Quelle Nummer 337
Rubrik 08 : GESELLSCHAFT Unterrubrik 08.22 : SOZIOLOGIE
SYSTEMTHEORIE
JUERGEN HABERMAS/ NIKLAS LUHMANN
THEORIE DER GESELLSCHAFT ODER SOZIALTECHNOLOGIE
SUHRKAMP VERLAG FRANKFURT 1971, S. 146-
001 Systemtheorie der Gesellschaft oder Sozialkybernetik?.
002 Luhmanns Systemtheorie der Gesellschaft ist ihrem Anspruch
003 nach mehr und anderes als Sozialkybernetik. Darauf beruht ihre
004 Durchschlagskraft. Luhmann kennt den Preis reduktionistischer
005 Verfahren. Die Systemtheorie ist zunächst als Theorie
006 informationsverarbeitender Maschinen entstanden und hat ihre
007 empirisch-analytische Anwendung im Bereich der Biologie
008 gefunden: Organismen lassen sich als selbstgeregelte Systeme
009 auffassen. Allein, Organismen sind auf der Basis von " Leben "
010 integriert, Sozialsysteme auf der Basis von " Sinn ".
011 Deshalb legt Luhmann die Systemtheorie der Gesellschaft nicht als
012 Sozialkybernetik an. Eine bloße Übertragung biokybernetischer
013 Modelle auf gesellschaftliche Systeme, wie sie beispielsweise in
014 der Organisationssoziologie, aber auch in Teilen der
015 Makroökonomie mit Erfolg praktiziert wird, erzwingt den Preis
016 der Abstraktion von genau den Sinnzusammenhängen, die konstitutiv
017 sind für den Aufbau von Handlungssystemen. Luhmanns Strategie
018 zielt auf eine Systemtheorie der Gesellschaft, die einerseits den
019 analytischen Ansatz der Kybernetik nutzt, ohne sich andererseits
020 an den Rahmen der bisher für Maschinen und Organismen
021 ausgearbeiteten Theorie selbstgeregelter Systeme zu binden.
022 " Soll das gelingen, muß jedoch die Theorie sinnkonstituierender,
023 nämlich psychischer und sozialer Systeme auf einen Stand gebracht
024 werden, der dem der Maschinentheorie und dem der Organismustheorie
025 entspricht. " Zum Erfolg führen kann diese Strategie freilich
026 nur, wenn sich die allgemeine Systemtheorie auf einer Ebene
027 entfalten läßt, auf der sie für soziale Systeme ebenso gilt wie
028 für Maschinen und Organismen, ohne unbestimmt zu werden.
029 Luhmann bemüht sich um beides: zunächst generalisiert er die
030 Grundbegriffe der Kybernetik, um den Anwendungsbereich der
031 Systemtheorie zu erweitern; und dann spezifiziert er die
032 Leistungen sinnverarbeitender Systeme, indem er " Sinn " als
033 Grundbegriff der Soziologie einführt. Ich will diese beiden
034 Schritte nachkonstruieren, um zu zeigen, daß Luhmann dabei ein
035 systematisch folgenreicher " Kategorienfehler " unterläuft.
036 Luhmann führt die Grundbegriffe System/Umwelt und
037 Komplexität nicht, wie beispielsweise Ashby, formal ein; er
038 interpretiert sie von Anbeginn nach dem Organismus-Umwelt-
039 Modell. Systeme sind auf Zeit invariant strukturierte Einheiten,
040 die sich in einer komplexen und veränderlichen Umwelt durch
041 Stabilisierung einer Innen/Außen-Differenz erhalten.
042 Der Begriff des grenzerhaltenden Systems bezieht sich mithin
043 gleichermaßen auf das System wie auf die Austauschrelationen, die
044 zwischen System und Umwelt bestehen. Die Erhaltung des Systems
045 wird als eine Ordnungsleistung des Systems selber im Verhältnis
046 zu seiner Umwelt aufgefaßt. Das System löst, solange es
047 überhaupt besteht, die permanente Aufgabe, einer gegenläufigen
048 kontingenten Umgebung die relative Invarianz seiner Grenzen und
049 seiner Struktur abzugewinnen. Bestandserhaltung ist oberstes
050 Systemproblem; permanente Bestandsgefährdungen charakterisieren
051 das Verhältnis des Systems zu seiner Umwelt ebenso wie die
052 Systemleistungen, die die Gefährdungen abwehren. Der Begriff
053 der Komplexität dient dazu, das Verhältnis System-Umwelt
054 formal zu bestimmen. Komplex nennt man ein System, das mindestens
055 zwei Zustände, die mit seiner Struktur vereinbar sind, annehmen
056 kann. In jedem Fall schließt die Systemstruktur mehr Zustände
057 aus, als die Umgebung des Systems annehmen kann: deshalb können
058 wir auch sagen, daß die Umwelt immer komplexer ist als ein System.
059 Komplexität ist nach diesem Sprachgebrauch ein Maß für die
060 Anzahl von Ereignissen und Zuständen in der Welt
061 (Weltkomplexität) oder für die Anzahl der Zustände eines
062 Systems (Eigenkomplexität). Systeme bilden und erhalten mit
063 ihrer stabilisierten Grenze Inseln geringerer Komplexität; die
064 Ordnung eines Systems ist unwahrscheinlicher als die seiner Umwelt.
065 Es gehört nun zu den Erhaltungsbedingungen eines Systems, daß
066 es hinreichend viele Zustände annehmen kann, um sich an die
067 Ereignisvariationen der Umwelt anpassen zu können. Seine
068 Eigenkomplexität muß ausreichen, um auf Änderungen der Umwelt,
069 die das System betreffen, systemerhaltende Reaktionen zu
070 ermöglichen. Das ist ein informeller Ausdruck für Ashbys
071 " Law of Requisite Variety ". " Reduziert " ist der Teil der
072 Weltkomplexität, d. h. die Klasse von systemrelevanten
073 Ereignissen in der Welt, die das System " erfassen " und auf
074 die es mit angemessenen Zustandsänderungen reagieren kann: das
075 ist dann die operativ beherrschte Umwelt des Systems. Ein System
076 kann sein Bestandsproblem solange lösen, als die
077 Selektionsleistungen ausreichen, um den Weltausschnitt zu erfassen
078 und operativ zu beherrschen, der für die Bestandserhaltung des
079 Systems tatsächlich relevant ist. Aus dem Komplexitätsgefälle
080 zwischen Welt und System folgt, daß Systeme nicht mit jeder
081 möglichen Umwelt kompatibel sein können. Ihr Fortbestand ist
082 immer prekär und jeweils nur innerhalb der Grenzen der
083 Kompatibilität gesichert, die von den Selektionsleistungen
084 abhängen. Das Systemproblem der Bestandserhaltung muß mithin
085 durch Erfassung und Reduktion eines ausreichenden Maßes von
086 Weltkomplexität gelöst werden. Das Systemverhalten läßt sich
087 mit Bezug auf dieses Problem als Leistung oder
088 Problemlösungsverhalten deuten. Auf der Grundlage solcher (und
089 ähnlicher) Umformilierungen des Grundproblems der
090 Lebenserhaltung hat die Biokybernetik ihre unbestrittenen
091 theoretischen Erfolge erzielt. Das Modell ist offensichtlich für
092 die Leistungen organischer Systeme angemessen. Luhmann führt die
093 kybernetischen Grundbegriffe auf genau dieser Ebene ein. Er sieht
094 aber, daß der kategoriale Rahmen modifiziert werden muß, wenn
095 das Systemmodell für die Untersuchung sozialer Systeme ebenso
096 angemessen sein soll wie für organische. Die empirisch-
097 analytische Anwendung kybernetischer Modelle ist nämlich davon
098 abhängig, daß zwei methodische Bedingungen erfüllt werden
099 können: () das System muß eindeutig gegen seine Umwelt
100 abgegrenzt werden können (Identifikation der Grenzen des Systems);
101 () die Zielwerte, die den Sollzustand des Systems in
102 angebbaren Zeiträumen bestimmen, müssen empirisch ermittelt
103 werden können (Identifikation des Sollzustandes). Nur dann
104 läßt sich der Systembestand empirisch erfassen. Das ist
105 erforderlich, um das beobachtbare Verhalten des Systems als
106 " Leistung " im Hinblick auf die problematische Erhaltung des
107 Systembestandes der empirischen Analyse zugänglich zu machen.
108 Die Biokybernetik kann die genannten Bedingungen in der Regel
109 erfüllen, weil ihr mit dem einzelnen Organismus ein empirisch
110 erfaßbares Makrosystem jeweils vorgegeben ist. Luhmann sieht,
111 daß den Sozialwissenschaften ein empirisch ebenso brauchbares
112 Paradigma fehlt. Das zeigt sich auch beim Vergleich von
113 Organismen mit den Einheiten, die auf soziokultureller Ebene am
114 ehesten mit Organismen verglichen werden können: beim Vergleich
115 mit Organisationen. Eine operationell befriedigende
116 Abgrenzung sozialer Systeme gelingt nicht deshalb nicht, weil
117 wir dabei auf forschungspragmatische Schwierigkeiten stoßen,
118 sondern weil die Ermittlung von symbolisch konstituierten
119 Sinngrenzen grundsätzliche hermeneutische Schwierigkeiten mit sich
120 bringt. Diese Meßprobleme lassen sich meiner Auffassung nach
121 erst lösen, wenn wir über eine befriedigende allgemeine
122 Theorie der Sprache und der umgangssprachlichen Kommunikation
123 verfügen. Luhmann möchte anscheinend der prinzipiellen
124 Schwierigkeit auf eine ähnliche Weise beikommen: " Es ist
125 wichtig, sich die Leistungsfähigkeit, aber auch die Problematik
126 sinnvermittelter Selektivität klarzumachen, unter anderm deshalb,
127 weil das Problem der Systemgrenzen dadurch eine besondere Note
128 bekommt. Das Problem, die Grenzen des Systems der Gesellschaft
129 anzugeben, seien es territoriale Grenzen, Grenzen personeller
130 Zugehörigkeit, Grenzen der integrierenden Kultur oder was immer
131 als Kriterium angeboten worden ist, ist bis heute nicht
132 befriedigend gelöst worden. Es ist deshalb notwendig, sich vor
133 Augen zu führen, daß es sich nur um Sinngrenzen handeln kann,
134 nicht, wie bei Dingen oder Organismen, um physische Grenzen;
135 und Sinngrenzen sind nichts anderes als Selektionshilfen. " In
136 unserem Zusammenhang wichtiger ist eine weitere Schwierigkeit
137 *eh, die ebenfalls prinzipieller Art ist und nicht nur auf eine
138 vergleichsweise höhere strukturelle Variabilität der
139 Gesellschaften gegenüber Organismen zurückgeführt werden kann.
140 Auch das gesteht Luhmann zu: " Die Biologie hat ein
141 eindeutiges empirisches Bezugssystem, das den Sozialwissenschaften
142 fehlt. Ein soziales System ist nicht wie ein Organismus typenfest
143 fixiert. Aus einem Esel kann keine Schlange werden, selbst wenn
144 eine solche Entwicklung zum Überleben notwendig wäre. Eine
145 Sozialordnung kann dagegen tiefgreifende strukturelle Änderungen
146 erfahren, ohne ihre Identität und ihren kontinuierlichen Bestand
147 aufzugeben. Sie kann sich aus einer Agrargesellschaft in eine
148 Industriegesellschaft verwandeln, aus einer Großfamilie kann ein
149 Stamm mit überfamiliarer politischer Ordnung werden, ohne daß
150 entscheidbar wäre, wann ein neues System vorliegt. Damit hängt
151 eng zusammen, daß den Sozialwissenschaften das klar geschnittene
152 empirische Problem des Todes fehlt, das in der Biologie als
153 Kriterium für den Fortbestand dient. So verschwimmt den
154 Sozialwissenschaften das Problem des Fortbestandes eines
155 Sozialsystems ins Unbestimmte. Es kann treffend eingewendet
156 werden, daß der Bestand eines sozialen Systems selten faktisch in
157 Frage steht, daß es nur wenige wirklich bestandskritische
158 funktionale Leistungen gibt und daß der Erklärungswert dieser
159 Theorie (die funktionale Leistungen auf das Problem der
160 Bestandsicherung des Systems bezieht) daher gering ist. "
161 Bisher ist es nicht gelungen, universale Bestandsvoraussetzungen
162 sozialer Systeme zu ermitteln; und sie können auch nicht
163 ermittelt werden, weil es sie als Invarianten gar nicht gibt.
164 Bestandsvoraussetzungen sozialer Systeme können nämlich als
165 Größen, die von einem historisch veränderlichen kulturellen
166 Selbstverständnis vergesellschafteter Individuen unabhängig sind,
167 nicht einmal sinnvoll konzeptualisiert werden. Das " klar
168 geschnittene " Problem des Todes und ein entsprechendes
169 Überlebenskriterium fehlen, weil Gesellschaften miemals das
170 " nackte " Leben reproduzieren, sondern stehts ein kulturell
171 definiertes Leben. Wenn wir den Identitätswechsel sozialer
172 Systeme nach dem Muster naturgeschichtlicher Evolution selbst noch
173 systemtheoretisch fassen wollten - und das ist der Anspruch einer
174 Theorie der sozialen Evolution -, dann müßten wir den Wandel
175 der zugleich weltauslegenden und identitätsverbürgenden
176 Deutungssysteme innerhalb eines abstrakten Rahmens untersuchen,
177 der einen für alle möglichen sozialen Systeme geltenden
178 Sollzustand zu bestimmen gestattet. Im übrigen sind soziale
179 Systeme dadurch ausgezeichnet, daß sie ihre
180 Bestandsvoraussetzungen selber manipulieren können; auch deshalb
181 können diese nicht als unabhängige Daten behandelt werden. Die
182 Schwierigkeit liegt auf der Hand. Einerseits wird auf
183 soziokultureller Entwicklungsstufe das Bestandsproblem unscharf
184 (und die Rede vom " Überleben " metaphorisch); andererseits
185 verlangt der grundbegriffliche Rahmen der Kybernetik unabhängige
186 und eindeutige empirische Indikatoren für Grenzen und Sollzustand
187 eines jeden Systems, dessen Leistungen unter dem Gesichtspunkt
188 der Systemerhaltung funktional untersucht werden sollen. Luhmann
189 möchte dieser Schwierigkeit, die er keineswegs leugnet, mit einer
190 Radikalisierung der Grundbegriffe begegnen. An die Stelle einer
191 strukturell-funktionalen setzt er eine funktional-
192 strukturelle Systemtheorie. Das Bestandsproblem, ist seiner
193 Auffassung nach nur solange oberstes Bezugsproblem, als der
194 funktionalistischen Analyse als Bezugspunkt jeweils eine
195 Systemstruktur vorgegeben ist. Nun kann aber der Wandel
196 der Systemstrukturen selber noch einer funktionalistischen Analyse
197 zugänglich gemacht werden. Die Bildung von Strukturen ist ebenso
198 eine selektive Leistung, durch die Komplexität reduziert wird,
199 wie die Prozesse, die innerhalb eines Systems ablaufen.
200 Systemstrukturen sind gleichsam geronnene Reduktionen von
201 Weltkomplexität. Die Bildung von Systemstrukturen und der
202 innersystemische Ablauf von Prozessen können im Hinblick auf die
203 abstrakte Aufgabe der Reduktion von Komplexität als funktional
204 äquivalent angesehen werden: " Die funktional-strukturelle
205 Theorie kann auch den Unterschied von Struktur und Prozeß noch
206 unter einen funktionalen Gesichtspunkt bringen, ihn als funktional
207 sinnvolle Differenzierung der Wirklichkeit ansehen und auf das
208 Problem der Komplexität beziehen. Sie sieht die Funktion der
209 Differenzierung von Struktur und Prozeß in der Reduktion von
210 Komplexität durch doppelte Selektivität ". Diese Überlegung
211 ist nicht falsch, aber Luhmann zieht daraus einen falschen Schluß.
212 Er glaubt nämlich, die Asymmetrie aufheben zu können, die
213 sich für jede funktionalistische Analyse zwischen den Leistungen
214 eines Systems einerseits und dem Bestand eines Systems
215 andererseits, also zwischen Prozeß und Struktur unvermeidlich
216 ergibt. Die unter dem Gesichtspunkt der doppelten Selektivität
217 erweiterte Systemtheorie soll den Rahmen abgeben, in dem nach der
218 Funktion von Änderungen der Systemstrukturen selbst gefragt
219 werden kann, " ohne dabei eine (jeweils) umfassende (re)
220 Systemstruktur als Bezugspunkt der Frage voraussetzen zu müssen ".
221 Wenn es sich so verhielte, ließe sich die systemrelative
222 Bestandsproblematik noch einmal relativieren. Das Bestandsproblem
223 ließe sich dann in der Tat als " eines von mehreren zweitletzten
224 Problemen " hinterfragen; es könnte durch ein abstrakteres
225 Problem ersetzt werden - eben das der Reduktion von
226 Weltkomplexität (und einer entsprechenden Steigerung von
227 Eigenkomplexität). Damit wäre auch die prinzipielle
228 Schwierigkeit der soziokulturellen " Unschärfe " des
229 Bestandsproblems aus dem Wege geräumt. Die Unstimmigkeit dieser
230 für Luhmanns Ansatz folgenreichen Argumentation ist indessen
231 leicht zu sehen. Solange Luhmann am systemtheoretischen Rahmen
232 festhält, kann er den Grundbegriff " Reduktion von
233 Weltkomplexität " nur mit Bezugnahme auf das Problem der
234 Bestandserhaltung selbstgeregelter Systeme einführen. Auch die
235 Funktion der Bildung von Strukturen kann daher nicht ohne
236 Bezugnahme auf ein jeweils umfassenderes System untersucht werden,
237 dessen Strukturen dann für Zwecke der Analyse konstant gehalten
238 werden müssen. Die Asymmetrie zwischen Systembestand (Struktur)
239 und systemerhaltenden Leistungen (Prozeß) ist auf analytischer
240 Ebene nicht aufzuheben, es sei denn um den Preis der
241 kybernetischen Grundbegriffe selber, zu denen auch Reduktion von
242 Komplexität gehört. Luhmann macht gleichwohl den Versuch, ein
243 " letztes " Bezugsproblem zu suchen, " das keine
244 systemstrukturellen Voraussetzungen mehr impliziert ". Dabei muß
245 er sich in Widersprüche verwickeln. Wenn Reduktion von
246 Weltkomplexität dieser " letzte " strukturunabhängige
247 Bezugspunkt der Anlayse sein soll, dann muß Weltkomplexität als
248 ein vor aller Strukturbildung objektiv gestelltes Problem
249 eingeführt werden. " Welt " muß dann als Problem " an sich "
250 gedacht werden, so daß die Bildung von Strukturen (und zwar
251 " erster " Strukturen) als Lösung jenes Urproblems erscheinen
252 kann. Die Welt als Inbegriff aller Ereignisse und Zustände ist
253 selber kein System, das in seinem Bestand bedroht werden könnte.
254 Sie ist vielmehr für alle Bestände in der Welt aufgrund ihrer
255 Überkomplexität eine Bedrohung; so kann man sagen, daß die
256 Welt ein Problem darstellt. Aber eine problematische Welt kann
257 nicht ohne mindestens ein gleichursprüngliches System
258 gedacht werden, für das sie ein Problem darstellt.
259 Luhmann wird hingegen, weil er die Bildung von Struktur
260 überhaupt, gleichsam die Entstehung der Organisationsform
261 " System " selber noch als die Lösung eines Urproblems aufgefaßt
262 wissen möchte, zu dem unsinnigen Begriff einer Welt geführt,
263 die von allem Anfang an oder eben " an sich " ein Problem
264 darstellen soll. Problematisch wird die Weltkomplexität nur für
265 den Bestand von Systemen. Die Aufgabe der Reduktion von
266 Weltkomplexität kann deshalb (in diesem Bezugsrahmen) gar nicht
267 unabhängig von möglichen Systemstrukturen bestimmt werden.
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