Quelle Nummer 293

Rubrik 06 : RECHT   Unterrubrik 06.13 : INLAENDISCHES

VERTRAGSFREIHEIT
MANFRED WOLF
RECHTSGESCHAEFTLICHE ENTSCHEIDUNGSFREIHEIT UND VERTRA
TRAGLICHER INTERESSENAUSGLEICH
J.C.B. MOHR (PAUL SIEBECK) TUEBINGEN 1970, S.1-


001  Einleitung. 1 Anlaß und Ziel der Untersuchung
002  Die unmittelbare Bedeutung der Selbstbestimmung.
003  Seit der Kodifizierung des Vertragsrechts durch das BGB auf
004  der Grundlage des Prinzips der Vertragsfreiheit haben sich die
005  gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in einer
006  Weise geändert, die der freien Entfaltung des Individuums und
007  seiner Fähigkeit zur eigenständigen und selbstverantwortlichen
008  Gestaltung seiner Rechtsverhältnisse immer engere Grenzen setzen
009  und größere Hindernisse in den Weg stellen. Die Vorstellung
010  der selbstherrlich ihre eigenen Lebensverhältnisse überschauenden
011  und gestaltenden Einzelpersönlichkeit ist weitgehend dem Bild des
012  von gesellschaftlichen Einflüssen und wirtschaftlichen Kräften
013  abhängigen Massenmenschen gewichen, der sich bei seinen
014  Entscheidungen weniger von den eigenen Überlegungen als vielmehr
015  von gesellschaftlichen Einflüssen leiten läßt und statt einer
016  individuellen Lebensgestaltung die Anpassung an die gebräuchlichen
017  Lebensformen und Lebens inhalte sucht. Infolge dieser
018  Veränderungen waren auch weitgehend die realen Voraussetzungen
019  entfallen, die nach den Vorstellungen des BGB unter Wahrung des
020  Prinzips der Vertragsfreiheit einen im freien Spiel der Kräfte
021  durch beide Parteien selbstverantwortlich gestalteten
022  Interessenausgleich ermöglichen sollten. Statt einer
023  Vertragsfreiheit für alle gab sich für wenige die Gelegenheit,
024  ihren Vertragspartnern die Vertragsbedingungen vorzuschreiben und
025  darin einseitig ihre Interessen durchzusetzen. Diese Entwicklung,
026  die im Bereich des Arbeitsrechts bereits beim Inkrafttreten des
027  BGB angelegt und erkennbar war, hat sich in der Folgezeit auf
028  weitere Gebiete ausgedehnt und dazu geführt, daß die
029  Rechtsprechung für bestimmte Gruppen von Verträgen begann, das
030  Prinzip der Vertragsfreiheit zurückzudrängen und die Schranken
031  für den zulässigerweise zu vereinbarenden Inhalt enger zu ziehen.
032  Nachdem sich die der Vertragsfreiheit durch 138 BGB gezogenen
033  Grenzen als zu weit erwiesen, begann die bekannte Entwicklung, an
034  deren Ende die Rechtsprechung zum Einzelarbeitsvertrag den
035  Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer
036  grundsätzlich nur insoweit Wirkung zuerkennt, als sie sich durch
037  sachliche Gründe rechtfertigen lassen. Fast parallel verlief die
038  Entwicklung der Rechtsprechung zu den Allgemeinen
039  Geschäftsbedingungen, die heute - im wesentlichen in
040  Übereinstimmung mit der Lehre - einzelnen Klauseln, sei es
041  unter Berufung auf 242 oder 315 BGB, bei Unbilligkeit die
042  Wirksamkeit versagt. Die Beschränkung der Vertragsfreiheit,
043  die darin gesehen wird, wird angesichts der ungleichen
044  Machtverhältnisse zwischen den Parteien für erforderlich gehalten.
045  Gleichzeitig werden aber andere vertragliche Vereinbarungen,
046  obwohl auch dort ein ungleiches Machtverhältnis zwischen den
047  Parteien festgestellt ist, weiterhin nur an 138 BGB gemessen.
048  Dies trifft insbesondere auf einzelne Verträge zu, die nach den
049  Grundsätzen zum Knebelungsvertrag erst dann für nichtig gehalten
050  werden, wenn die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des schwächeren
051  Teils erheblich eingeschränkt ist. Obwohl die faktische
052  Möglichkeit dieser Vertragsparteien, im Rahmen der
053  Vertragsfreiheit ihre Interessen angemessen zu vertreten, in
054  ähnlicher Weise wie beim Einzelarbeitsvertrag oder bei den
055  Verträgen mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschränkt ist,
056  greift der Schutz gegenüber inhaltlich unangemessenen
057  Vereinbarungen erst sehr viel später ein. Die naheliegende
058  Einsicht, daß hier zu Unrecht mit zweierlei Maß gemessen werde,
059  führt weiter zu der Erkenntnis, daß bei der auf die besonders
060  häufigen und typischen Fälle beschränkten Erörterung des
061  Einzelarbeitsvertrags und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
062  die grundlegenden über diese Fallgruppen hinaus gültigen
063  Prinzipien vernachlässigt worden sind. Dies zeigt sich nicht nur
064  im Verhältnis zu den an den Grundsätzen der Knebelung gemessenen
065  Verträgen. Auch der Schutz im Einzelarbeitsvertrag und der
066  Schutz gegenüber Allgemeinen Geschäftsbedingungen werden
067  weitgehend unabhängig voneinander gewährt, ohne daß der
068  angesichts ähnlicher Verhältnisse doch naheliegende Versuch
069  unternommen würde, sich auf gemeinsame Grundlagen und Prinzipien
070  zu besinnen. So wichtig die Betrachtung der jeweils besonderen
071  Verhältnisse auch erscheint, so dürfen darüber schon im
072  Interesse der Gleichbehandlung die gemeinsamen Prinzipien nicht
073  vernachlässigt werden. In tatsächlicher Hinsicht ist den
074  genannten Fällen gemeinsam, daß ein Vertragsteil in der
075  selbstbestimmten Wahrnehmung seiner Interessen bei der
076  Vertragsgestaltung beeinträchtigt ist, wogegen der andere Teil
077  einseitig seine Interessen durchzusetzen vermag. Da die
078  Verbindlichkeit der vertraglichen Vereinbarung aber auf der
079  Selbstbestimmung beider Parteien beruht, wird es darauf ankommen,
080  inwieweit die tatsächliche Behinderung des einen Teils zugleich
081  dessen für die Rechtsgültigkeit der vertraglichen Vereinbarung
082  unentbehrliche Selbstbestimmung aufhebt. Das Prinzip der
083  Selbstbestimmung und dessen Beeinträchtigung bildet deshalb die
084  gemeinsame Grundlage für die Beurteilung der Rechtswirksamkeit
085  der unter ungleichen Machtverhältnissen zustandegekommenen
086  vertraglichen Vereinbarungen. Von diesem Ausgangspunkt aus werden
087  die Voraussetzungen der richterlichen Inhaltskontrolle zu
088  überprüfen sein. Das Ziel ist dabei nicht nur, einen gerechten
089  Interessenausgleich immer dann zu verwirklichen, wenn die
090  privatautonome Selbstbestimmung beeinträchtigt ist. Dies wird
091  dazu führen, den bisher weitgehend auf den Einzelarbeitsvertrag
092  und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschränkten
093  Bemühungen eine allgemeine Grundlage zu geben und sie insbesondere
094  auch auf die Fälle der Knebelungsverträge auszudehnen. Es
095  stellt sich vielmehr des weiteren die Aufgabe, den nach objektiven
096  Maßstäben richtigen Interessenausgleich nur dann
097  durchzusetzen, wenn die privatautonome Selbstbestimmung eines
098  Vertragsteils auch wirklich beeinträchtigt ist. Lassen die
099  Verhältnisse der privatautonomen Selbstbestimmung Raum, so
100  müssen die Parteien an den selbst gefundenen Interessenausgleich
101  gebunden bleiben. Dies führt zu einer stärkeren Betonung der
102  Selbstverantwortung. Dabei wird nicht verkannt, daß unter den
103  vorherrschenden sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen die
104  selbstverantwortliche Wahrnehmung der eigenen Interessen
105  insbesondere im Massenverkehr immer schwieriger und gar unmöglich
106  geworden ist. Aber es gilt gerade, durch das unmittelbare
107  Abstellen auf die Voraussetzungen selbstverantwortlicher
108  Vertragsgestaltung den verbleibenden schmalen Raum nicht vollends
109  zu verschütten. Die Bedeutung der Selbstverantwortung für
110  unsere Rechtsordnung und Gesellschaftsordnung insgesamt
111  und für die Vertragsordnung insbesondere ist in neuerer Zeit zu
112  Recht immer wieder betont worden. Das in jedem einzelnen lebendige
113  Bewußtsein der Selbstverantwortung ist nicht nur eine wesentliche
114  Voraussetzung für das rechte Funktionieren der demokratischen
115  Staatsform und Organisationsform. Ohne die
116  Selbstverantwortung können sich auch die auf dem Freiheitsprinzip
117  begründeten privatrechtlichen Institutionen nicht richtig entfalten.
118  Die verantwortliche Bindung an den selbstgeschaffenen
119  Interessenausgleich ist deshalb notwendiger Bestandteil der
120  vertraglichen Gestaltungsfreiheit. Die Freiheit, nur das
121  objektiv Richtige zu wollen, würde die Gestaltungsfreiheit
122  beseitigen und die historische Entwicklung vom " Status to
123  Contract " wieder in eine Entwicklung vom " Contract to Status "
124  umkehren. Kann demnach das auf dem Prinzip der
125  Selbstbestimmung ruhende Vertragsrecht auf die Selbstverantwortung
126  nicht verzichten, so kommt es doch darauf an, deren
127  Voraussetzungen den veränderten Verhältnissen anzupassen und die
128  Verantwortlichkeit auf ein vernünftiges Maß zu reduzieren, das
129  den tatsächlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten der
130  durchschnittlichen Verkehrsteilnehmer gerecht wird. Infolge
131  der unmittelbaren Orientierung an den Voraussetzungen vernünftiger
132  Selbstbestimmung und Selbstverantwortung wird es nicht nur möglich,
133  in allen Fällen einer Beeinträchtigung der Selbstbestimmung
134  auf Grund einheitlicher Prinzipien Schutz zu gewähren. Vielmehr
135  wird auch der Inhalt dieses Schutzes zu überprüfen sein. Darf
136  im Falle einer Beeinträchtigung der Selbstbestimmung der Schutz
137  davon abhängig gemacht werden, daß eine Vereinbarung
138  Gemeinschaftsbelangen widerspricht oder muß nicht ohne Rücksicht
139  auf die Gemeinschaftsbelange der objektiv richtige
140  Interessenausgleich verwirklicht werden? a) Rechtsprechung und
141  Literatur haben häufig, insbesondere auch im Zusammenhang mit den
142  Allgemeinen Geschäftsbedingungen, zwischen der Verwirklichung
143  des richtigen Interessenausgleichs und dem Schutz von
144  Gemeinschaftsbelangen geschwankt und in der Vorstellung, die
145  Vertragsfreiheit zu beschränken, bei der Verwirklichung des
146  gerechten Interessenausgleichs Zurückhaltung geübt. An Stelle
147  einer Beschränkung der Vertragsfreiheit, die eine von beiden
148  Parteien gemeinsam wahrzunehmende Aufgabe darstellt, geht
149  es jedoch um die Feststellung der Voraussetzungen, unter denen die
150  einzelne Partei an ihre vertragliche Erklärung gebunden werden
151  kann. Diese Aufgabe wird mit dem Begriff der richterlichen
152  Inhaltskontrolle und dem Begriff der Inhaltsschranken nicht
153  zutreffend umschrieben. Denn es soll nicht in erster Linie der
154  Inhalt überprüft werden, als vielmehr die Voraussetzungen
155  selbstverantwortlicher Vertragsgestaltung. Wo diese
156  Voraussetzungen bei einer Partei nicht vorliegen, dürfen ihr
157  nicht unberechtigte Nachteile aus der vertraglichen Vereinbarung
158  entstehen. Wo sie gegeben sind, bindet dagegen auch eine
159  inhaltlich unangemessene Vereinbarung. Der unangemessene
160  Vertragsinhalt ist nur Anlaß, das Vorliegen einer
161  selbstverantwortlichen Vertragsgestaltung zu prüfen. b) Die
162  stärkere Betonung der Selbstverantwortung wird aber im Gegensatz
163  zur schadensersatzrechtlichen Verantwortung nicht zu einer
164  schrankenlosen Bindung führen. Das BGB hat hier bereits in
165  138 BGB eine Grenze im Hinblick auf sittenwidrige
166  Vereinbarungen gezogen. Eine weitere Grenze ergibt sich aus der
167  Funktion der Selbstverantwortung im Zusammenhang mit der
168  vertraglichen Bindung. Die auf der Selbstverantwortung ruhende
169  vertragliche Bindung besteht im Interesse der Verkehrssicherheit.
170  Ein Bedürfnis für den Schutz der Verkehrssicherheit besteht
171  aber nicht mehr, wenn das Versagen einzelner zu grob ungerechten
172  Vereinbarungen ausgenutzt wird. In diesem Fall ergibt sich eine
173  weitere Beschränkung der Selbstverantwortung und damit der
174  vertraglichen Bindung. An Stelle eines einheitlichen Maßstabs
175  für die Inhaltsschranken tritt somit eine differenzierende
176  Würdigung, die bei fehlender Möglichkeit zur Selbstbestimmung
177  um einen objektiv richtigen Interessenausgleich bemüht ist,
178  andererseits die Vertragspartei an ihrer Entscheidung bis zur
179  Grenze eines grob ungerechten Inhalts festhält, sofern die
180  Möglichkeit zur Selbstbestimmung besteht, und nur bei bewußter
181  und wohlüberlegter Entscheidung eine unbeschränkte Bindung
182  eintreten läßt. Überblick über die Darstellung.
183  In Übereinstimmung mit den genannten Zielen wird es vor allem
184  darauf ankommen, Inhalt und Voraussetzungen der privatautonomen
185  Selbstbestimmung festzuhalten. Selbstbestimmung bedeutet in erster
186  Linie: freie Entfaltung der eigenen Initiative durch eine freie
187  Entscheidung. Im Vertrag kann sich diese Selbstbestimmung aber
188  nur gemeinschaftlich im Zusammenwirken mit der Selbstbestimmung des
189  Vertragspartners entfalten. Die Aufgabe wird deshalb darin
190  bestehen, an Stelle der immanenten Schranken der Vertragsfreiheit
191  die aus der Achtung der Selbstbestimmung des andern sich ergebenden
192  immanenten Schranken der eigenen Selbstbestimmung zu ermitteln.
193  Das richtige Funktionieren der Selbstbestimmung im Vertrag setzt
194  daneben aber auch eine ordnungsgemäße Verständigung voraus, weil
195  nur auf diese Weise die erforderliche Übereinstimmung
196  herbeigeführt werden kann. Die freie Entscheidung einerseits und
197  die ordnungsgemäße Verständigung andererseits als die
198  Voraussetzungen für das richtige Funktionieren der vertraglichen
199  Selbstbestimmung werden durch Umstände beeinträchtigt, die man
200  mit den Begriffen der wirtschaftlichen und der intellektuellen
201  Unterlegenheit gekennzeichnet hat. Die intellektuelle
202  Unterlegenheit berührt in erster Linie das Problem der
203  ordnungsmäßigen gegenseitigen Verständigung. Für dessen
204  Lösung enthält die Auslegungslehre die theoretischen
205  Ansatzpunkte. Getreu der gesteigerten Aufmerksamkeit, die
206  Rechtsprechung und Lehre seit jeher der Auslegung des
207  Rechtsgeschäfts zukommen ließen, sind auch zur Bewältigung der
208  Allgemeinen Geschäftsbedingungen zuerst die Prinzipien der
209  Auslegung herangezogen worden. Diese erscheinen auch geeignet,
210  gerade dem mit den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verbundenen
211  Verheimlichungseffekt entgegenzuwirken. Wenn auch nicht behauptet
212  werden soll, daß die Anforderungen an die richtige Verständigung
213  zwischen den verschiedenen Gruppen im Geschäftsverkehr schon
214  endgültig geklärt seien, so ist in der Lehre von der Auslegung
215  doch die theoretische Grundlage bereits weitgehend vorgegeben.
216  Demgegenüber sind der Inhalt und die Voraussetzungen der zur
217  Selbstbestimmung gehörenden Entscheidungsfreiheit kaum erörtert,
218  obwohl schon die Motive die Entscheidungsfreiheit als
219  Gültigkeitsvoraussetzung der Willenserklärung nennen. Die
220  Untersuchung wird sich deshalb in ihrem Schwerpunkt nicht mit den
221  Umständen der intellektuellen Unterlegenheit, sondern mit der sog.
222  wirtschaftlichen Unterlegenheit befassen und sich dabei um die
223  Voraussetzungen bemühen, unter denen eine Beeinträchtigung der
224  Selbstbestimmung wegen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit
225  anzunehmen ist. Unerörtert bleiben auch die Fallgestaltungen,
226  die im amerikanischen Recht als undue influence gekennzeichnet
227  werden. Im anschließenden Kapitel geht es zunächst darum,
228  die Bedeutung der Selbstbestimmung im Vertragsrecht zu bestimmen.
229  Gleichzeitig gilt es zu ermitteln, welches Verhältnis nach den
230  von Rechtsprechung und Lehre entwickelten Konzeptionen zwischen
231  der Selbstbestimmung und der Verwirklichung eines gerechten
232  Interessenausgleichs bei ungleichen Machtverhältnissen besteht.
233  Im 3.Kapitel sind der Inhalt der Entscheidungsfreiheit und
234  die Voraussetzungen ihrer Beeinträchtigung zu bestimmen. Als
235  Inhalt der für die Vertragsgestaltung erforderlichen
236  Entscheidungsfreiheit wird sich ergeben, daß der Vertragspartei
237  die Möglichkeit zur gerechten Abwägung der mit den einzelnen
238  Klauseln sachlich verbundenen Interessen offen stehen muß. Diese
239  Möglichkeit fehlt, wenn sachfremde Interessen die Abwägung
240  beeinflussen. Die Herstellung eines solchen sachfremden, die
241  Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden
242  Abhängigkeitsverhältnisses erfolgt, wenn ein Vertragspartner den
243  Abschluß des Vertrags von der Anerkennung seiner
244  Vertragsbedingungen abhängig macht. Dann ist eine sachliche
245  Abwägung der einzelnen Bedingungen ausgeschlossen, weil die
246  Rücksichtnahme auf das Zustandekommen des Vertrags als
247  sachfremder Gesichtspunkt diese Abwägung beeinträchtigt. Vom
248  einzelnen Vertragspartner wird zwar grundsätzlich verlangt, daß
249  er den Einfluß sachfremder Interessen abwehrt. Dies ist jedoch
250  nicht mehr möglich, wenn ein Verzicht auf das sachfremde
251  Interesse wegen des in ihm verkörperten Wertes nicht zugemutet
252  werden kann. Die Zumutbarkeit des Verzichts bestimmt sich nach
253  den Grundsätzen einer Güterabwägung und
254  Interessenabwägung, die sich am rechtlich anerkannten Wert der
255  sachfremd verbundenen Interessen orientiert. Ist danach ein
256  Verzicht zumutbar, so besteht auch die Möglichkeit zur
257  wertorientierten Abwägung der den einzelnen Vertragsbedingungen
258  sachlich zugeordneten Interessen. Ist der Verzicht unzumutbar,
259  so ist wegen des sachfremden Einflusses die Entscheidungsfreiheit
260  bei Gestaltung der Vertragsbedingung beeinträchtigt. Die als
261  Voraussetzung der Selbstverantwortung erforderliche
262  Entscheidungsfreiheit wird deshalb von den Kategorien der
263  Sachzugehörigkeit und des Wertes bestimmt. Dabei handelt es sich
264  zwar um allgemeine Kategorien rechtlicher - gesetzgebender,
265  richterlicher und privatautonomer - Entscheidungstätigkeit. Sie
266  sind jedoch für eine unmittelbare Anwendung im konkreten Fall noch
267  zu unbestimmt. Für die Rechtsanwendung bedarf es deshalb einer
268  Konkretisierung und Typisierung dieser Kategorien. Dieser
269  Aufgabe widmen sich im wesentlichen die 8-12.

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