Quelle Nummer 296
Rubrik 06 : RECHT Unterrubrik 06.22 : AUSLAENDISCHES
UNTERSUCHUNGSHAFT IM AUSL. RECHT
H.-H. JESCHEK, J. KRUEMPELMANN (HRSG.)
DIE UNTERSUCHUNGSHAFT IM DEUTSCHEN, AUSLAENDISCHEN
UND INTERNATIONALEN RECHT
LUDWIG ROEHRSCHEID VERLAG BONN 1971, S. 559
001 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der
002 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz findet im schwedischen
003 Haftrecht seinen Ausdruck darin, daß in RB 24.1 die
004 besonderen Haftgründe, die zu dem Tatverdacht hinzutreten müssen,
005 verschieden sind, je nachdem welche Strafe auf die Tat, welcher
006 der Beschuldigte verdächtig ist, folgt. RB 24.1
007 unterscheidet mit Gefängnis (Abs. 1-3) und nur mit
008 Geldstrafe (Bußen) oder befristeter Amtsenthebung (Abs. 4)
009 bedrohte strafbare Handlungen. In der schwedischen Literatur zu
010 RB 24 herrscht Einigkeit darüber, daß grundsätzlich nach dem
011 abstrakten, im Strafgesetz (brottsbalk) angegebenen Strafrahmen
012 zu entscheiden sei, zu welcher dieser Gruppen die den Gegenstand
013 des Verfahrens bildende Tat gehört. Jedoch ist bei der Prüfung
014 der Haftvoraussetzungen auch zu untersuchen, welche Strafe im
015 konkreten Fall voraussichtlich ausgesprochen wird; hiervon hängt
016 es ab, welche Voraussetzungen neben dem Tatverdacht im konkreten
017 Fall gegeben sein müssen, um den Beschuldigten verhaften zu
018 dürfen. Von dem Richter wird hier also eine Prognose über die
019 zu erwartende Strafe verlangt. Wenn auch regelmäßig im
020 Zeitpunkt der Entscheidung über die Verhaftung nicht genügend
021 Material vorliegen wird, um erkennen zu können, welche Strafe
022 der Beschuldigte zu erwarten haben wird, kann jedoch gelegentlich
023 schon in diesem Zeitpunkt klar sein, daß - auch wenn eine
024 Gefängnisstrafe im Strafrahmen enthalten ist - im konkreten
025 Fall nur eine Geldstrafe in Betracht kommen wird; in einem
026 solchen Fall darf eine Verhaftung nicht erfolgen (RB 24.1
027 Abs. 4).Hinsichtlich der mit Gefängnis bedrohten
028 Straftaten wird in RB 24.1 nach dem Strafrahmen
029 differenziert. Die Grundregel ist in RB 24.1 Abs. 1
030 enthalten, wonach bei strafbaren Handlungen, für welche
031 Gefängnisstrafe von einem Jahr und darüber angedroht wird,
032 die Untersuchungshaft angeordnet werden darf, wenn einer der drei
033 besonderen Haftgründe (Fluchtgefahr, Verdunkelungs
034 gefahr und Rezidivgefahr) neben dem Tatverdacht aus
035 glaubhaften Gründen gegeben ist. Handelt es sich um eine
036 leichtere Straftat, für welche Gefängnis unter einem Jahr
037 angedroht wird, so sind die Verhaftungsmöglichkeiten schon
038 wesentlich eingeschränkt. In diesen Fällen darf nach RB 24.
039 1 Abs. 2 eine Verhaftung nur erfolgen, wenn der
040 Beschuldigte in Schweden keinen festen Wohnsitz hat und
041 die begründete Besorgnis besteht, daß er flüchten wird. -
042 Aus dieser dem 113 StPO entsprechenden Vorschrift geht
043 zunächst einmal hervor, daß in diesen Fällen gegen in Schweden
044 einen ständigen Wohnsitz habende Personen eine Verhaftung
045 überhaupt nicht möglich ist, es sei denn, daß eine der
046 Alternave des RB 24.2 auf sie zutrifft. Schon hierin liegt
047 eine erhebliche Einschränkung des Verhaftungsrechts, die noch
048 weiter geht, wenn man berücksichtigt, daß bei Straftaten dieser
049 Art gegen in Schweden nicht ständig ansässige Personen ein
050 Verhaftungsbeschluß nur bei Vorliegen einer Fluchtgefahr im
051 eigentlichen Sinn zuläßig ist, wie der Wortlaut des Gesetzes
052 deutlich ergibt, das Vorliegen einer Fluchtgefahr im weiteren
053 Sinn oder gar einer Verdunkelungsgefahr nicht ausreicht.
054 Gleichgültig ob der Beschuldigte einen ständigen Wohnsitz in
055 Schweden hat oder nicht, darf nach RB 24.1 Abs. 4 eine
056 Verhaftung überhaupt nicht erfolgen, wenn anzunehmen ist, daß
057 die strafbare Handlung, deren der Beschuldigte dringend
058 verdächtig ist, nur mit Geldstrafe (böter) oder
059 befristeter Amtsenthebung (mistning av befattning) geahndet
060 werden wird. In solchen Fällen ist ein gerechtes Verhältnis
061 zwischen der Untersuchungshaft und schließlicher Strafe in der
062 Regel nicht gegeben. Aus dem Wortlaut von RB 24.1 Abs.
063 4 " Ist anzunehmen, daß (...) " geht hervor, daß hier die im
064 konkreten Fall auszusprechende Strafe gemeint ist, von dem
065 Richter also auch in den Fällen des RB 24.1 Abs. 1 und
066 3 eine Prognose verlangt wird dahingehend, welche Strafe der
067 Beschuldigte zu erwarten hat. Das bedeutet: In Fällen, in
068 denen eine Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe
069 alternativ angedroht wird, ist zwar eine Verhaftung unter den
070 Voraussetzungen von RB 24.1 Abs. 1 und 2 grundsätzlich
071 zulässig; ergeben jedoch schon die Ermittlungen, daß lediglich
072 eine Geldstrafe ausgesprochen werden wird, darf nach RB 24.1
073 Abs. 4 die Verhaftung nicht erfolgen. Im Hinblick auf den
074 Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist von großem Interesse die
075 Bestimmung des RB 24.2, die dem 113 Abs. 2 Ziff.
076 2 u. 3 StPO entspricht. Es sind zwei Fälle zu unterscheiden:
077 Verhaftung zur Identitätsfeststellung und Verhaftung von
078 fluchtverdächtigen Personen, die in Schweden nicht wohnhaft sind.
079 RB 24.2 läßt unabhängig von der Art der Tat eine
080 Verhaftung dann zu, wenn der einer strafbaren Handlung aus
081 glaubhaften Gründen verdächtige Beschuldigte unbekannt ist und
082 sich weigert, seinen Namen und Wohnsitz anzugeben, oder Anlaß
083 zu der Annahme besteht, daß er darüber falsche Angaben gemacht
084 hat. In diesem Fall ist eine praesumtio iuris et de iure dafür
085 gegeben, daß der Beschuldigte sich dem Strafverfahren entziehen
086 will; um hier die Möglichkeit einer Durchführung des
087 Verfahrens überhaupt zu schaffen, darf eine Verhaftung des
088 Beschuldigten erfolgen, ohne daß auf die Schwere der Tat oder
089 den gesetzlichen Strafrahmen Rücksicht genommen werden müßte.
090 Weigert sich ein einer Straftat verdächtiger Unbekannter, seinen
091 Namen und Wohnsitz anzugeben, darf er auch verhaftet werden, wenn
092 anzunehmen ist, daß er nur zu einer Geldstrafe oder zu befristeter
093 Amtsenthebung verurteilt wird, seine Verhaftung also, wäre seine
094 Identität festgestellt, nicht zulässig wäre. Ist der
095 Beschuldigte aber identifiziert, oder stellen sich seine Angaben
096 als zutreffend heraus, ist er auch dann freizulassen, wenn er
097 selbst zu seiner Identifizierung nicht beigetragen hat; die in
098 diesem Fall angeordnete Haft dient nur der Identifizierung, ist
099 aber keine Ordnungsstrafe für das Verhalten des Beschuldigten,
100 wenn man auch nicht verkennen darf, daß hier die Untersuchungshaft
101 deutlich den Charakter einer Beugehaft tragen kann. Die Pflicht,
102 den Beschuldigten nach seiner Identifizierung freizulassen,
103 ergibt sich aus RB 24.19, wonach das Gericht die
104 Freilassung unverzüglich anzuordnen hat, wenn Gründe für eine
105 Verhaftung nicht mehr vorliegen. Wesentlich größere
106 Bedeutung als die Verhaftung zur Identitätsfeststellung -
107 Olivecrona weist daraufhin, daß in den meisten Fällen die
108 Identifizierung erfolgt, ohne daß zu einer Verhaftung geschritten
109 werden muß - hat der zweite in RB 24.2 genannte Fall.
110 Hiernach ist unabhängig von der Art der Tat eine Verhaftung auch
111 dann möglich, wenn der Beschuldigte keinen festen Wohnsitz in
112 Schweden hat und die begründete Besorgnis besteht, daß
113 er sich durch Ausreise aus Schweden der Aburteilung oder Strafe
114 entziehen wird, also Fluchtgefahr im eigentlichen Sinn gegeben ist.
115 Von dieser Bestimmung werden vor allem ausländische Seeleute,
116 Touristen und Kraftfahrer betroffen, die sich nur vorübergehend
117 in Schweden aufhalten und dort keinen Wohnsitz haben. Zwar werden
118 diese Personen nicht ausdrücklich im Gesetz genannt, jedoch
119 ergibt sich aus dem Gutachten der PLB und aus dem Zirkulär Nr.
120 90 der Reichsanklagebehörde (schwed. riks†
121 klagarämbetet) vom 30.6.1959, daß RB 24.2, 2.
122 Alternative, besonders ihnen gegenüber an Bedeutung gewinnt.
123 Gegen diese Personen darf auch bei Verdacht auf eine nur mit einer
124 Geldstrafe bedrohten Handlung die Verhaftung angeordnet werden;
125 in anderen schweren Fällen wird die Verhaftung des Beschuldigten
126 regelmäßig nach den in RB 24.1 enthaltenen Bestimmungen
127 erfolgen können. Dill‚n vertritt die Auffassung, daß an
128 den Nachweis der Fluchtgefahr in RB 24.2 keine zu großen
129 Anforderungen gestellt werden dürfen; er steht aber mit dieser
130 Auffassung im schwedischen Schrifttum zu RB 24.2 allein da.
131 Wenn auch bei den Personengruppen, auf welche RB 24.2 vor
132 allem Anwendung findet, die Gefahr, daß sie sich der
133 Aburteilung oder Strafe durch Flucht entziehen werden, größer
134 ist, als bei in Schweden fest wohnhaften Beschuldigten, müssen
135 auch hier die Gründe für die Besorgnis einer Flucht ebenso genau
136 geprüft werden wie bei anderen Beschuldigten. Dadurch, daß RB
137 24.2 die Verhaftung auch bei nur mit Geldbußen bedrohten
138 Taten zuläßt, ist an sich die Möglichkeit gegeben, auch bei
139 geringfügigen Verstößen (z. B. Fahrlässigkeitstaten)
140 gegen die Straßenverkehrsregeln den Beschuldigten zu verhaften.
141 Hier aber hat der Reichsankläger in dem Zirkulär Nr. 90
142 unter Berufung auf einen im Jahresbericht 1950 des
143 Justizombudsmannes behandelten Fall (JO 1950.161 ff.)
144 ausgeführt, daß in den Fällen eines einfachen
145 Ordnungsverstoßes oder der Unachtsamkeit im Straßenverkehr,
146 wenn diese nicht von ernsterer Beschaffenheit ist, die Verhaftung
147 des der Tat beschuldigten Ausländers nicht angemessen erscheint,
148 und daß auch bei von Ausländern verübten Straftaten die übliche
149 Regel, daß kein größerer Zwang als notwendig ausgeübt werden
150 sollte, zu beachten ist. Soweit andere Maßnahmen, z. B.
151 Reiseverbot oder Erlaß eines Strafbescheides, ausreichend
152 erscheinen, um die Durchführung des Strafverfahrens gegen den
153 Beschuldigten zu ermöglichen, darf eine Verhaftung nicht erfolgen.
154 Diese soll grundsätzlich nur beschlossen werden, wenn der
155 Ausländer eines Verkehrsdelikts beschuldigt wird, das
156 voraussichtlich mit einer Gefängnisstrafe geahndet werden wird (z.
157 B *cp grobe Unachtsamkeit, Trunkenheit am Steuer,
158 Fahrerflucht nach Unfall mit Personenschaden). Die
159 Ausführungen im Zirkulär Nr. 90 lassen deutlich erkennen,
160 daß die schwedische Praxis den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im
161 weiteren Umfang anerkennt, als er im Wortlaut des Gesetzes seine
162 Ausprägung gefunden hat. Der
163 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hat gesetzgeberischen Ausdruck in
164 RB 24.3 Abs. 1 S. 1 gefunden. Bei Jugendlichen
165 und Kranken darf eine Verhaftung nicht erfolgen, wenn
166 anzunehmen ist, daß sie für den Beschuldigten ernsten Schaden
167 mit sich bringen kann und die Überwachung des Beschuldigten so
168 gestaltet werden kann, daß keine Gründe mehr für eine
169 Verhaftung vorliegen, d. h. Fluchtgefahr,
170 Verdunkelungsgefahr oder Fortsetzungsgefahr durch sie
171 ausgeschlossen werden können. Eine Altersgrenze ist für
172 Jugendliche in RB 24.3 Abs. 1 S. 1 nicht
173 ausdrücklich festgelegt worden, obwohl die Prozeßgesetzkommission
174 die Vorschrift auf Kranke und Jugendliche unter 18 Jahren
175 beschränkt wissen wollte; in den Beratungen des Gesetzes
176 erschien jedoch eine solche Beschränkung als willkürlich, so daß
177 man sich entschloß, die in RB 23.4 vorgesehenen
178 Erleichterungen Jugendlichen ganz allgemein ohne Begrenzung auf
179 ein bestimmtes Lebensalter zu gewähren. Bei den ernsten Schäden,
180 die die Untersuchungshaft für Jugendliche mit sich bringen kann,
181 ist vor allem auch an die sittlichen Schäden, die ein
182 Jugendlicher im Gefängnis erleiden kann, zu denken. Es ist nun
183 aber zu beachten, daß RB 24.3 Abs. 1 S. 2 u. 3
184 die gegenüber Jugendlichen und Kranken bestehende Erschwerung der
185 Verhaftungsmöglichkeiten noch verstärkt, wenn es sich um
186 Jugendliche unter 18 Jahren und um Frauen handelt, die im
187 vorgeschrittenen Zustand schwanger sind oder so kurz zuvor
188 niedergekommen sind, daß durch die Verhaftung für sie oder das
189 Kind ernster Schaden zu befürchten steht. Diese Personen
190 dürfen nicht verhaftet werden, es sei denn, es kann offensichtlich
191 keine ausreichende Überwachung durchgeführt werden. In 7 des
192 Gesetzes vom 20.3.1964, enthaltend besondere Vorschriften
193 über junge Gesetzesbrecher (schwed. Lag 20 mars 1964 med
194 särskilda bestämmelser om unga lagöverträdare), wird bestimmt,
195 daß derjenige, der unter 18 Jahre alt ist, nicht verhaftet werden
196 darf, es sei denn, daß besondere Gründe dafür gegeben sind.
197 Die besondere Erschwerung der Verhaftung von noch nicht
198 18jährigen Jugendlichen ist in den Beratungen des Prozeßgesetzes
199 eingehend erörtert worden; insbesondere hat Carl Schlyter darauf
200 hingewiesen, daß alle sich über die Ungeeignetheit kurzzeitiger
201 Freiheitsstrafen insbesondere bei Jugendlichen einig seien, und es
202 daher auch regelmäßig nicht wünschenswert sei, daß ein
203 jugendlicher Beschuldigter während des Ermittlungsverfahrens mit
204 dem Gefängnis Bekanntschaft schließe, wenn dies durch passendere
205 Anordnungen vermieden werden könne. Ein Vergleich von RB 24.
206 3 Abs. 1 S 1 und RB 24.3 Abs. 1 S. 2 resp.
207 7 Ges. v. 20.3.64 zeigt, daß nach
208 schwedischem Recht die Verhaftung von Jugendlichen über 18
209 Jahren stets zulässig ist, von ihr aber abgegangen werden muß,
210 wenn durch eine Überwachung der gleiche Erfolg wie durch eine
211 Verhaftung erreicht werden kann. Gegenüber Jugendlichen unter 18
212 Jahren ist zunächst grundsätzlich nur die Überwachung zulässig
213 und eine Verhaftung erst dann gestattet, wenn die Überwachung
214 " offensichtlich " nicht durchgeführt werden kann. Nur so kann man
215 die unterschiedlichen Formulierungen in S. 1 und S. 2 von
216 RB 24.3 Abs. 1 deuten. Die Haftfrequenz bei
217 Einzeldelikten. Das Schwedische Justizministerium hat mir mit
218 Schreiben vom 24.11.69 mitgeteilt, daß keine offizielle
219 Statistik darüber geführt wird, wie sich die Untersuchungshaft
220 auf die einzelnen Delikte verteilt. Olivecrona gibt an, daß in
221 vermutlich 75 % der Fälle die Verhaftung wegen Diebstahls
222 erfolgt; dann folgen Betrug, Unterschlagung (Untreue) und
223 schwerere Körperverletzungstaten incl. Mord und Totschlag.
224 Das Schwedische Justizministerium hat diese Angaben als richtig
225 bezeichnet. Die Vollstreckung des Verhaftungsbeschlusses
226 Die Form der Vollstreckung. Für die
227 Vollstreckung eines Verhaftungsbeschlusses ist zu unterscheiden,
228 ob der Beschuldigte bei der Verkündung des Beschlusses, der ja
229 aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu ergehen hat, anwesend ist
230 oder nicht. Ist der Beschuldigte abwesend, so bestimmt
231 RB 24.17 Abs. 3 lediglich, daß dem Gericht Anzeige zu
232 machen ist, sobald der Beschluß vollstreckt wird; die
233 Vollstreckung obliegt der zuständigen Polizeibehörde. Für den
234 Fall, daß der Beschuldigte bei der Verkündung des
235 Verhaftungsbeschlusses anwesend ist, kennt der RB keine
236 Vorschrift; hier wird die Vollstreckung durch das Justizpersonal
237 erfolgen müssen. Ist der Beschuldigte, in dessen Abwesenheit
238 der Verhaftungsbeschluß verkündet worden ist, flüchtig, so darf
239 er steckbrieflich verfolgt werden. Zwar ergibt sich das nicht
240 ausdrücklich aus dem RB, jedoch kennt RB 24.6 Abs. 2
241 eine steckbriefliche Verfolgung dessen, der einer strafbaren
242 Handlung verdächtigt wird, falls Gründe zu seiner Festnahme
243 vorliegen; die Festnahmebehörde ist hierfür zuständig. Eine
244 steckbriefliche Verfolgung ist dann aber auch statthaft, wenn es
245 sich um einen Beschuldigten handelt, dessen Verhaftung durch ein
246 Gericht in dessen Abwesenheit beschlossen worden ist. Es ist aber
247 nicht nur eine steckbriefliche Verfolgung i. e. S.
248 gestattet; der von Simson mit " steckbrieflich verfolgt "
249 übersetzte Begriff " efterlysas " bedeutet jede
250 Fahndungsmaßnahme, mit der beabsichtigt wird, es allgemeiner
251 bekanntzumachen, daß nach dem Verdächtigen gefahndet wird, wie z.B.
252 Bekanntmachungen im Polizeibericht oder in der Presse
253 oder Radiosuchmeldungen. Rechtliches Gehör. Eine dem
254 115 StPO entsprechende Anordnung, daß der auf Grund des
255 Haftbefehls ergriffene Beschuldigte unverzüglich dem
256 zuständigen Richter vorzuführen ist, kennt das schwedische
257 Haftrecht wegen seiner vom deutschen Haftverfahren abweichenden
258 Verfahrensgestaltung nicht. Es ist daran zu erinnern, daß der
259 Verhaftungsbeschluß vom Gericht auf Grund einer vorangegangenen
260 mündlichen Verhandlung über die Haftgründe erlassen wird, an
261 welcher nach RB 24.14 bzw. 24.17 Abs. 2 auch der
262 Beschuldigte teilzunehmen berechtigt ist. Hat er an der
263 Verhandlung teilgenommen, bedarf es einer weiteren richterlichen
264 Prüfung der Haftfrage in seiner Gegenwart nicht, da er ja
265 Gelegenheit hatte, sich zu verteidigen und zu der Beschuldigung
266 Stellung zu nehmen und dadurch die Haftgründe zu entkräften.
267 Aber auch für den Fall, daß er nicht an der Verhandlung
268 teilgenommen hat - sei es, daß er, auf freiem Fuß befindlich,
269 zur Verhandlung nicht erschienen ist, sei es, daß er als
270 Festgenommener von der Festnahmebehörde zu der Verhandlung nicht
271 überstellt worden ist (vgl. RB 24.14 Abs. 1, 24.
272 17 Abs. 2 S. 4) - verlangt das schwedische Recht keine
273 unverzügliche Vorführung des festgenommenen Beschuldigten vor
274 einen Richter.
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