Quelle Nummer 359
Rubrik 09 : WIRTSCHAFT Unterrubrik 09.12 : WOCHENZEITUNGEN
DAS PARLAMENT
NR. 6, 6.2.1971, BONN
S. 10-11 (WIRTSCHAFT)
001 Keine Benachteiligung der USA durch EWG-
002 Handelspolitik. Für weltweites Präferenzsystem Debatte
003 im Europäischen Parlament. Mittelpunkt der Plenarsitzung
004 des Europäischen Parlaments am 19.und 20.Januar in
005 Luxemburg war eine ausgedehnte und intensive Aussprache über die
006 Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und den
007 Vereinigten Staaten und Japan, die durch zwei parlamentarische
008 Anfragen an die Kommission ausgelöst wurde. Zunächst hatte
009 der niederländische Abgeordnete Berkhouwer als Vorsitzender der
010 Fraktion der Liberalen und Nahestehenden und in deren Namen eine
011 Frage an die Kommission eingebracht, was geschehen werde, falls
012 die in den USA eingebrachten, aber wieder zurückgestellten
013 protektionistischen Handelsgesetze, die sogenannten Mills-
014 Bill, in Kraft gesetzt werden sollten. Trotz der Rückstellung
015 dieser Gesetze, sagte Berkhouwer, dürfe man den starken Trend
016 in den USA nach einem neuen handelspolitischen Protektionismus
017 nicht unterschätzen. Sollten diese Gesetze in den USA
018 Wirklichkeit werden, so seien weitreichende Verwicklungen und
019 Kettenreaktionen, die bis zu einer Weltwirtschaftskrise reichen
020 könnten, unabwendbar. Im Namen der Liberalen forderte
021 Berkhouwer die Kommission auf, Initiativen in Richtung auf einen
022 Abbau von Handelshindernissen zu ergreifen. Dies könne im
023 Rahmen einer neuen Kennedy-Runde innerhalb des GATT oder
024 der OECD geschehen. Eine zweite Frage richtete der
025 Fraktionsvorsitzende der EDU (gaullistische Fraktion),
026 Triboulet an die Kommission. Sie betraf die beabsichtigte
027 Realisierung der Zollkontingente zu Nullsätzen ohne
028 Einschränkung für Fertigwaren und Halbfertigwaren aus
029 den Entwicklungsländern, denen im Gegensatz zu den assoziierten
030 Staaten noch keine Nullsätze gewährt werden. Es handelt sich
031 bei diesen von der Kommission beabsichtigten Maßnahmen um die
032 Einleitung eines weltweiten Präferenzsystems. Die USA und
033 Großbritannien haben jedoch angekündigt, daß sie Textilien und
034 Schuhe davon ausgeklammert wissen wollen. Triboulet bezeichnete
035 ein Präferenzsystem mit diesen Ausklammerungen als unseriös, da
036 die Entwicklungsländer gerade Textilien anzubieten hätten. Die
037 französische Politik sei in diesem Bereich unter dem Druck von
038 Gewerkschaften und Berufsverbänden, die Vollbeschäftigung und
039 Absatz im eigenen Land in Gefahr sehen. " Das allgemeine
040 Präferenzsystem ist eine Waffe im Angriff gegen die Europäische
041 Gemeinschaft und ihr regionales Präferenzsystem mit den
042 afrikanischen Staaten und Madagaskar ", sagte Triboulet. Den
043 Standpunkt der Kommission trug ihr deutsches Mitglied, Dr.
044 Ralf Dahrendorf vor. Zu dem immer wieder in den USA erhobenen
045 Vorwurf, die Präferenzpolitik der Europäischen Gemeinschaft
046 bringe der amerikanischen Wirtschaft spürbaren Schaden, legte
047 Dahrendorf eine Statistik vor, nach der sich das Gesamtvolumen
048 des Handels zwischen der Gemeinschaft und den USA von 1958 bis
049 1969 verdreifacht hat und auch 1970 noch stark angestiegen ist. Die
050 Handelsbilanz sei per Saldo für die Gemeinschaft in den ersten
051 neun Monaten des Jahres 1970 deutlich passiv: die Zunahme der
052 Einfuhr der Gemeinschaft aus den USA belaufe sich auf 24,5
053 Prozent, die Ausfuhren der Gemeinschaft in die USA auf 9,
054 3 Prozent. Die Gemeinschaft habe hier einen jährlichen
055 Negativsaldo von mehr als einer Milliarde Dollar. Auch im
056 Bereich der Investitionen sei der Unterschied zwischen den US
057 -Investitionen in der Gemeinschaft mit zehn Milliarden Dollar
058 Buchwert gegenüber europäischen Direktinvestitionen von drei
059 Milliarden sehr gravierend. Die amerikanische Kritik an der von
060 der Gemeinschaft im Mittelmeerraum betriebenen Präferenzpolitik
061 entbehrt nach Dahrendorfs Meinung jeder Grundlage. Der
062 Kommissionssprecher wandte sich dann den Prinzipien und weiteren
063 Aufgaben einer Handelspolitik der Europäischen Gemeinschaften zu
064 und forderte eine Liberalisierung des Welthandels nach den
065 Verfahrensregeln des GATT. Diese Liberalisierung müsse
066 jedoch realistisch sein, sie dürfe keine illusionistischen Ziele
067 anstreben. Dahrendorf lehnte eine Veränderung des Angebots der
068 Europäischen Gemeinschaft für die allgemeinen Präferenzen ab
069 und erteilte auch den Ausklammerungswünschen der USA und
070 Großbritanniens für Textilien eine entschiedene Absage. Auf
071 die Argumente Triboulets eingehend, wies er darauf hin, daß die
072 Kommission jede Gefährdung und Belastung der Industrie in den
073 Gemeinschaftsländern abwenden und gewisse Sicherungsmaßnahmen
074 herbeiführen müsse. Abstimmung mit Japan. Die
075 Handelsvertragsverhandlungen zwischen der Gemeinschaft und Japan
076 seien schon dadurch positiv zu bewerten, daß man für sie
077 inzwischen einen Koordinierungsausschuß geschaffen habe, der einem
078 institutionell gesicherten Ausspracherahmen gleichkomme. Die
079 gleiche Gesprächsbasis müsse auch mit den USA gefunden werden.
080 Daher schlage er vor, sagte Dahrendorf, daß das Europäische
081 Parlament zu Senat und Repräsentantenhaus der USA Beziehungen
082 aufnehme. Die sich im Welthandel stellenden großen und
083 schwierigen Aufgaben, vor allem in den Beziehungen der drei
084 großen Wirtschaftsblöcke Europäische Gemeinschaft, USA und
085 Japan, könnten nur ohne Nachteil bewältigt werden, wenn man im
086 dauernden Dialog der Partner Einverständnis über die Prinzipien
087 erziele, in denen dieser Handel zu führen sei. Restriktive
088 Maßnahmen seien der schlechteste Dienst für alle Beteiligten.
089 In der Aussprache befürwortete der Sprecher der Christlich
090 Demokratischen Fraktion, der niederländische Abgeordnete
091 Westerterp, die weitere Liberalisierung des Welthandels. Die
092 OECD sollte eine institutionell abgesicherte Kontaktbrücke für
093 handelspolitische Abmachungen werden. Der dauernde Dialog
094 zwischen den Regierungen und Parlamenten der großen
095 Handelsblöcke sei unerläßlich. Westerterp lehnte eine
096 Ausklammerung der Textilien aus dem Präferenzangebot der
097 Gemeinschaft nachdrücklich ab. Der deutsche CDU-
098 Abgeordnete Dr. Walter Löhr wies auf den traditionell
099 fiskalischen Charakter der US-Handelspolitik hin. Eine
100 aktive Handelsbilanz um jeden Preis als Ausgleich für die passive
101 Zahlungsbilanz werde in den USA als Hauptziel der
102 Handelspolitik verfolgt. Daher müsse auf politischem Felde der
103 Ausgleich gesucht werden. Der SPD-Abgeordnete Herbert
104 Kriedemann war als Sprecher der Sozialistischen Fraktion manchen
105 Argumenten Dahrendorfs gegenüber etwas skeptisch. Die
106 Gemeinschaft müsse sich fortwährend kritisch prüfen, ob sie nach
107 dem Grundsatz verfahre, daß Handelsfreiheit mehr sei als
108 Geschäftemacherei. Der französische Abgeordnete Georges Sp‚nale
109 forderte, daß die Gemeinschaft aus ihrem Handelsangebot
110 die Textilien solange ausnehme, bis auch die USA und
111 Großbritannien sie in ihr Angebot aufgenommen hätten. Er
112 kritisierte die Kommission wegen mangelnder Konsultierung des
113 Parlaments vor ihrem Angebot. Der Sprecher der gaullistischen
114 Fraktion EDU, Raymond Offroy, forderte die Gemeinschaft auf,
115 gegenüber einem politisch-wirtschaftlichen Tauschgeschäft
116 wachsam zu sein, das sich gegenwärtig zwischen den USA und
117 Japan vollziehe: Okinawa solle an Japan zurückgegeben werden,
118 wenn dieses bereit sei, Selbstbeschränkung bei seinen
119 Textilexporten in die USA zu üben. Maßgebend sei die Meinung
120 der eigenen Industrie und die Arbeitslage bei all diesen
121 Überlegungen und nicht eine irgendwie geartete Kritik aus dem
122 Ausland. Der französische liberale Abgeordnete Andr‚
123 Armengaud sprach in einer fraktionsunabhängigen Einlassung von den
124 von Lenin vorhergesagten Widersprüchen des Kapitalismus, die auf
125 diesem Felde jetzt sichtbar würden. Die Produktion müsse heute
126 weltweit organisiert werden, weil der Wettbewerb als
127 wirtschaftliches Prinzip überholt sei. In einer abschließenden
128 Stellungnahme ging Prof. Dahrendorf auf die Entschließung des
129 Europäischen Parlaments vom 6.Oktober 1970 ein, in der die
130 Bemühungen der Kommission um die Einführung allgemeiner
131 Präferenzen begrüßt worden waren. Die Kommission sei mit ihren
132 Initiativen dabei im Einklang mit dem Parlament. Vor allen
133 weiteren Angeboten werde das Parlament künftig vom Ministerrat
134 konsultiert werden. Der Fraktionsvorsitzende der Liberalen und
135 Nahestehenden, Berkhouwer, brachte sodann einen
136 Entschließungsentwurf ein, der den Ausschuß für
137 Außenwirtschaftsbeziehungen beauftragt, die Tendenzen der
138 Welthandelspolitik genau zu beobachten und dem Europäischen
139 Parlament rechtzeitig Bericht zu erstatten.
140 Konjunkturprobleme der Gemeinschaft. Wirtschaftsprognose
141 der Kommission für 1971. Freud und Leid müssen die
142 Mitgliedstaaten der EWG mehr und mehr miteinander teilen. Im
143 Positiven wie im Negativen gleicht der Integrationsprozeß die
144 wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen in immer stärkerem
145 Maße einander an. Heute sind die Zeiten vorbei, in denen die
146 Konjunktur in den einzelnen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft
147 konträr verlief und sich die wirtschaftlichen Auf
148 wärtsbewegungen und Abwärtsbewegungen stabilisierend
149 auswirkten. Die Konjunkturpolitiker können sich nicht mehr darauf
150 verlassen, daß der Boom des einen Landes durch die Rezession im
151 Nachbarstaat gebremst wird oder umgekehrt. Seit mehreren Jahren
152 ist das wirtschaftliche Auf und Ab der EWG-Länder im
153 Gleichklang. In allen Staaten der Europäischen Gemeinschaft
154 sieht man sich daher für das Jahr 1971 fast überall den gleichen
155 konjunkturpolitischen Aufgaben und Schwierigkeiten gegenüber.
156 Die Europa-Kommission in Brüssel hat jetzt eine
157 wirtschaftliche Bilanz des Jahres 1970 und eine Vorausschau für
158 das Jahr 1971 veröffentlicht. Daraus ergibt sich die erstaunliche
159 Tatsache, daß die Sorgen um die deutsche Konjunktur so ziemlich
160 identisch sind mit jenen um die EWG-Konjunktur insgesamt.
161 Wie Bonn, so geht auch Brüssel von einer Verlangsamung des
162 Wirtschaftswachstums für 1971 aus. Dieser Prozeß hat sich
163 bereits 1970 angebahnt. Insgesamt rechnet man mit einer realen
164 Zunahme des EWG-Bruttosozialprodukts um 4,5 Prozent
165 gegenüber einer Zuwachsrate von 6 Prozent im letzten Jahr. Da
166 das Bruttosozialprodukt 1969 noch um 7 Prozent zugenommen hatte,
167 zeigt der Konjunkturverlauf der letzten Jahre eine tendenzielle
168 Abschwächung der realen Wachstumsraten. Desto höher war dagegen
169 mit 12,5 Prozent die nominale Zunahme des
170 Bruttosozialprodukts der Sechs im Jahre 1970. Nominal ist das
171 Bruttosozialprodukt damit 1970 genauso stark gestiegen wie 1969.
172 Auffallend ist auch hier, daß die nominelle Zuwachsrate von 12,
173 5 Prozent genauso groß ist wie in der Bundesrepublik.
174 Allerdings lag der Preisindex des Bruttosozialprodukts hier mit 7,
175 5 Prozent noch über dem EWG-Durchschnitt. Dagegen
176 war die Bundesrepublik bei den Lebenshaltungskosten noch immer eine
177 " Insel der Stabilität " in Europa. Trotz der
178 außerordentlich hohen Preissteigerungen kann die EWG im
179 weltweiten Vergleich eine stolze Bilanz vorweisen. Denn die
180 Sechsergemeinschaft liegt im effektiven wirtschaftlichen Wachstum
181 weit vor den USA und Großbritannien. Wahrscheinlich wurde die
182 Gemeinschaft nur von dem fernöstlichen Wirtschaftswunderland
183 Japan übertroffen. Seit Gründung der EWG im Jahre 1957 ist
184 das Bruttosozialprodukt der Gemeinschaft um 95 Prozent gestiegen,
185 verglichen mit einer Zunahme von 61 Prozent in den Vereinigten
186 Staaten und von 42 Prozent in Großbritannien. In absoluten
187 Zahlen zeigt sich jedoch folgendes Bild: Mit 970 Milliarden
188 Dollar ist das Bruttosozialprodukt der Vereinigten Staaten noch
189 immer fast doppelt so groß wie das EWG-Produkt von 500
190 Milliarden Dollar. England erreichte 116 Milliarden Dollar.
191 Der Beitritt des Vereinigten Königsreichs und anderer EFTA
192 -Staaten zum Gemeinsamen Markt würde das Wirtschaftspotential
193 der EWG also wesentlich vergrößern. Die wirtschaftliche
194 Dynamik des erweiterten europäischen Wirtschaftsraumes würde zu
195 einer Verringerung des wirtschaftlichen und technologischen
196 Abstandes zu den USA führen. Nach Ansicht der Brüsseler
197 Konjunkturexperten steht die Wirtschaftspolitik 1971 vor der
198 schwierigen Aufgabe, Preise und Kosten zu stabilisieren, ohne
199 daß es zu einer kumulativen Verlangsamung des Wirtschaftswachstums
200 kommt. In allen EWG-Ländern bleibt die große Gefahr von
201 Preissteigerungen, wobei der Lohnkostenauftrieb eine große Rolle
202 spielen dürfte. Das Güterangebot wird mit der immer noch
203 verhältnismäßig starken Zunahme der Gesamtnachfrage zunächst
204 noch nicht Schritt halten können. In einigen Bereichen wird
205 allerdings die hohe Kapazitätsauslastung zurückgehen. Die EWG
206 kommt jedoch zu dem insgesamt erfreulichen Ergebnis, daß im
207 begonnenen Jahr bei der wahrscheinlichen Wachstumsrate von 4,5
208 Prozent keine Gefahr für die Vollbeschäftigung besteht. Die
209 Teuerungswelle dürfte in den meisten EWG-Ländern ihren
210 Höhepunkt bereits überschritten haben. Allerdings nimmt man in
211 Brüssel an, daß der Kostenanstieg zu weiteren Preiserhöhungen
212 führen kann. Nicht zuletzt könnten nach der strikten
213 Dämpfungspolitik der letzten Jahre zurückgestaute
214 Preisanpassungen nach oben vorgenommen werden. Der Anstieg der
215 Masseneinkommen wird auch 1971 sehr kräftig sein, aber wohl nicht
216 mehr die Rekordhöhe des Vorjahres erreichen. Immerhin rechnet
217 die EWG mit einem Anstieg der privaten Verbraucherausgaben von
218 10 (im Vorjahr 12) Prozent. Für die Bundesrepublik wird das
219 Jahr 1971 nach Meinung der Brüsseler Experten im Zeichen einer
220 kräftigen Verbrauchskonjunktur stehen, die auf den starken
221 Einkommensanstieg zurückzuführen sei. Dagegen würden die
222 Unternehmer weniger investieren als in den letzten Jahren. Da in
223 der Bundesrepublik die Produktionskapazität sehr angespannt ist,
224 dürfte das Bruttosozialprodukt real nur noch um 3,5 Prozent
225 gegenüber rund 5 Prozent im Jahre 1970 zunehmen. Die deutsche
226 Wachstumsrate liegt damit ein Prozent unter der für die gesamte
227 EWG angenommene Prognose und ebenso unter dem mittelfristigen
228 " Expansionspfad ". Trotzdem wird der deutschen Konjunkturpolitik
229 aus Brüssel der Rat erteilt, der Stabilitätspolitik Vorrang zu
230 belassen. Zum Trost heißt es gleichzeitig, das deutsche
231 Preisniveau werde 1971 nicht mehr so stark ansteigen wie 1970.
232 Schwierigkeiten bei Zollsenkungen in den EG. Aus der
233 Fragestunde des Deutschen Bundestages. Dr. Arndt
234 (Berlin, SPD): Ist die Bundesregierung bereit - um
235 einen freien Welthandel offensiv zu sichern, um die amerikanische
236 Wirtschaftspolitik zu entlasten, um Mißtrauen in die Handels
237 politik und in die Erweiterungspolitik der EWG zu
238 entkräften, um die Stabilitätsziele des 3.Programms für die
239 mittelfristige Wirtschaftspolitik der EWG zu verwirklichen -,
240 den Mitgliedstaaten und/oder der Kommission der Europäischen
241 Gemeinschaften vorzuschlagen, unverzüglich wichtige Außenzölle
242 der EWG autonom, also zusätzlich und unabhängig von bisherigen
243 und künftigen mehrseitigen Vereinbarungen, zu senken und auf
244 jedwede weitere Erschwerung der Agrarimporte aus Drittländern,
245 darunter auch den USA, definitiv und endgültig zu verzichten?
246 Ist die Bundesregierung bereit, den Mitgliedstaaten und/oder
247 der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vorzuschlagen,
248 unverzüglich Verfahren zur gemeinsamen Veränderung der
249 Dollarparität wichtiger europäischer Währungen zu vereinbaren?
250 Rosenthal, Parlamentarischer Staatssekretär beim
251 Bundesminister für Wirtschaft: Der Beantwortung der beiden
252 Fragen möchte ich folgendes vorausschicken: Die Bundesregierung
253 verfolgt seit geraumer Zeit mit größter Aufmerksamkeit, aber
254 auch mit Sorge den Verlauf der Diskussion über den Trade Act
255 1970 in den USA. Sie ist sich der großen Gefahren bewußt,
256 die bei einer Verabschiedung der protektionistischen Bestimmungen
257 der sog. Mills-Bill für den Welthandel und für die
258 Volkswirtschaften der an diesem Handel beteiligten Länder und
259 damit auch der Bundesrepublik drohen. Sie hat daher bereits im
260 Juli d. J. in einer Erklärung des
261 Bundeswirtschaftsministers darauf hingewiesen, daß eine Lösung
262 der vor allem in den USA bestehenden handelspolitischen Probleme
263 nicht mit Hilfe von restriktiv angelegten Maßnahmen, sondern nur
264 durch eine Verstärkung der Liberalität des internationalen
265 Handels gefunden werden sollte. Die Bundesregierung war und ist
266 mit dem Fragesteller der Auffassung, daß der freie Welthandel
267 offensiv gesichert werden muß. Nur so lassen sich Stabilität und
268 Wachstum auf die Dauer erhalten. Die Bundesregierung hat deshalb
269 in den EG wiederholt angeregt, daß die Gemeinschaft auf die
270 protektionistischen Bestrebungen in den USA mit liberal und
271 expansiv ausgerichteten handelspolitischen Maßnahmen reagieren
272 sollte. Auf deutsche Initiative hat der Ministerrat am 27.
273 Oktober 1970 in einer Gemeinschaftsdemarche den USA Lösungen
274 im konstruktiven Geiste für handelspolitisch wichtige Bereiche
275 angeboten. Gleichzeitig hat der Ministerrat der Kommission den
276 Auftrag erteilt, konkrete Vorschläge auszuarbeiten. Diese
277 Vorschläge, denen wir mit großem Interesse entgegensehen,
278 stehen noch aus.
Zum Anfang dieser Seite