Quelle Nummer 286

Rubrik 26 : MEDIZIN   Unterrubrik 26.02 : FACHWISSENSCHAFTLICH

CYTOGENETIK
H.G. SCHARZACHER/U. WOLF
METHODEN IN DER MEDIZINISCHEN CYTOGENETIK
SPRINGER VERLAG BERLIN HEIDELBERG NEW YORK 1970
S. 36-


001  Zellkulturen aus Gewebsexplantaten. Allgemeine
002  Bemerkungen. Zellkulturen lassen sich aus den verschiedensten
003  Geweben und Organen gewinnen. Das Prinzip der Kultur läßt
004  sich folgendermaßen beschreiben: Gewebeproben (Biopsie
005  material oder Autopsiematerial) werden vom Körper entnommen,
006  zerkleinert und in vitro in einem Nährmedium angesetzt. Dabei
007  stehen eine Anzahl von Methoden zur Verfügung, um die
008  Explantatstücke am Schwimmen in der Nährlösung zu hindern. In
009  dieser sog. Stammkultur wachsen nach einiger Zeit Zellen aus,
010  die in der Regel morphologisch heterogen sind. Je nach
011  Ausgangsmaterial überwiegen zunächst epithelartige oder
012  fibroblastenartige Zellen. Nach einiger Zeit, spätestens nach
013  den ersten Passagen, finden sich dann nur noch fibroblastenartige
014  Zellen. Wenn sich ein dichter Zellrasen gebildet hat, werden die
015  Stammstücke von den ausgewachsenen Zellen isoliert; eine
016  Subkultur wird angelegt. Die Zellen werden nun in der Subkultur
017  weiter vermehrt und gegebenenfalls auf mehrere Flaschen verteilt.
018  Zur Gewinnung von Mitosen für die Chromosomenanalyse wird eine
019  derartige Zellkultur möglichst in der Phase des stärksten
020  Teilungswachstums (logarithmische Phase) aufgearbeitet; die
021  präparation folgt dann der Anweisung in Kap. 3.
022  Anwendungsbereiche. Für die routinemäßige Diagnose
023  klinischer Fälle reicht vielfach die Chromosomenanalyse von
024  Lymphocytenmitosen und/oder die Bestimmung des Sex-
025  Chromatins aus Epithelzellen der Mundschleimhaut aus. Es ist
026  jedoch grundsätzlich immer mit der Möglichkeit zu rechnen, daß
027  andere Gewebe oder Zellsysteme einen anderen Befund als die
028  Lymphocyten liefern. Ob die Blutkulturmethode zur Diagnose
029  ausreicht oder nicht, ist jeweils nur im Einzelfall in
030  Abhängigkeit von dem klinischen Bild, der Familienanamnese und
031  den cytogenetischen Befunden an Lymphocyten und Epithelzellen der
032  Mundschleimhaut zu entscheiden. Liefert die Chromosomenanalyse
033  aus peripherem Blut kein eindeutiges Ergebnis oder bestehen
034  Zweifel, daß die Diagnose vollständig ist, so ist die
035  Untersuchung anderer Gewebe oder Zellsysteme erforderlich.
036  Generell sollte ein außergewöhnlicher Befund, der in einem Zell
037  typ oder Gewebetyp erhoben wurde, durch die Untersuchung
038  mindestens eines weiteren Zelltyps bestätigt werden.
039  Gewebsspezifische Unterschiede im Chromosomenbefund sind besonders
040  bei Mosaikfällen und bei Erkrankungen des hämopoetischen Systems
041  zu erwarten. Mosaikfälle haben in verschiedenen Geweben häufig
042  unterschiedliche proportionelle Anteile der einzelnen Stammlinien.
043  Es ist besonders zu berücksichtigen, daß der Anteil anomaler
044  Zellen in Fibroblasten oft wesentlich höher sein kann als in
045  Lymphocyten, so daß die Fibroblastenkultur eine größere
046  Aussicht bietet, Mosaike zu entdecken. Gelegentlich ist auch
047  eine abnorme Zellinie in dem einen Gewebsmaterial (z. B.
048  Fibroblasten) zu finden, während ein anderes (z. b.
049  Blutzellen) einen normalen Karyotypus hat. Bei Erkrankungen des
050  hämopoetischen Systems beschränken sich Chromosomenaberrationen
051  in der Regel auf Zellen, die diesem System entstammen. In
052  diesen Fällen ist durch Analyse der Fibroblasten der Nachweis zu
053  führen, daß der Proband keine generalisierte angeborene
054  Chromosomenaberration hat. Ein anderer Anwendungsbereich für die
055  Fibroblastenkultur ist die Untersuchung von fetalem Gewebe und von
056  Autopsiematerial. In diesen Fällen steht meist nur solides
057  Gewebe zur Verfügung. Im Rahmen klinisch-diagnostischer
058  Untersuchungen hat die Fibroblastenkultur gelegentlich noch eine
059  Ersatzfunktion in Fällen, in denen aufgrund individueller
060  Blutparameter (z. B. Agammaglobulinämie, Leukopenie)
061  auch wiederholte Lymphocytenkulturen mißlingen. Verfeinerte
062  Techniken der Chromosomenidentifizierung, insbesondere die
063  Autoradiographie, lassen es oft wünschenswert erscheinen, eine
064  erhebliche Anzahl von Mitosen zur Verfügung zu haben. Da die
065  Fibroblastenkultur eine praktisch beliebige Vermehrung ein und
066  desselben Ausgangsmaterials erlaubt (30-50 Zellgenerationen),
067  ist diese Methode deshalb gelegentlich der Blutkultur vorzuziehen.
068  Untersuchungen an Zellen in der Interphase sind bei
069  Zellkulturen aus soliden Geweben ebenfalls möglich. Sex-
070  Chromatinbestimmungen liefern z. B. in diesem Material oft
071  eindeutigere Ergebnisse als der Mundschleimhautabstrich. Auch
072  andere cytologische Beobachtungen, etwa das Studium des
073  autosomalen Heterochromatins (evtl. in Verbindung mit
074  autoradiographischer Markierung) und der Nucleoli, können an
075  Zellkulturen gemacht werden. Beispielsweise kann die Anzahl und
076  Größe der Interphasechromozentren in Fibroblasten und
077  Epithelzellen erheblich variieren. Schließlich sei noch darauf
078  hingewiesen, daß gewisse experimentelle Untersuchungen oft nicht
079  an Blutzellen durchgeführt werden können, wie z. B.
080  Untersuchungen zur Selektion und Resistenz, Studien von
081  Strahleneffekten und Viruseffekten. Für derartige
082  Untersuchungen werden Fibroblastenkulturen bevorzugt verwendet.
083  Die biochemische Cytogenetik arbeitet vielfach ebenfalls mit
084  Fibroblastenkulturen. Die hier beschriebenen Methoden können
085  auch auf die verschiedensten Säugetiere angewendet werden.
086  Material. Zellkulturen können grundsätzlich aus jedem
087  Körpergewebe und Körper organ gewonnen werden. Unter
088  dem Gesichtspunkt, technisch einfache Methoden anzuwenden und
089  möglichst gut wachstumsfähiges Material zu gewinnen, hat sich in
090  der Praxis jedoch die Entnahme bestimmter Gewebeproben als
091  besonders geeignet erwiesen. So entnimmt man in der Regel am
092  Lebenden eine Hautbiopsie und bringt die Zellen der Cutis in
093  Kultur. Früher wurde häufig ein Stück Fascia lata operativ
094  entnommen, da dieses Gewebe in vitro besonders schnell
095  wächst; heute macht man von dieser Möglichkeit routinemäßig
096  kaum noch Gebrauch. Bei der Autopsie empfiehlt es sich, wegen
097  der Infektionsgefahr kein Hautmaterial zu verwenden. Muskel,
098  Fascie, Peritoneum und Herzbeutelproben sind auf einfache Weise
099  steril zu gewinnen und haben sich in der Kultur bewährt. Sollen
100  Säugetiere untersucht werden, die zur Gewinnung einer Zellkultur
101  geopfert werden, so ist Lunge als Ausgangsmaterial besonders
102  geeignet, da es verhältnismäßig rasch zu Wachstum führt. Bei
103  nicht frischem Material ist dieses Organ in der Regel jedoch
104  kontaminiert. Methoden. Für die Durchführung der
105  einzelnen Arbeitsgänge ist ein Gewebezuchtlaboratorium
106  erforderlich. Es muß unter streng aseptischen Bedingungen
107  gearbeitet werden. Die Anforderungen an Ausrüstung und
108  Arbeitsweise unterscheiden sich für die Kultur menschlicher
109  Gewebezellen zur Chromosomenanalyse nicht wesentlich von denen der
110  allgemeinen Gewebezucht. Es soll deshalb an dieser Stelle nicht
111  näher auf die Prinzipien der Gewebezucht eingegangen werden; wir
112  verweisen auf die einschlägigen Lehrbücher. Einzelheiten über
113  Geräte und Nährlösungen werden im speziellen Teil genannt.
114  Zur Gewinnung von Zellkulturen stehen eine große Anzahl von
115  Methoden zur Verfügung. Dabei wird das Gewebe entweder schon im
116  Ansatz dissoziiert und dadurch zum Wachstum in einer Schicht
117  einzelner Zellen auf einer festen Oberfläche gebracht (Monolayer);
118  oder es werden erst Explantate angesetzt, aus denen dann
119  Zellen emigrieren, sich teilen, und schließlich ebenfalls eine
120  Schicht einzelner Zellen bilden. Bei dieser zweiten
121  Methodengruppe müssen die Explantate an einer Oberfläche zum
122  Haften gebracht werden, da in der Kulturflüssigkeit schwimmende
123  Explantate nicht genügend Zellen abgeben. Methoden, bei denen
124  das entnommene Gewebsmaterial dissoziiert wird, führen meist
125  kurzfristiger zu einer Monolayer-Kultur als die
126  Explantationsmethoden. Die meisten routinemäßig zur Verwendung
127  kommenden Gewebeproben sind jedoch so reich an Kollagenfasern,
128  daß eine Dissoziation nicht genügend freie Zellen für die
129  Kultur liefert. Epithelien sind für diese Methode besser
130  geeignet (z. B. aus Niere). Eine Methode, um von einer
131  Hautbiopsie direkt zu einer Zellkultur zu kommen, beschreiben
132  Puck et al. (1960). Da Dissoziationsmethoden für die
133  Chromosomendarstellung beim Menschen eine untergeordnete Rolle
134  spielen, wird hier nur kurz auf dieses Verfahren eingegangen.
135  Unter den Explantationsmethoden seien diejenigen genannt, die am
136  häufigsten zur Gewinnung von Chromosomenpräparaten aus
137  Fibroblasten in Gebrauch sind. Das klassische Verfahren ist die
138  Plasma-Methode. Dabei werden kleine Explantatstücke auf
139  einer plasmabestrichenen Oberfläche zum Haften gebracht und mit
140  Medium versehen. Im allgemeinen wird hierbei ein gutes Wachstum
141  erzielt. Der Plasma-Clot kann sich unter Umständen bei der
142  Weiterverarbeitung und Auswertung störend bemerkbar machen. Seit
143  das Plasma im Handel bezogen werden kann, entfällt die etwas
144  umständliche Methode der Plasmagewinnung von jungen Hähnen.
145  Die von uns gebrauchten Standardmethoden zur Erzielung des
146  primären Wachstums sind die Kultur von Explantaten unter
147  perforiertem Cellophan und die zwischen zwei Deckgläsern
148  (Sandwich-Methode). Diese beiden Methoden ergänzen sich
149  ausgezeichnet in ihrer Leistungsfähigkeit und können je nach
150  Bedarf alternativ oder parallel angewendet werden. Alle diese
151  Methoden zielen darauf ab, eine möglichst große Anzahl von
152  Mitosen zu gewinnen. Die Cellophanmethode beansprucht eine
153  längere Kulturzeit, bis Subkulturen angelegt werden können, und
154  erst aus diesen Subkulturen werden Mitosen gewonnen; sie bietet
155  aber den Vorteil einer größeren Zellausbeute. Die Plasma
156  methode und die Sandwichmethode können schon nach kurzer Zeit
157  aus der Primärkultur Mitosen liefern, jedoch oft nur in geringer
158  Anzahl. Bei allen Methoden ist es möglich, das Zellmaterial
159  aus dem Stammgewebe oder aus den Subkulturen über lange Zeit
160  weiter zu vermehren und wiederholt Mitosen zu gewinnen. Um die
161  Ausbeute an Mitosen zu steigern, ist eine Behandlung der
162  Kulturen in einem stets gleichen zeitlichen Rhythmus zu empfehlen;
163  vor Abbrechen der Kultur zur Präparation wird
164  zweckmäßigerweise, wie bei der Blutkultur eine Cytostaticum
165  (Colchicin, Colcemid, Velban) zugesetzt, das die Mitose in der
166  Metaphase blockiert. Wir werden im folgenden auf diese Methoden
167  ausführlich eingehen. Dabei werden im einzelnen besprochen:
168  Techniken der Gewebsentnahme; Ansatz und Kultur des entnommenen
169  Materials in der Gewebezucht; Abbrechen der Kulturen für die
170  Chromosomenpräparation. Die Anwendungsbereiche der
171  einzelnen Techniken werden jeweils diskutiert. Die
172  Weiterverarbeitung der Kulturen für die Chromosomenanalyse wird
173  in Kap. 3 beschrieben. Besprechung der Methoden.
174  Techniken der Gewebsentnahme. Eine Hautbiopsie kann an
175  verschiedenen Körperstellen durchgeführt werden. Bei kleinen
176  Kindern entnehmen wir an der Außenseite des Oberschenkels oder
177  zwischen den Schulterblättern, bei Erwachsenen zwischen den
178  Schulterblättern oder an der ventralen Seite des Unterarms. Die
179  betreffende Hautpartie ist gründlich zu reinigen. Sie kann vorher
180  rasiert werden, diese Maßnahme ist jedoch nicht erforderlich.
181  Zunächst erfolgt eine zweimalige kräftige Reinigung mit Seife
182  und nachfolgender Wasserspülung oder mit Desinfektionsmitteln,
183  das aber keine Jodbestandteile oder
184  Quecksilberbestandteile enthalten soll; dann wird die Haut
185  mehrmals frisch mit 70 % Alkohol abgerieben. Zur Gewinnung
186  von Biopsiematerial werden verschiedene Methoden verwendet, von
187  denen wir einige aufführen (stets streng aseptisch arbeiten):
188  Haut mit Nadel horizontal durchbohren und anheben bzw. mit
189  spitzer Pinzette anheben und dicht unter der Nadel (Pinzette)
190  mit Skalpell abschneiden. Mit einer Klemmschere oder
191  Klemmpinzette ein Stück Haut so abklemmen, daß ein kurzer
192  Streifen übersteht; 4-5 min warten, damit das abgeklemmte
193  Stück unsensibel wird; überstehende Partie mit Skalpell
194  anschneiden. Mit einer Hautstanze von 2-3 mm Durchmesser
195  durch Drehen unter leichtem Druck ein zylindrisches Hautstück
196  ausstanzen, Zylinder mit spitzer Pinzette ergreifen und mit
197  Schere abschneiden. Ein Hautbezirk von ca. 1 (math.Op.) 0,2
198  cm wird mit einer Hautfräse abradiert und ein steriles Pflaster
199  daraufgeklebt. Nach 72 Std wird der entstandene Schorf als
200  Ausgangsmaterial zur Kultur verwendet. Der Hautbezirk wird mit
201  70 % Alkohol gewaschen und mit Pinzette abgehoben. Der
202  Bereich am Nackenende oder hinter dem Ohr eignet sich besonders,
203  weil hier Schweißdrüsen konzentriert sind, die den
204  Heilungsprozeß beschleunigen. Allerdings sollte lokal
205  anaesthesiert werden. Die Entnahmestelle kann nach weiteren 72
206  Std nochmals in Anspruch genommen werden. Der Vorzug dieser
207  Methode besteht darin, daß durch Zerkleinern des Explantats
208  sofort eine Zellsuspension in die Kultur gebracht werden kann und
209  der Wundcallus besonders schnell wächst. Über die Anwendung
210  einer Lokalanaesthesie sind die Meinungen geteilt. Manche
211  Autoren wenden Lokalanaesthesie an, andere halten sie für das
212  Zellwachstum für schädlich. Die Anwendung der genannten
213  Techniken ist für den Probanden jedenfalls auch ohne
214  Lokalanaesthesie wenig schmerzhaft. Die entnommene Hautprobe
215  sollte 2-3 mm im Durchmesser nicht unterschreiten, besser ist
216  ein etwas größeres Stück. Es ist darauf zu achten, daß die
217  Biopsie tief genug entnommen wird, um genügend Bindegewebe zu
218  erfassen; die Wunde sollte nach der Entnahme leicht bluten. Um
219  sicher zu gehen, daß das entnommene Gewebematerial ausreicht,
220  empfiehlt es sich, eine zweite Probe zu entnehmen. Es können
221  dann parallele Kulturen angesetzt werden, wodurch die Gefahr eines
222  Verlustes durch Infektion herabgesetzt wird. Die Biopsien werden
223  unmittelbar nach der Entnahme in ein steriles Röhrchen mit Medium
224  oder in eine Petrischale mit von Medium durchtränktem Mull
225  gegeben. Vor dem Ansetzen der Explantate in der Gewebekultur
226  kann das Material ohne weiteres 2-3 Tage im Kühlschrank oder
227  auch bei Raumtemperatur aufbewahrt werden. Auch nach 5tägiger
228  Lagerung wurde noch Wachstum erzielt. Es besteht daher keine
229  Schwierigkeit, Hautbiopsiematerial über größere Entfernungen
230  zu versenden. In der Regel wächst frisches Gewebe allerdings
231  schneller aus. Material von Kleinkindern wächst besser in der
232  Kultur als das älterer Personen, eine Altersgrenze besteht
233  jedoch nicht. Bei der Autopsie sollte wegen des Infektionsrisikos
234  keine Hautprobe entnommen werden. Fascie, Muskel und andere
235  Gewebe sind hervorragend geeignet; sie zeigen noch 5 Tage
236  post mortem Wachstum in vitro. Allerdings sollte eine
237  Gewebsentnahme so früh wie möglich post mortem erfolgen.
238  Ansatz von Gewebsexplantaten und Zellkultur. Das vom
239  Körper entnommene Gewebestück kann entweder vor dem Kulturansatz
240  enzymatisch dissoziiert werden, so daß die Primärkultur bereits
241  eine Zellsuspension darstellt; oder das Gewebe wird in kleine
242  Würfel zerteilt, aus denen Zellen auswachsen, die dann erst in
243  der Subkultur in Suspension kommen. Enzymatische
244  Dissoziation von Gewebsexplantaten. Diese Methode ist nur
245  gelegentlich anwendbar, da sich nicht jedes Gewebe ausreichend in
246  einzelne Zellen dissoziieren läßt. Das bevorzugte
247  Ausgangsmaterial ist Niere; es kann aber auch fetales Gewebe
248  (Abortusmaterial) verwendet werden. Eine ausführliche
249  Beschreibung von Dissoziationsmethoden findet sich z. B.
250  bei Parker (1961). In unserem Laboratorium ist zur Gewinnung
251  von Zellkulturen aus Niere folgendes vereinfachte Verfahren in
252  Gebrauch: Das Gewebestück wird mit einer feinen Schere
253  zerkleinert und dabei wiederholt zur Entfernung der Erythrocyten in
254  physiologischer Lösung gewaschen; am Schluß soll das Gewebe
255  breiartig sein. Der Gewebebrei kommt dann in einen
256  Erlenmeyerkolben mit Magnet entsprechender Größe und wird mit
257  dem 4-5fachen Volumen einer 0,25-0,5 % igen
258  vorgewärmten Trypsinlösung versetzt. Die Suspension wird 15-
259  20 min auf den Rührmotor gesetzt und so stark gerührt, daß alles
260  Gewebe miterfaßt wird; es darf sich jedoch kein Schaum bilden.
261  Nach dem Rühren läßt man die Suspension 1 min stehen zum
262  Absetzen größerer Gewebestücke und pipettiert dann den
263  Überstand in Zentrifugenröhrchen. Nach Zentrifugation wird der
264  Rückstand mit Kulturmedium versetzt und je nach Menge in eine
265  mehr oder weniger große Kulturflasche gebracht; z. B.
266  kommen 0,2 ml des gepackten Zentrifugats auf eine
267  Vierkantflasche. Die Kultur wird zunächst 2 Tage inkubiert;
268  in dieser Zeit wachsen zahlreiche Zellen an der Glasoberfläche an.
269  Bei dem danach erfolgenden Mediumwechsel werden die in
270  Suspension verbliebenen Zellfragmente mit dem alten Medium
271  verworfen. Am dritten Tag bedecken die Zellen bereits drei
272  Viertel der Glasoberfläche. Die Primärkultur ist in ihrer
273  Zellzusammensetzung recht heterogen. Bei Niere finden sich in den
274  ersten Tagen hauptsächlich Epithelzellen in der Kultur. Diese
275  überstehen in der Regel noch eine Passage, werden in der
276  Folgezeit aber von fibroblastenartigen Zellen überwuchert.

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