Quelle Nummer 368

Rubrik 26 : MEDIZIN   Unterrubrik 26.02 : FACHWISSENSCHAFTLICH

KINDERHEILKUNDE
KARIN BECKER
NORMALE UND PATHOLOGISCHE KREISLAUFBEFUNDE BEIM
NEUGEBORENEN.
LITERATURUEBERSICHT UEBER DIE PRAENATALEN, INTRA-
NALEN UND POSTNATALEN KREISLAUFBEFUNDE.
DISSERTATION ; FRANKFURT O.J. (1970), S. 90-


001  EKG-Befunde. Untersuchungen von H. G.
002  BOHLMANN zeigen in EKG-Befunden bei
003  Frühgeborenen mit Atemschwierigkeiten deutliche Anzeichen für
004  Myokardschädigungen die sich in einer Verlängerung der QT-
005  Zeit und im Auftreten eines flachen, isoelektrischen (bzw.
006  negativen) T zu erkennen geben. Histologische Befunde
007  C. HOCH-LIGETI und R. DIAZ-
008  PEREZ konnten bei der sektion von 25 Neugeborenen, die ohne
009  klinisch erkennbare Todesursache in der Neugeborenenperiode ad
010  exitum kamen, in 10 Fällen klein hämorrhagische Blutungen im
011  Reizleitungssystems des Herzens und petechiale Blutungen im
012  Myokard feststellen. Sie werden von den Autoren als Folge einer
013  Ischämie des Herzmuskels während der Geburt angesehen.
014  Herzfrequenz. Asphyxie während der Geburt führt in einer
015  Mehrzahl der Fälle zu einer deutlichen Verminderung der
016  Herzfrequenz und zu Störungen in der Überleitungszeit.
017  Bestimmungen der Dauer von Herztonalterationen des Feten
018  (Beschleunigung der Herzfrequenz über 160 Schläge/Min.
019  und Bradykardie unter 100 Schlägen/Minute) während der
020  Geburt ergeben, daß längere Dauer von Herztonalteration als
021  Gefahr für den Feten durch Asphyxie zu werten ist, und daß
022  daher bei Risikogeburten die Abkürzung der Austreibungsperiode
023  für das Kind besonders wichtig ist. Untersuchungen von J.V.
024  zeigen eine deutliche Beeinflussung der Herzfrequenz durch
025  instrumentelle Entbindung. Absinken der Herzfrequenz während
026  einer instrumentellen Entbindung ist häufig mit Aspyxie der
027  Neugeborenen verbunden. Bei Zangenentbindung tritt eine fetale
028  Bradykardie häufiger auf als bei Vakuumextraktionen. Während
029  des Zuges beträgt die fetale Herzfrequenz häufig 60-90
030  Schläge/Minute und zeigt kurzfristige Abfälle auf 40-60
031  Schläge/Minute. Weiter zeigte sich, daß Zangen aus der
032  Beckenmittellage bei einer höheren Zahl der Feten eine
033  Bradykardie hervorrufen als Zangen aus der Beckenendlage. Im
034  Gegensatz zu gesunden Neugeborenen, die fortlaufend Änderungen
035  der Herzfrequenz und der Stärke des Herzschlages zeigen, ist bei
036  Neugeborenen, bei denen Symptome des " respiratory distress
037  syndrome " auftreten, die Herzfrequenz in einem hohen Prozentsatz
038  der Fälle fixiert. Eine feststehende Herzfrequenz wird besonders
039  bei Neugeborenen in ernstem Krankheitszustand beobachtet.
040  Schwankungen, die kurz vor dem Tod dieser Neugeborenen auftreten,
041  sind im Gegensatz zu den kurzen, spontanen Frequenzänderungen
042  der gesunden Neugeborenen länger dauernde Veränderungen im Sinn
043  einer Bradykardie. Die starre Herzfrequenz beim Atemnotsyndrom
044  dürfte in einer Dysfunktion der medullären Zentren begründet
045  sein. Foramen ovale, Ductus arteriosus. L. S.
046  JAMES, K. ADAMSONS beobachtenen bei Neugeborenen
047  mit hyalinen Membranen einen weit offenen Ductus arteriosus, durch
048  den ein großes Shuntvolumen von der Aorta in die A. pulmonalis
049  fließt. Durch das Foramen ovale konnte ebenfalls ein
050  Shuntvolumen registriert werden, das aber in entgegengesetzter
051  Richtung von rechts nach links fließt und das in seiner Größe
052  von dem Shuntvolumen im Bereich des Ductus arteriosus abhängig
053  ist, da dieses den Druck im linken Vorhof bestimmt. Durch die
054  entgegengesetzten Shuntvolumina kommt es zu einer bedeutenden
055  Verminderung des Schlagvolumens. EKG-Befunde von J.D.
056  KEITH, V. ROSE, M. BRAUDO und R.D.
057  ROWE bestätigen einen weit offenen Ductus arteriosus bei
058  Neigeborenen mit " respiratory distress syndrome ". Es sind nach
059  Angaben der Autoren zwei Arten des Krankheitsverlaufes zu
060  unterscheiden: 1.Neugeborene mit pulmonalen hyalinen
061  Membranen, die einen niedrigen Widerstand im Lungenkreislauf
062  aufweisen. Dadurch entsteht ein li-re Shunt durch den Ductus
063  arteriosus, was einen großen Zustrom aus den Lungen zum linken
064  Ventrikel bewirkt. Daraus folgt eine Belastung des linken
065  Ventrikels, die sich im EKG in einer tiefen S-Zacke in
066  rechts-praecordialen Ableitungen manifestiert. 2.Es
067  besteht aber bei der Membrankrankheit auch die Möglichkeit eines
068  erhöhten Widerstandes im Lungenkreislauf und damit eines re-li
069  Shunts durch den Ductus arteriosus. Der erhöhte Widerstand im
070  Lungenkreislauf führt zu einer Belastung des rechten Ventrikels.
071  Im EKG ergibt sich eine hohe R-Zacke in den rechts-
072  praecordialen Ableitungen. Die EKG-Untersuchungen dieser
073  Autoren zeigen keinen Anhalt für ein primäres Herzversagen als
074  Ursache einer Manifestierung der pulmonalen hyalinen Membranen.
075  Krankheitsverläufe mit niedrigem Widerstand im Lungenkreislauf
076  werden häufiger beobachtet. Auch F. C. LENDRUM
077  weist bei Neugeborenen mit pulmonalen hyalinen Membranen auf eine
078  Wiedereröffnung der fetalen Kreislaufkanäle hin. Die
079  Wiedereröffnung der fetalen Kanäle wird als
080  Dekompensationszeichen des Kreislaufs angesehen. Die
081  Kreislaufdekompensation dieser Kinder ergibt sich aus der
082  Unfähigkeit des Kreislaufs, die Einstellung auf das extrauterine
083  Leben zu bewerkstelligen. Besonders belastend wirkt sich das
084  Versagen der Kreislaufumstellung auf die kleinen Lungengefäße
085  aus. Aus dieser Interpretation der Befunde bei der hyalinen
086  Membrankrankheit ergibt sich als wichtigster Faktor in der
087  Ätiologie des Atemnotsendroms ein primäres Versagen des linken
088  Herzens. Der linke Ventrikel ist nach der Kreislaufumstellung p.p.
089  den starken Anforderungen nicht gewachsen, dadurch wird
090  der Abtransport des Blutes aus dem kleinen Kreislauf unzureichend.
091  Es entsteht eine Rückstauung und ein Druckanstieg im
092  Lungenkreislauf. Das unreife Kapillarnetz im kleinen Kreislauf
093  hält der Druckbelastung nicht stand, wodurch Flüssigkeit und
094  Plasma durch die Kapillarwände ausgepreßt wird und durch die
095  Alveolarwand in die Alveolarlumina gelangt. Diese Schicht aus
096  Ödemflüssigkeit und Blutserum schafft ein Hindernis für den
097  Gasstoffwechsel in der Lunge, das auch durch großen Druck nicht
098  überwunden werden kann. Körperkreislauf. I.M.
099  YONG und W. W. HOLLAND fanden bei
100  Neugeborenen nach Zangenextraktionen niedrigere systolische
101  Blutdruckwerte als bei Neugeborenen nach Spontangeburten. Dieser
102  geringgradig niedrigere systolische Druck kann bis drei Wochen nach
103  der Entbindung nachgewiesen werden. Die Erniedrigung des
104  systolischen Druckes ist bei Neugeborenen, die durch eine Sectio
105  entbunden werden, deutlicher ausgeprägt und bleibt trotz eines
106  Blutdruckanstieges am ersten Lebenstag bis zum dritten Lebensmonat
107  deutlich nachweisbar. Untersuchungen über den Einfluß einer
108  Barbituratmedikation und Morphinmedikation während der
109  Wehen ergeben keine Beeinflussung des Blutdruckes des
110  Neugeborenen durch diese Medikamente. Ebenso wird keine
111  Beeinflussung des Blutdruckes durch eine Praeeklampsie beobachtet.
112  Auch F. J. BROWNE und G. H. DODDS
113  fanden bei keinem untersuchten Neugeborenen bei Praeeklampsie der
114  Mutter einen Hochdruck. Entgegen den Untersuchungsergebnissen
115  von I. M. YOUNG und W. W. HOLLAND wird
116  nach Angaben von R. A. REIS und A. J.
117  CHALOUPKA durch Zangenextraktionen eine Erhöhung des
118  Blutdruckes des Neugeborenen verursacht. Messungen des
119  Nabelvenendruckes bei Neugeborenen mit Hyperbilirubinämie infolge
120  Blutgruppenunverträglichkeit von A. HUITZE 82) zeigen
121  bei niedrigen Erythrocytenzahlen einen erhöhten Druck. Es
122  besteht jedoch keine Relation zwischen dem Grad der Anämie und
123  dem Nabelvenendruck. Lungenkreislauf. Eine wesentliche
124  Auswirkung der Asphyxie ist die Erhöhung des peripheren
125  Widerstandes im Lungenkreislauf. Der Widerstand in den
126  Lungengefäßen kann so hoch werden, daß das Herzschlagvolumen
127  nicht mehr fähig ist, ihn zu überwinden. Als Folge werden die
128  Lungenkapillaren nicht genügend gefüllt und die Alveolen nicht
129  maximal entfaltet. Blutbestandteile. Anämie
130  Neugeborene, die auf Grund einer Erythroblastose eine
131  ausgeprägte Anämie zeigen, haben deutlich erhöhte
132  Plasmaerythropoetinwerte. Eine ähnliche Erhöhung wurde auch bei
133  Neugeborenen, die an ernster Hypoxie litten, gefunden.
134  Blutuntersuchungen bei Neugeborenen mit hämolytischem Ikterus
135  zeigen, daß die Prozentzahlen von fetalem Hämoglobin im
136  peripheren Blut niedriger liegen als bei einer Kontrollgruppe
137  normaler Neugeborener während die Konzentration des HbA sich von
138  den Werten bei gesunden Neugeborenen kaum unterscheidet. Dennoch
139  ist darin kein Beweis zu sehen, daß beim hämolytischen Ikterus
140  der Neugeborenen die fetalen Erythrocyten in besonderem Maße
141  zerstört werden, es scheint vielmehr die Regeneration für HbA
142  vergrößert zu sein. Der Grad der Anämie, die sich beim
143  hämolytischen Ikterus bei der Geburt manifestiert, ist 1.von
144  dem Grad der Hämolyse, 2.von der Regenerationsfähigkeit des
145  roten Knochenmarks abhängig. Untersuchungen des Erythrocyten
146  volumens und Plasmavolumens bei Neugeborenen mit fetaler
147  Erythroblastose von P. L. MOLLISON, M.
148  CUTBUSCH und N. VEALL lassen erkennen, daß die
149  durch den Blutzerfall niedrigeren Hämatokritwerte eine Erhöhung
150  des Plasmavolumens bewirken. Die vier Neugeborenen mit der
151  ausgeprägtesten Anämie (Hämatokritwerte: 17,9-21,
152  2) zeigten die größten Plasmavolumenwerte. Sie hatten
153  einen erhöhten venösen Druck und deutliche Zeichen eines
154  Herzversagens. Diese Beobachtungen wurden durch den Zeitpunkt
155  der Untersuchung nicht beeinflußt. Zwei interessante Faktoren in
156  der Ätiologie der Neugeborenenanämie zeigen die Untersuchungen
157  der Autoren O. WEISS G. KOHLER. O.
158  WEISERT und J. MARSTRANDER berichten über
159  einen Fall schwerer Anämie des Neugeborenen. Die Anämie wurde
160  verursacht durch Blutungen des Feten in den maternellen Kreislauf.
161  Mit Hilfe serologischer Technik konnten im mütterlichen
162  Kreislauf kindliche Erythrocyten gefunden werden. Das
163  Neugeborene zeigte keine üblichen Zeichen eines Schocks. Die
164  klinischen Symptome waren denen der hämolytischen Erkrankung
165  ähnlich. Es waren deutliche Zeichen des Herzversagens vorhanden.
166  Ein hämolytischer Mechanismus als Ursache der Anämie konnte
167  ausgeschlossen werden. Der Beginn der fetalen Blutung in den
168  mütterlichen Kreislauf lag in den letzten Wochen der
169  Schwangerschaft. H. G. berichtet über zwei Neugeborene,
170  die nach Behandlung der Mütter während der Gravidität mit
171  Antiepileptika (Zarontin, Mysoline, Epanutin, Nydrane) bei
172  der Geburt eine Anämie zeigten. Beide Neugeborene starben in
173  den ersten 48 Lebensstunden. An klinischen Symptomen zeigte sich
174  ein Kreislaufkollaps. Bei der Sektion wurden bei einem
175  Neugeborenen ausgedehnte Blutungen in der Bauchhöhle gefunden,
176  deren Ursache nicht bekannt war. Die Sektion des anderen
177  Neugeborenen ergab intrakranielle Blutungen. Das Ausmaß der
178  Blutungen unterschied sich deutlich von Blutungen, die durch
179  Asphyxie entstanden sein könnten. Blutungskrankheiten.
180  Als Ursache der Blutungskrankheiten beim Neugeborenen sind
181  pathologische Veränderungen im Bereich des Blutstillungssystems
182  anzusehen. Blutstillungsstörungen sind häufig Folge eines
183  pathologischen Geburtsverlaufes. Ebenso bewirken Störungen in
184  der Perinatalperiode häufig Blutungskrankheiten. Die Art der
185  perinatalen Störung steht in Beziehung zur Störungslokalisation
186  innerhalb des Blutstillungsmechanismus. Das Zentralnervensystem
187  übt einen Einfluß auf das Blutgerinnungssystem aus. Durch die
188  Einflußnahme des Zentralnervensystems entstehen Veränderungen
189  der Aktivitätsgrade der Gerinnungsfaktoren. Hyperreaktion auf
190  Vitamin K Belastung. Auch bei Malaena und Hämatemesis ist an
191  die Mitwirkung zentralwirksamer ätiologischer Faktoren zu denken.
192  Blutungsfördernde Veränderungen können in einer Störung der
193  Prothrombinsynthese, in einer verstärkten Fibrinolyse und einer
194  Thrombopenie begründet sein. Untersuchungen von 51 Neugeborenen
195  mit pathologischen Veränderungen im Blutstillungssystem von H.
196  HAUPT ergaben bei 37 % der Kinder eine erkennbare Ursache
197  der Blutungskrankheiten. Belastende Veränderungen des
198  Geburtsverlaufes sind bei Neugeborenen mit Blutungskrankheiten
199  3mal so häufig wie bei normalen Neugeborenen. Diese erschwerten
200  Geburtsvoraussetzungen sind: Eklampsie, schwere Praeeklampsie,
201  vorzeitige Placentalösung, Placenta praevia,
202  Nabelschnurumschlingung, hoher Geradstand, Querlage und
203  Zangenentbindung. Bei Praeeklampsie und Eklampsie kann ein
204  gehäuftes Auftreten von Malaena neonatorum beobachtet werden. 33
205  % der Neugeborenen mit Blutungskrankheiten zeigen postnatale
206  Störungen im Sinne einer Asphyxie. Pathologische
207  Befunde des respiratorischen Systems. Eine der wichtigsten
208  pathologischen Veränderungen im respiratorischen System bei
209  Neugeborenen ist die Ausbildung von pulmonalen hyalinen Membranen.
210  Die klinischen Symptome des Atemnotsyndroms manifestieren sich
211  nicht direkt nach der Entbindung, sondern erst in den ersten
212  Lebensstunden. Die Neugeborenen zeigen eine beschleunigte und
213  erschwerte Atmung, Brustwandeinziehungen, Cyanose und apnoische
214  Anfälle. Die (Formel) Sättigung des Blutes ist stark erniedrigt,
215  in ausgeprägten Fällen zeigt sich ein deutlicher Abfall des
216  systolischen Blutdruckes und eine dekompensierte Acidose.
217  Histologische Lungenuntersuchungen von Neugeborenen, die an einem
218  Atemnotsyndrom litten, zeigen weit verbreitete Atelektasen, ein
219  interstitielles Lungenödem und charakteristische Membranen,
220  welche die Mehrzahl der Alveolen ausfüllen. Bei Neugeborenen,
221  die nur eine Stunde überlebten, enthält die Lunge noch keine
222  typischen Membranen, die Alveolen sind von eosinophilem,
223  granulären Material ausgefüllt, das als Vorstufe der Membranen
224  angesehen werden kann. Ein Hauptbestandteil der Membranen ist das
225  Fibrin, daneben enthalten sie Fett, Hämoglobin,
226  Nukleoproteine und Schleim. Die Membranen zeigen eine typische
227  Lokalisation in den terminalen Bronchiolen, den Alveolargängen
228  und in den benachbarten Alveolen. Das befallene Bronchialepithel
229  ist mit starken kugelförmigen Sekretionen und dickem eosinophilen
230  Schleim bedeckt. Die darunterliegenden Epithelzellen zeigen keine
231  bedeutende Degeneration. An den proximalen Enden der Membranen
232  sind eine Nekrobiose der Zellen, sich ablösende Epithelzellen,
233  Kerntrümmer und Zellmaterialbeimischungen und eosinophiles
234  Material zu erkennen. Distal der Membranen ist die
235  Lungenexpansion behindert, es entstehen Atelektasen. In den
236  Membranen werden keine Leukozyten und keine hämorrhagischen
237  Beimischungen beobachtet. Es finden sich jedoch charakteristische
238  interstitielle und intraalveoläre Ödeme.
239  Ultraviolettmikroskopische Untersuchungen lassen erkennen, daß
240  die hyalinen Membranen die gleichen Absorptionseigenschaften haben
241  wie die im Zellzytoplasma vorkommenden Proteine und wie Fibrin.
242  Ebenfalls wird durch derartige Untersuchungen das Vorkommen von
243  Nukleoproteinen in den Membranen bewiesen. Diese histologischen
244  Befunde und die Ergebnisse des Versuchs einer experimentellen
245  Auslösung hyaliner Membranen an Versuchstieren lassen darauf
246  schließen, daß das Alveolarepithel als aktiver Teil an der
247  Bildung hyaliner Membranen teilnimmt und nicht nur als
248  " Leitungsröhre " dient, durch die das Plasma in die Alveolen
249  eindringt. Nach diesen Untersuchungen ist als auslösender Faktor
250  für die Ausbildung hyaliner Membranen eine Hypersekretion
251  anzusehen, die durch abnorme autonome Stimulation durch ein
252  neurohormonales Agnes verursacht sein könnte. In der Ätiologie
253  der pulmonalen Membranen sind noch nicht alle Entstehungsfaktoren
254  geklärt. Bei der Besprechung der pathologischen Herzbefunde
255  wurde schon darauf hingewiesen, daß einige Autoren für die
256  Ausbildung von pulmonalen hyalinen Membranen ein primäres Herz
257  -Kreislaufversagen verantwortlich machen. Untersuchungen von H.C.
258  MILLER lassen erkennen, daß die Ausbildung von
259  pulmonalen hyalinen Membranen bei Neugeborenen, besonders aber bei
260  Frühgeborenen mit niedrigem Geburtsgewicht, weitaus häufiger ist
261  als bei Neugeborenen mit normalem Geburtsgewicht. H. C.
262  MILLER beobachtete die Symptome eines ernsten Atemnotsyndroms
263  bei Frühgeborenen der niedrigsten Gewichtsgruppe in 67 % der
264  Fälle, in der nächst höheren Gewichtsgruppe dagegen nur in 7
265  % der Fälle, und bei ausgetragenen, vaginal entbundenden
266  Neugeborenen nur in 0,6 % der Fälle; die Zahl stieg
267  bei Neugeborenen nach Sektion auf 5,5 % an. Der gleiche
268  Autor weist in einer anderen Arbeit darauf hin, daß sich bei
269  Neugeborenen, die zur Zeit der Geburt eine Apnoe zeigen,
270  häufiger ein Atemnotsyndrom entwickelt als bei Neugeborenen, bei
271  denen direkt nach der Geburt keine Apnoe beobachtet wird. Diese
272  Apnoezustände sind nach Schwangerschaftskomplikationen dreimal so
273  häufig wie nach normalem Schwangerschaftsverlauf. Einer der
274  entscheidendsten Gründe für die Entwicklung einer Apnoe bei der
275  Geburt und damit für die Entwicklung eines Atemnotsyndroms ist
276  nach Ansicht von H. C. MILLER die intrauterine
277  Asphyxie. W. F. WINDLE konnte bei neugeborenen
278  Affen ein Syndrom beobachten, das dem Atemnotsyndrom bei
279  menschlichen Neugeborenen sehr ähnlich ist. Alle Tiere, die
280  Symptome des Atemnotsyndroms zeigen, weisen deutliche Zeichen der
281  Unreife auf. Nach Geburtskomplikationen treten Symptome einer
282  Atemnot wesentlich häufiger auf. Die histologischen
283  Lungenbefunde der neugeborenen Affen, die während des Auftretens
284  des Atemnotsyndroms starben, zeigen ausgedehnte Atelaktasen und
285  einen fetalen Lungentyp mit geringer Expansion der Alveolen. 34
286  von 68 neugeborenen Affen mit Geburtskomplikationen, besonders mit
287  den Zeichen einer Asphyxie, entwickelten pulmonale hyaline
288  Membranen. Das Auftreten eines Atemnotsyndroms wird auch hier
289  als Reaktion auf eine Anoxie gedeutet.

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