern zuviel, d. n h. eine Kalkkrustenbildung - die nach
111 E. Rutte (1960) etwa 150 bis 300 mm Niederschlag
112 erfordert - unterblieb, weil es dazu nach Anlage der
113 Würmfußfläche zu feucht war. Das rißzeitliche bzw.
114 würmzeitige Alter dieser beiden jüngsten Fußflächen
115 (terrassen) steht außer Frage. Es kann bei beiden durch die
116 stratigraphischen Beziehungen zu marinen, riß/würmzeitlichen
117 Terrassen - die von rißkaltzeitlichem Material unter
118 zeitlichem und von würmzeitlichem überlagert werden -
119 zuverlässig festgelegt werden. Damit ergibt sich als Fazit eine
120 Dreiteilung der Reliefentwicklung in unserem Untersuchungsgebiet;
121 nämlich: ausschließlich klimabedingte Morphogenese im
122 Jungtertiär/Ältestquartär, überwiegend tektonisch
123 gesteuerte Reliefentwicklung im Altquartär, sowie erneute
124 Dominanz klimatischer Faktoren im Mittelquartär und
125 Jungquartär. Das Ergebnis dieser Abfolge ist eine
126 Beschränkung der Zahl flächenhaft verbreiteter Fußflächen bzw.
127 Fußflächenterrassen auf zwei im inneren Campidano, sowie
128 drei in den peripheren Grabenregionen (Cixerri-Becken, Ost
129 Campidano, Südwestcampidano und
130 Nordwestcampidano). Diese entstammen im erstgenannten Bereich
131 dem Riß und Würm. In den anderen Gebieten kommt zu diesen die
132 jungtertiär/ältestquartäre Initialfußfläche hinzu.
133 Außerdem existieren in beiden Bereichen verschwindend geringe
134 Reste je einer weiteren Fußflächengeneration bzw.
135 Fußflächenterrassengeneration, die im inneren Campidano dem
136 Jungtertiär/Ältestquartär, in den peripheren
137 Grabenregionen dagegen dem Altquartär (Günz oder Mindel)
138 angehört. Ein Vergleich all dieser Fußflächen (terrassen)
139 mit dem Ziel einer groben Rekonstruktion der Klimageschichte zeigt,
140 daß lediglich die jungtertiär/ältestquartäre
141 Initialfußfläche durch die wesentlich bessere Zurundung ihres
142 Materials eine Sonderstellung gegenüber allen jüngeren,
143 kaltzeitlichen Fußflächen (terrassen) einnimmt. Die
144 Letztgenannten untereinander sind dagegen alle ähnlich aufgebaut.
145 Verantwortlich für diese Ausnahmestellung der Initialfußfläche
146 sind zweifellos die unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse im
147 Jungtertiär/Ältestquartär im Vergleich zu denen in den
148 pleistozänen Kaltzeiten. Die bessere Zurundung der Schotter der
149 Initialfußfläche erklärte sich dabei u. E. aus der
150 während ihrer Bildungszeit im ganzen gesehen größeren Bedeutung
151 chemischer Verwitterung (höhere Temperaturen, teilweise höherer
152 Niederschlag), aus dem geringeren oder fehlenden Anteil von
153 Solifluktionsmaterial an der Transportlast der Fließgewässer
154 dieser Zeit, sowie aus der damals mindestens zeitweilig höheren
155 Abflußmenge. Die morphologische Bedeutung eustatischer
156 Meeresspiegelschwankungen. Gleich allen anderen Ozeanen
157 schwankte im Quartär auch der Pegel des Mittelmeeres in
158 Abhängigkeit vom Aufbau und Abbau der großen
159 Inlandeise und Gebirgsvergletscherungen, d. h. er sank zu
160 Beginn der pleistozänen Kaltzeiten und stieg an deren Ende wieder
161 an. Die Amplituden dieser Meeresspiegelschwankungen blieben im
162 Lauf des Quartärs wenigstens in etwa gleich ((math.Op.) 100 m). Die
163 absoluten Spiegelstände aber sanken von Warmzeit zu
164 Warmzeit und von Kaltzeit zu Kaltzeit, nahezu
165 kontinuierlich ab. Morphologische Folgeerscheinungen löste dieses
166 Geschehen - wenn überhaupt - vor allem dann aus, wenn der
167 Meeresspiegel in Bewegung war, also in den Frühglazialen ((math.Op.)
168 Erosion) und Spätglazialen ((math.Op.) Akkumulation). In den
169 langdauernden Stillstandslagen in den Hochglazialen (tief) und
170 Interglazialen (hoch) dominierten dagegen u. E. auch im
171 Einflußbereich eustatischer Meeresspiegelschwankungen insgesamt
172 gesehen die klimatisch gesteuerten morphologischen Vorgänge.
173 Zeugen " eustatischer " Erosion und Akkumulation finden wir an
174 den Küsten und in küstennahen Bereichen des Mittelmeergebietes.
175 Zu ihnen zählen insbesondere eustatische Flußterrassen oder
176 Terrassentreppen, die ein oder mehreren Meereshochständen
177 zugeordnet werden können. Derartige eustatische Flußterrassen
178 sind auch in vielen Fußflächengebieten vorhanden und bilden dort
179 neben den Fußflächenterrassen ein charakteristisches
180 morphologisches Element. Beide Terrassengruppen sind indes i.d.
181 Regel räumlich getrennt, da Fußflächenterrassen vom
182 Gebirgsrand nach abwärts, eustatische Flußterrassen dagegen vom
183 Meeresspiegel bzw. von subsequenten Sammeladern flußaufwärts
184 konvergieren. Nur in küstennahen Gebieten kommt es gelegentlich
185 zu einer Interferenz beider Terrassengruppen. Auch in diesen
186 Bereichen sind sie jedoch gut von einander zu unterscheiden, denn
187 Fußflächenterrassen sind kaltzeitliche Erosionsterrassen mit
188 relativ geringmächtigen, wenig oder kaum geschichteten
189 Materialdecken, eustatische Terrassen dagegen warmzeitliche
190 Akkumulationsterrassen mit vergleichweise wesentlich mächtigeren,
191 gut geschichteten Schotterkörpern. Zudem steht auch in diesen
192 Fällen das flußabwärtige Konvergieren der einen (der
193 Fußflächenterrassen) dem Divergieren der anderen (eustatische
194 Terrassen) gegenüber. Auch in unserem Untersuchungsgebiet
195 fehlen Einflüsse der Meeresspiegelschwankungen nicht. Das
196 Ausmaß " eustatischer " Erosion und Akkumulation blieb jedoch
197 verhältnismäßig gering und außerdem räumlich beschränkt. Nur
198 im Südostcampidano und Südwestcampidano traten solche
199 Geschehnisse spürbar in Erscheinung, während sie im inneren
200 Campidano, im Cixerri-Becken, sowie im größten Teil des
201 Ostcampidano entweder ganz fehlen oder von sehr untergeordneter
202 Bedeutung waren. Dies mag auf den ersten Blick verwundern, da
203 die Entfernung zum Meer in allen Teilen unseres
204 Untersuchungsgebietes verhältnismäßig gering ist, so daß man
205 meinen sollte, daß Spiegelschwankungen von 100 und mehr Meter zu
206 verbreiteten und umfangreichen negativen Verlagerungen der
207 Erosionsbasis und damit auch zu beträchtlichen und außerdem
208 überall (an allen Küsten) spürbaren morphologischen
209 Rückwirkungen hätten führen müssen. Wenn wir jedoch
210 berücksichtigen, daß der küstennahe Meeresboden sowohl in der
211 Bucht von Cagliari, als auch in der von Oristano sehr flach
212 abdacht, dann haben wir damit schon den Hauptgrund für die
213 bescheidene quantitative Bedeutung eustatischer
214 Meeresspiegelschwankungen. Jede Absenkung des Meeresspiegels
215 wurde nämlich wegen dieses flachen Schelfabfalls von einer so
216 umfangreichen meerwärtigen Verschiebung der Küstenlinie begleitet,
217 daß die Gesamtlänge der Flußläufe, die das Meer erreichten
218 - und nur diese konnten ja von einer Spiegelschwankung betroffen
219 werden - beträchtlich vergrößert wurde. Aus diesem Grund
220 blieb die tatsächlich kaltzeitliche Tieferlegung der Erosionsbasis
221 - die ja immer im Zusammenhang mit dem Gesamtprofil der
222 betroffenen Flüsse gesehen werden muß - relativ gering. Sie
223 konnte demnach auch nur einen geringen Einfluß auf die
224 Reliefentwicklung nehmen. Hinzu kommt, daß die Absenkung des
225 Meeresspiegels im Bereich des inneren Campidano wenigstens
226 zeitweilig durch tektonische Absenkung kompensiert wurde und damit
227 morphologisch vollkommen unwirksam blieb. Berücksichtigen wir
228 dabei, daß außer dem Südwestcampidano und
229 Südostcampidano unser gesamtes Untersuchungsgebiet direkt oder
230 indirekt über das innere Campidano entwässert - also von dieser
231 " tektonischen Verhinderung " eustatischer Tiefenerosion
232 mitbetroffen wurde - dann haben wir damit auch die Erklärung für
233 die weitgehende räumliche Beschränkung eustatisch bedingter
234 morphologischer Geschehnisse. Nur im Südwestcampidano
235 und Südostcampidano finden wir deutliche morphologische Zeugen der
236 Meeresspiegelschwankungen in Form einiger weniger eustatischer
237 Flußterrassen. Diese sind wegen der geringen Tiefe beider
238 Bereiche den Fußflächenterrassen dieser Gebiete
239 zwischengeschaltet. Sie können jedoch aus schon genannten
240 Gründen von diesen unterschieden werden. Ihr Alter ist mit einer
241 Ausnahme riß/würmzeitlich (Verzahnung mit riß/
242 würmzeitlichem, marinen Material). Einen weiteren Beweis für
243 den Einfluß eustatischer Meeresspiegelschwankungen auf die
244 Reliefentwicklung im Südwestcampidano und
245 Südostcampidano liefert die Existenz mehrgliedriger
246 Fußflächenstockwerke in beiden Gebieten. Diese Stockwerke
247 besitzen nämlich ein so niedriges Hinterland (unter 600 Meter),
248 daß eine normale Entstehung durch klimabedingtes Alternieren von
249 Fußflächenbildung (in den Kaltzeiten) und Tiefenerosion (in
250 den Warmzeiten) nicht möglich war. Die Ursachen für den
251 Wechsel von Fußflächenbildung und Tiefenerosion - der zur
252 Ausbildung eines Fußflächenstockwerks unumgänglich ist -
253 mußten deshalb in beiden Gebieten tektonischer und/oder
254 eustatischer Natur gewesen sein. Da nun eine tektonisch bedingte
255 Zerschneidung in den fraglichen Bereichen nur im Verlauf des
256 Altquartärs möglich war, muß mindestens die jüngere
257 Zerschneidungsphase - die der Anlage der jüngsten
258 Fußflächenterrasse vorausging - durch " Eustatische
259 Tiefenerosion " verursacht worden sein. Die verhältnismäßig
260 geringe Bedeutung eustatischer Meeresspiegelschwankungen für die
261 Gestaltung des Fußflächenreliefs in unserem Untersuchungsgebiet
262 kann somit - zusammenfassend betrachtet - mit der geringen
263 Neigung der küstennahen Schelfbereiche sowie mit der großen
264 Bedeutung tektonischer Vorgänge begründet werden. Das erklärt
265 zugleich, warum Fußflächengebiete mit steiler geneigtem Schelf
266 und fehlenden oder geringen tektonischen Bewegungen weit stärker
267 von den eustatischen Meeresspiegelschwankungen mitgestaltet wurden
268 als unser Gebiet. Ihr Einfluß konnte in solchen Bereichen sogar
269 soweit gehen, daß allein aufgrund der Meeresspiegelschwankungen
270 eine Terrassierung des Fußflächenreliefs ausgelöst wurde.
271 Die Reliefentwicklung im Campidano und Cixerri-Becken.
272 Das Cixerri-Becken. Schon ein erster Blick von
273 einem erhöhten Standpunkt am Ostrand des Cixerri-Beckens
274 zeigt uns, daß gerade in diesem Seitengraben die bestausgebildeten
275 Fußflächen und Fußflächenterrassen unseres gesamten
276 Untersuchungsgebietes vorhanden sind; weitaus bessere jedenfalls,
277 als in vielen Bereichen des Hauptgrabens. Diesen Unterschied im
278 Relief beider Gräben hat auch J. Pelletier schon
279 gesehen, doch hat er ihn im Unterschied zu uns dahingehend gedeutet,
280 daß nur das Cixerri-Becken in seiner Gesamtheit von einem
281 echten Fußflächenrelief überzogen sei, während im eigentlichen
282 Campidano nur Teilregionen diesem Relieftypus angehörten. Wir
283 sind demgegenüber der Meinung, daß beide Grabenregionen überall
284 ein Glacisrelief besitzen, wobei nur dessen Aufbau im Cixerri-
285 Becken weitaus regelhafter ist als im Campidano. Bei näherem
286 Zusehen erweist sich dieses Relief im Cixerri-Becken als eine
287 nur gelegentlich unterbrochene Folge stockwerkartig über
288 einandergeschachtelter und hintereinandergeschachtelter
289 Fußflächengenerationen, die sowohl in ihrer Form, als auch im
290 Materialaufbau weitgehend unseren Idealvorstellungen entsprechen.
291 In der Regel sind dabei drei Fußflächen(terrassen)generationen
292 vorhanden. Dies sind ein Dachglacis, sowie zwei darin eingesenkte
293 bzw. vorgeschaltete Fußflächenterrassen bzw.
294 Fußflächen etagen. Eine mögliche vierte
295 Glacis(terrassen)generation, die zwischen das Dachglacis und die
296 beiden genannten eingeordnet werden müßte, ist nur lokal und
297 überdies sehr rudimentär ausgebildet. Sie kann deshalb nicht als
298 gesichert gelten. Das Alter dieser Glacis bzw.
299 Glacisterrassen läßt sich durch die Korrelation mit
300 entsprechenden Formen im Campidano recht gut festlegen. Das
301 älteste, höchstgelegene Glacis (Dachglacis), das in weiten
302 Teilen des Cixerri-Beckens erhalten und durch sein gut
303 gerundetes Material ausgezeichnet ist, entspricht zweifellos der
304 Initialfußfläche und gehört demnach in das Jungtertiär/
305 Ältestquartär. Die beiden darin eingesenkten bzw.
306 grabenwärts vorgeschalteten, flächenhaft verbreiteten
307 Glacisterrassen bzw. Glacis etagen, die im Gegensatz
308 zum Dachglacis ein besonders eckiges Material besitzen, können
309 wir ins Mittelquartär und Jungquartär (Riß und
310 Würm) stellen. Dies wird bei beiden durch die Verknüpfung mit
311 gleichalten Glacis des Campidano gesichert, die aufgrund ihrer
312 stratigraphischen Beziehungen zu marinen Strandterrassen
313 zuverlässig datiert werden können. Das würmzeitliche Alter der
314 jüngsten Glacisterrasse wird zudem durch das Fehlen ferritischer
315 Verwitterung noch zusätzlich bekräftigt.
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