Quelle Nummer 354

Rubrik 07 : POLITIK   Unterrubrik 07.13 : HAUSMITTEILUNGEN

DER SPIEGEL
14.9.1970, NR. 38, 24.JG., S.5- (HAUSMITTEILUNG UND
LESERBRIEFE)


001  SPIEGEL - VERLAG/
002  HAUSMITTEILUNG. Datum: 14.September 1970
003  Betr.: Titel " Morgen war gestern ", hiess die
004  Überschrift für die Titelgeschichte, die seit langem für dieses
005  Heft vorgesehen war, sie galt der Vergiftung der Welt, der Luft,
006  des Wassers, der Fauna und Flora - der " Umwelt ", wie es
007  heisst. Am vergangenen Dienstag ist in Bonn, endlich, ein
008  Kabinettsausschuss für Umweltfragen gegründet worden; er kann
009  Hinweise brauchen. Aber, morgen war gestern - die
010  professionelle Journalistennot. In der Redaktionskonferenz am
011  vergangenen Montag reklamierte das Auslandsressort Titelbild und
012  Titelgeschichte für Chile, in dem - zum erstenmal in der
013  Geschichte Südamerikas - ein marxistisch argumentierender
014  Politiker, Salvador Allende, auf demokratische Art Präsident
015  werden könnte, falls, nach seinem knappen Wahlsieg, der
016  Kongress das Wählervotum bestätigt. Doch mit Gewalt hatten
017  sich längst die Verzweifelten der " Volksfront zur Befreiung
018  Palästinas " mit ihren fünf Flugzeugüberfällen zum Thema der
019  Woche gemacht. Diese Ausgabe des SPIEGEL enthält daher
020  drei Titelthemen. Für die Titelgeschichte über
021  Flugzeugentführer und Flugzeug entführungen erarbeitete
022  SPIEGEL-Redakteur Wolfgang Kaden eine Analyse der
023  palästinensischen Volksfront, stellte SPIEGEL-
024  Redakteur Johannes Graf von Saurma-Jeltsch ein Kalendarium
025  der Ereignisse zusammen. Aus London schickten die SPIEGEL
026  -Redakteure Heinz Lohfeldt und Wolfgang Stockklausner ein
027  Interview mit Charles Jackson, dem Generalsekretär der
028  Internationalen Pilotenvereinigung (47000 Mitglieder), der
029  einen Boykott aller Länder vorschlägt, die Flugzeugentführer
030  nicht bestrafen, auf keinen Fall aber Piloten bewaffnet wissen
031  möchte: " Eher sollte man das Fliegen ganz einstellen (...) ".
032  Und vor Ort, am ehemals britischen Militärflughafen Dawson " s
033  Field, ermittelte Walter W. Krause, unter unüblichen,
034  örtlich üblichen Bedingungen, mal beschossen, mal sistiert, mal
035  bespuckt, mal mit arabisch-grosszügiger Gastfreundschaft
036  umsorgt. Die Desperados der palästinensischen Volksfront, die
037  mit ihren Maschinenpistolen ihre Geiseln bewachen, haben
038  ihrerseits die erbitterten jordanischen Soldaten im Genick: "
039  Jagen die Hurensöhne die Maschinen samt Menschen in die Luft,
040  kommt keiner lebend hinaus ". Thema Chile: Der dritte und
041  vorletzte Teil der SPIEGEL-Serie über Südamerika "
042  Da hilft nur noch Gewalt " gilt vornehmlich diesem längsten
043  Staat des ausgepowerten Subkontinents. Aus Santiago de Chile
044  lieferten die SPIEGEL-Redakteure Klaus Reinhardt und
045  Kai Hermann ein SPIEGEL-Gespräch mit dem präsumtiven
046  neuen Präsidenten Allende, der versuchen will, mit den Stimmen
047  der Christdemokraten des Landes auf sozialistischen Regierungskurs
048  zu gehen. Einen Vorgeschmack auf die Entdeckungen, wieweit es
049  mit der Vergiftung der Welt schon steht, mag die Reportage von
050  SPIEGEL-Redakteur Karl-Heinz Krüger geben.
051  Zusammen mit dem Photographen Kai Greiser ist er den Rhein von
052  Basel bis Duisburg abwärts geflogen. " Eine gesättigte
053  Teerlösung " nennt ihn Professor Schmähl vom Heidelberger
054  Krebsforschungszentrum. Der Rhein, sofern im Industriedunst
055  überhaupt zu sehen, hat rote Streifen. Die Titelgeschichte
056  über die Vergiftung der Umwelt wird nachgeholt; ihr Thema
057  bleibt für den Rest des Jahrhunderts aktuell. Sehnsucht nach
058  DJANGO. (Nr. 36/1970, Südamerika-Titel: "
059  Da hilft nur noch Gewalt ") Was soll der klagend erhobene
060  Zeigefinger über die bösen Firmen, die aus Südamerika mehr
061  Geld herausholen als hineinstecken? Haben Sie schon einmal einen
062  nicht konkurs gegangenen Betrieb der freikapitalistischen Welt
063  gesehen, der auf lange Sicht mehr investierte als profitierte?
064  Erwarten Sie etwa karitativ-soziales Verhalten von den
065  Nutznießern dieses Systems? Ebensowenig bin ich mir im klaren
066  über die Aussagen, die mit dem Titelblatt zur Lateinamerika-
067  Serie beabsichtigt waren. Sicherlich ist es nicht im Sinne von
068  Paz Estenssoro, seine Worte (" Da hilft nur noch Gewalt!
069  ") neben Bilder von " Todesschwadron "-Opfer zu stellen.
070  Man kann wohl unterstellen, daß er eine andere Gewalt meint.
071  Aber auch zum SPIEGEL paßt die vordergründige Aussage des
072  Titelbildes nicht. Habe ich die Ironie übersehen oder war es
073  vielleicht Nachlässigkeit Ihrer Titelblattgestalter? Objektive
074  Berichterstattung scheint wohl nicht Ihre stärkste Seite zu sein.
075  Sie berichten zwar recht anschaulich über Elend und Mißstände
076  - und wo gibt " s die nicht -, was dagegen getan wird und
077  bereits getan wurde durch die von Ihnen verpönte Regierung
078  Medicis, darüber kein Wort. Eines Tages wird es einen großen
079  Knall geben, den auch wir in Europa verspüren werden. Die
080  lateinamerikanische Revolution! Angesichts der direkten und
081  indirekten Morde, die seit Jahrzehnten ungesühnt an Dutzenden
082  von Millionen Menschen begangen werden, ist nur eines erstaunlich:
083  die unendlich geringe Zahl von protestierenden Gewaltakten.
084  Mein in Südamerika lebender Bruder berichtete ähnliches wie
085  Ihre Reporter, aber die Reaktionen auf solche Berichte sind
086  immer wieder erschütternd zu sehen: Gleichgültigkeit oder
087  allenfalls verlegene Hilflosigkeit, öfter noch Mißtrauen und
088  Ablehnung " derartiger subjektiver Übertreibungen " bis hin zur
089  Unterstellung ultra-linker Propagandaverbreitung. Was Sie
090  über die Verhältnisse in Brasilien schreiben, wird bei den
091  Lesern einen falschen Eindruck machen. Vielleicht einfach deshalb,
092  weil man dieses Land erleben muß, aber nicht beschreiben kann.
093  So unlogisch es klingen mag, sind die beschriebenen armen Menschen
094  in ihrer Bedürfnislosigkeit einfach glücklich. Dies erklärt,
095  warum Brasilianer nicht emigrieren. Ausgeschlossen ist auch, daß
096  einer dieser Armen in Ihrem Mitteleuropa leben wollte oder könnte.
097  Für kein Geld der Welt. Und so bleibt die Frage trotz aller
098  Fakten offen: Wo sind die Menschen glücklicher, in
099  Deutschland oder Brasilien? Da greifen selbst eingefleischte
100  Pazifisten zum Gewehr. Hört auf mit den furchtbaren Statistiken.
101  Schreibt endlich, wie wir den Untertieren helfen können. Wenn
102  in Deutschland ein Hund verhungert, ertönt ein einziger Schrei
103  der Empörung von den Alpen bis zur Nordsee - aber
104  Lateinamerika ist ja so weit weg! Kann der SPIEGEL nicht
105  veranlassen, daß ein Konto für Bischof Fragoso eingerichtet
106  wird? Da Misereor offensichtlich kein Geld für die " ärmsten
107  seiner Brüder " hat, möchte ich aus der Kirche austreten und
108  meine Steuer überweisen. Wir schätzen Don Fragoso, den
109  Bischof von Crateus, als einen Mann, denn soziale
110  Aufgeschlossenheit und dessen Wille, selbst tatkräftig zu helfen,
111  unseren vollen Respekt und unsere solidarische und
112  partnerschaftliche Hilfe verdient. Wir sind deshalb dem
113  SPIEGEL dankbar, daß er diesen hervorragenden Anwalt der
114  Unterprivilegierten in seiner ausgezeichneten Analyse der
115  lateinamerikanischen Situation seinen Lesern vorstellt. Leider
116  vergaß Ihr Reporter Kai Hermann zu erwähnen, daß Misereor
117  die von Don Fragoso gegründete Ausbildungsstätte für
118  Führungskräfte mit 100 000 Mark finanziert hat. Eine andere von
119  Don Fragoso erbetene Hilfe für eine Modellfarm in Crateus ist
120  vorgesehen. Manche europäischen Leser Ihrer Berichte über
121  Lateinamerika mögen denken: " Außerordentlich bedauerlich,
122  aber Gott sei Dank ist Lateinamerika 5000 Kilometer von uns
123  entfernt. " Diese 5000 Kilometer bedeuten heute aber wenige
124  Stunden in Flugzeugen. Diese werden nach Europa auch die
125  Erreger von Massenepidemien bringen, die bei einer Fortdauer des
126  jetzigen Elends bestimmt zu erwarten sind. Prognose für 1984
127  (auf Grund meiner persönlichen Beobachtungen in 15
128  lateinamerikanischen Ländern): Entweder bekommen die
129  lateinamerikanischen Länder echte Reform-Regierungen, welche
130  die Ursachen des bisherigen Elends überwinden und dadurch ihre
131  Unabhängigkeit bewahren - oder durch blutige Revolutionen werden
132  sämtliche lateinamerikanischen Länder von Mexiko bis Chile zu
133  Satelliten von Moskau und Peking. Das Ziel der Hungernden in
134  Südamerika ist Brot. Aber wenn sie Brot haben, dann wollen sie
135  später auch Freiheit. Dies wissen die Reichen und die Kirchen
136  -Männer, und deshalb tun diese Leute alles, daß es so bleibt.
137  Hut ab vor den mutigen Priestern, die gegen die furchtbaren
138  Verbrechen, die an den Armen begangen werden, kämpfen. Die
139  kämpfenden Priester stehen allein, vom Hauptquartier in Rom
140  kommt keine Hilfe. Als vollgefressener, täglich mit
141  Warenanpreisungen berieselter Bundesbürger ist man manchmal in
142  Versuchung zu sagen: Das Leben auf diesem Erdball ist doch eine
143  ganz angenehme Sache. Vergessen sind die Erlebnisse der jungen
144  Jahre, die Zeiten der Weltwirtschaftskrise Ende der zwanziger,
145  Anfang der dreißiger Jahre, in denen man mit knurrendem Magen
146  arbeitslos auf den Landstraßen Europas herumirrte, herumbettelte
147  und nicht wußte, ob man im Obdachlosenasyl noch ein Nachtlager
148  finden würde. Fast vergessen waren auch Haß und Zorn, den man
149  damals gegen die Besitzenden und Reichen hegte, die über das
150  arbeitslose, nichtsnutzige Pack die Nase rümpften. Der
151  SPIEGEL-Bericht über das elende Vegetieren und Sterben
152  der besitzlosen Massen in den lateinamerikanischen Ländern hat
153  mich wieder wachgerüttelt. Gegen diesen unmenschlichen
154  Gesellschaftszustand ist mit Reden und Beten nichts getan. Da
155  hilft wirklich nur noch Gewalt. Anders ist der nutznießerischen
156  Oberschicht und den gekauften Verteidigern dieses
157  Gesellschaftszustandes nicht beizukommen. So tragisch der Tod des
158  Grafen Spreti auch war, man wird ihn aus einer anderen
159  Perspektive sehen müssen, wenn man sich mit der unhaltbaren
160  Situation Südamerikas näher befaßt. Wer am Montag nach
161  Lektüre des SPIEGEL über die Verhältnisse in Brasilien
162  beunruhigt war, dem war am Mittwoch schon geholfen, sofern er
163  Leser des " Wiesbadener Tagblattes " ist: Was dort geschieht,
164  ist also bei weitem nicht dem Elend in Biafra oder Vietnam
165  vergleichbar, sondern dem " Wilden Westen ", Traumland aller
166  Buben von fünf bis 50. Leute, die sich samt ihren Familien an
167  Großgrundbesitzer verkaufen, suchen " Abenteuer " und ein
168  " vages Heil " und ziehen deshalb natürlich undankbar und
169  abenteuerlustig, wie solche Leute nun einmal sind, auch von den
170  schönsten Farmen wieder weiter, " wenn es ihnen nicht mehr paßt ".
171  Man kennt das ja von " ponderosa " und " Big Valley ".
172  Wie gut ist es doch, wenn man sich nicht allein auf den
173  SPIEGEL verläßt und sich vor allem nie zu früh beunruhigt!
174  Statt Misereor, DED und göttlichen Eingriff habe ich bei
175  der Lektüre ständig Django herbeigesehnt! Eher Schelte
176  (Nr. 36/1970, Geschichte). Auf dem Moskauer
177  Historikerkongreß habe ich nicht gesagt, daß 15
178  tschechoslowakische Historiker " nach dem Prager Frühling ihre
179  Lehrstühle räumen mußten ", sondern daß 15 Mitglieder des
180  Historischen Institus der Tschechoslowakischen Akademie der
181  Wissenschaften in den letzten Wochen entlassen worden seien. Für
182  diesen Hinweis empfing ich viel öffentliche Schelte und noch mehr
183  private Anerkennung auch von Kollegen aus verschiedenen
184  sozialisitschen Ländern. " Ein DDR-Kollege bedankte sich "
185  dafür bei mir jedoch nicht. Mahlzeit. (Nr. 36
186  /1970, Stationierungskosten). Es ist mir unverständlich,
187  daß unsere Politiker sich über die Stationierungskosten in den
188  kommenden Jahren Gedanken machen. Sie fallen doch automatisch
189  fort, nachdem die längst fällige Sicherheitskonferenz über die
190  Bühne gegangen und unser Antrag auf Räumung Deutschlands von
191  fremden Truppen durchgegangen ist. Dieser Antrag würde ja an der
192  Spitze unserer Forderungen stehen; denn solange die beiden atomar
193  gerüsteten Supermächte sich Auge in Auge auf deutschem Boden
194  gegenüberstehen, in einem Konflikt also unser armes Deutschland
195  das Schlachtfeld abgeben, das heißt völliger Verwüstung
196  anheimfallen würde, kann ja selbst von einem Minimum an
197  Sicherheit nicht die Rede sein. Regierungen haben
198  verständlicherweise viel weniger Hemmungen, zum Kriege zu
199  schreiten, wenn sie diesen auf fremdem Boden führen können. Ich
200  bin nicht bereit, auch nur einen Pfennig Steuern mehr zu zahlen
201  für den Wurmfortsatz der schweigenden US-Mehrheit. Aber
202  leider müssen wir trotzdem zahlen, denn sonst würde die CDU/
203  CSU-Demagogie wieder einen Reichsparteitag feiern können.
204  Das hätte zur Folge, daß einige politische Analphabeten wieder
205  " christlich " wählen würden. Wenn wir zahlen, dann jedoch nur
206  unter folgenden Bedingungen: Kein in Deutschland
207  stationierter US-Soldat darf je in Vietnam uns so weiter
208  eingesetzt werden. Die US-Streitkräfte in Deutschland
209  werden unter die Kontrolle des Bundestages gestellt. Die
210  fünf Milliarden Stationierungskosten dürfen nur für humanitäre
211  Zwecke nach Maßnahme der Uno verwendet werden. Es hat auch den
212  Anschein, daß der Stern der Weltmacht USA langsam, aber
213  sicher am Sinken ist. Ich sehe nicht ein, daß man diese
214  Faschisten noch mit fünf Milliarden unterstützen soll, die zum
215  Beispiel unser Bildungswesen viel nötiger hätte, und nicht nur
216  das. Bald werden wir noch selbst gefrühstückt! Uns bleibt dann
217  nur noch Zeit, " Mahlzeit " zu murmeln! Es ist kein Wunder
218  mehr, wenn durch diese Forderungen auch der ruhigste Mensch zum
219  radikalen Menschen wird, der Finanzminister Alex Möller soll
220  dies nicht übersehen. Wenn die Bundeswehr als militärisches
221  Spielzeug nicht genügt, vielleicht könnten andere Länder
222  billiger einige Divisionen in die Bundesrepublik entsenden. Man
223  sollte es einmal mit einer internationalen Ausschreibung versuchen.
224  Zu dem " Zahlungsbefehl aus Übersee " wäre nur festzustellen,
225  daß die Bundesrepublik Deutschland nicht bis zum Sankt-
226  Nimmerleins-Tag die Melkkuh der USA sein kann. Und
227  sollten die Soldaten wirklich abziehen? Die Amerikaner haben uns
228  befreit. Dafür danken wir ihnen. Sie haben aber auch einen Teil
229  der heutigen DDR besetzt gehabt - und den Russen übergeben.
230  Wir Bundesrepublikaner haben endlich eine mutige Regierung
231  gefunden, die bewiesen hat, daß sie die Probleme mit ihren
232  Nachbarn im Westen und Osten selbst anpacken und auch lösen kann.
233  Sagen wir ja zum Abzug. Die USA bezahlen ihre Truppe so und
234  so, ob daheim oder hier in Europa. Eine über den normalen Sold
235  hinausgehende " Überseezulage " scheint angesichts der für alle
236  Amis äußerst profitablen Wechselkurse des Dollars alles andere
237  als gerechtfertigt zu sein. Allenfalls sind für die weiteren
238  Urlaubsheimreisen, für Porto und für den Antransport der zum
239  American way of life gehörenden Bedarfsgüter erhöhte Bezüge
240  zuzugestehen. Internationale Anerkennung. (Nr. 37
241  /1970, Zeitgeschichte). Sie haben, wie es scheint, in
242  Ihrem Artikel über Quisling unter anderem aus einem Buch des
243  zuzugestehen. Internationale Anerkennung. (Nr. 37
244  /1970, Zeitgeschichte). Sie haben, wie es scheint, in
245  dreimal hängen ". Die norwegische Ausgabe dieses Buches war
246  Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, wonach die Bezeichnung "
247  Geschichtsfälschung " nicht widerlegt wurde. Es besteht also
248  aller Grund, an der Echtheit des Zitats zu zweifeln. Im
249  übrigen verweise ich darauf, daß die Art und Weise, in der das
250  Gerichtsverfahren gegen Quisling durchgeführt wurde, allgemeine
251  internationale Anerkennung gefunden hat. Deutsche Eiche.
252  (Nr. 35/1970, Martin Walser über Fritz Seidenzahl "
253  Hundert Jahre Deutsche Bank "). Man fragt sich immer
254  wieder staunend, wie es wohl möglich war und noch immer ist, den
255  Anteil des Bankwesens an der Mitbestimmung der Geschicke der
256  Welt im öffentlichen Bewußtsein so unzutreffend gering zu
257  schätzen, wenn man kritische Sachbücher wie die von Walser
258  genannten beiden Arbeiten Czichons über neuere und neueste Finanz
259  geschichte und Wirtschaftsgeschichte studiert. Offenbar
260  ist das öffentliche Vorurteil bei uns so von antisozialistischen
261  Topoi besetzt, daß kritische Beschäftigung mit Bankengeschichte
262  bereits als unerlaubtes Experimentieren mit heiligen Kühen gilt
263  und für unschicklich gehalten wird. Nicht nur zur Ehrung des kurz
264  nach Vollendung der " Hundert Jahre Deutsche Bank
265  " verstorbenen Autors und langjährigen Bank-Archivars Fritz
266  Seidenzahl, sondern nicht weniger auch der Korrektheit halber muß
267  ergänzt werden, daß dieser ungemein kenntnisreiche und
268  gewissenhafte Börsenfachmann und Bankenfachmann diesen
269  Widerspruch deutlich gesehen und beklagt hat. In einem langen
270  Beratungsgespräch über Probleme der Bankengeschichtsschreibung
271  setzte er sich mit der historiographisch skandalösen Ausklammerung
272  oder Unterschätzung des Bankwesens auseinander. Sinngemäß
273  führte er aus, daß Bankengeschichte für das 19.und 20.
274  Jahrhundert mindestens so wichtig sei wie Kirchengeschichte für
275  das Mittelalter und die frühere Neuzeit; Bankengeschichte sei
276  darum mindestens zur Etablierung als historische Hilfswissenschaft
277  zu empfehlen, wenn neue Institute und Hochschulen eingerichtet
278  würden. Solange die Bankengeschichte eine Sache der Banken
279  selbst bleibe, könne sich die Bankengeschichtsschreibung nicht aus
280  ihrem " heroischen Zeitalter " der Jubiläumspublikationen
281  und Gedenkpublikationen emanzipieren.

Zum Anfang dieser Seite