Quelle Nummer 282

Rubrik 26 : MEDIZIN   Unterrubrik 26.02 : FACHWISSENSCHAFTLICH

PSYCHOSOMATIK
LUBAN-PLOZZA/W. POELDINGER
DER PSYCHOSOMATISCH KRANKE IN DER PRAXIS
ERKENNTNISSE UND ERFAHRUNGEN
J.F. LEHMANNS VERLAG MUENCHEN 1971


001  Sakramentenlehre Augustins. Tauftheologie
002  " ". Mitten in der eigentlich theologischen
003  Auseinandersetzung steht in der donatistisch-katholischen
004  Kontroverse die Frage nach dem Wesen der Sakramente, speziell
005  die Frage nach der Wiedertaufe. In der Art, wie Augustinus
006  diese Frage und damit die nach dem Wesen der Sakramente und der
007  Weise ihrer Wirksamkeit und nach der Funktion des
008  Sakramentenspenders beantwortet, erhellt zugleich das
009  Hauptanliegen seiner Ekklesiologie, Form und Inhalt, Leib und
010  Geist, Sichtbares und Unsichtbares, sacramentum und gratia zu
011  unterscheiden und auseinanderzuhalten - ohne aber eines von beiden
012  fallen zu lassen, sondern beides in der catholica verwirklicht zu
013  sehen. Denn er mußte das Wesen der Sakramente so bestimmen,
014  daß gemäß der afrikanischen Tradition nur in der katholischen
015  Kirche das Ganze und Wesentliche der Sakramente gegeben sein
016  konnte, daß aber trotzdem gemäß der römischen Tradition, der
017  er sich ebenfalls verpflichtet fühlte, die Taufe der
018  Nichtkatholiken als gültige, wenngleich dort nutzlose Taufe
019  anerkannt werden konnte. Er erreicht dies nun, indem er das
020  Sakrament als nur äußerliche Form von seinem Inhalt
021  unterscheidet und trennt, es also zum " sacramentum tantum "
022  entleert, aber zugleich mit äußerster Emphase für die Geltung
023  schon dieses, an sich inhaltsleer gewordenen und nur noch
024  äußerlichen Tuns und Zeichens als eines Sakramentes Christi
025  eintritt, das als an sich heiliges zu respektieren sei. Den
026  eigentlichen Inhalt des Taufsakramentes sieht Augustinus, anders
027  als Cyprian und die Donatisten, nicht primär in einer
028  ekklesiologischen Wirksamkeit (welche immer irgendwie von der
029  Kirche und damit auch von dem jeweiligen Spender des Sakramentes
030  abhängig wäre), sondern im unmittelbaren Wirken Gottes selber,
031  das er freilich an den äußerlichen Raum der Kirche gebunden weiß.
032  Entsprechend ist auch nicht der Bischof, sondern Christus,
033  Gott, der Hl. Geist, das wesentliche Lebensprinzip der
034  Kirche. Eine vermittelnde Rolle erkennt Augustinus der Kirche
035  nur insofern zu, als die Kirche Fürbitte leisten kann, und also
036  der Glaube der ecclesia sancta gleichsam der Titel ist, auf Grund
037  dessen das Sakrament auch dort vollzogen werden kann, und Gott
038  auch dort seine Gnade geben kann, wo der Glaube des Spenders
039  unzureichend ist. Alles andere würde in seinen Augen das
040  " Hoffnung auf Menschen setzen " begünstigen und widerstritte
041  seiner Grundüberzeugung, daß allein Gott im Menschen und für
042  den Menschen das Heil erwirken kann Augustinus denkt darin eminent
043  theologisch, weil es ein Grunddatum seiner Metaphysik
044  ist, daß ein solcher Akt wie Vergebung, Reinigung,
045  Gesinnungsänderung, Eingießung der Liebe überhaupt nur
046  unmittelbar von Gott erwirkt werden kann. Die " virtus sacramenti "
047  liegt somit auf einer dem menschlichen Vermögen schlechthin
048  entzogenen Ebene: ", hält er Parmenian entgegen. Und
049  dessen Einwand " " nimmt er auf, indem er auf die Tätigkeit
050  des mit den anderen Aposteln zur Predigt ausgesandten Judas und
051  auf die Tätigkeit jener Propheten, die selber nicht taten, was
052  sie predigten, zurückgreift, aber sogleich auch auf das Wirken
053  Gottes in den Herzen ihrer Hörer verweist. Weil die "
054  " dem menschlichen Zugriff und Verfügen entzogen ist, ist sie auch
055  keiner Gefahr der Beschmutzung ausgesetzt. Daß gerade dieses
056  Wirken Gottes das Entscheidende ist, ist für Augustinus
057  selbstverständlich; ebenso wie für ihn klar ist, daß dieses
058  Wirken Gottes grundsätzlich den Vollzug des Sakramentes im
059  Raume der catholica voraussetzt. Beide Momente, wesenhaft
060  verschieden, sind in der wahren Kirche doch eines: sacramentum
061  und caritas: " ". Auch wenn die caritas wesenhaft den
062  Primat besitzt, hat das Sakrament doch seine eigene Bedeutung
063  schon von daher, daß es Gott gehört und von ihm eingesetzt worden
064  ist. Daher ist es, gleich wann und wo und bei wem es angetroffen
065  wird, stets das Sakrament Christi, das niemand als seines in
066  Anspruch nehmen darf, wenn er sich nicht an die Stelle Gottes und
067  Christi setzen will - wie Augustinus es den Donatisten vorwirft,
068  da sie immer nur von ihrer, der donatistischen Taufe reden. Die
069  Sakramente gehören Gott; er hat sie der Kirche gegeben; und
070  deshalb gehören sie auch dann noch der Kirche, wenn sie außerhalb
071  derselben angetroffen werden: so wie die Kirche durch die Taufe
072  ihre Kinder im eigenen Schoße gebiert, so ist es deshalb auch die
073  Kirche, die noch in den Sakramenten außerhalb der Einheit
074  wirksam werden kann und gleichsam von den Mägden (nämlich wie
075  Sarah von ihrer Magd) Söhne erhalten kann, falls diese die
076  Demut besitzen, zur wahren Kirche zu kommen und sich als ihre
077  Söhne zu bekennen. Das Wort des Optatus von Mileve, die
078  Sakramente seien in sich selber heilig, führt Augustinus in allen
079  möglichen Variationen im Munde. Es erfährt aber insofern noch
080  eine Radikalisierung, als er, anders als Optatus, nicht einmal
081  den orthodoxen Glauben des Spenders verlangt: es ist immer heilig.
082  Ein Urteilen oder Verfügen hierüber nach menschlichem
083  Ermessen durch Anerkennen oder Nichtanerkennen von seiten der
084  Kirche wäre nach Augustinus ein Unrecht gegenüber der
085  Heiligkeit des Sakramentes Christi selber das solcher menschlichen
086  Entscheidung überhoben bleiben muß. Das " ex se sanctum ",
087  dessen Würde Augustinus verteidigen will und dessen Anerkennung
088  ihm so entscheidend zu sein scheint, ist aber nichts anderes und
089  nicht mehr als die äußere Form des Sakramentes, eben das
090  Zeichen als solches, das die Funktion hat, den Geist des
091  Menschen auf seinen anderen Inhalt hinzuweisen, und das dort, wo
092  es sich um einen heiligen, göttlichen Inhalt handelt, eben
093  Sakrament genannt wird. Auf die " sola forma " kommt es ihm an;
094  ob der Inhalt gegeben ist, spielt für die Frage nach der
095  Gültigkeit keine Rolle. " ", und deshalb ist es ihm
096  unverständlich, wieso Taufe und Kirche nicht getrennt sein
097  könnten, wie es anderseits den Donatisten ebenso unverständlich
098  ist, daß dies möglich sein solle. Beide Parteien reden aber
099  aneinander vorbei, weil sie mit " sacramentum " jeweils etwas
100  anderes meinen: während Augustinus lediglich den äußeren Ritus
101  vor Augen hat, das Zeichen also, denken die Donatisten sogleich
102  auch und vor allem an die mit diesem Ritus gemeinte Wirkung,
103  nämlich an die Eingliederung in ihre Kirche. So leicht von
104  diesem Grundsatz her die Frage nach der Gültigkeit dort zu
105  beantworten ist, wo es sich nur darum handelt, ob die moralische
106  Disposition des Spenders oder Empfängers vorhanden ist oder nicht,
107  so schwierig tut sich Augustinus dann doch in der möglichst
108  konsequenten Behandlung der an sich denkbaren Fälle, daß nicht
109  irgendwelche moralischen Qualitäten fehlen, sondern daß
110  überhaupt jede religiöse, kirchliche Motivierung und
111  Ernsthaftigkeit fehlt. Er stellt sich diese Probleme einer
112  einseitigen oder zweiseitigen Scherztaufe in der Kirche oder
113  außerhalb der Kirche, oder einer Taufe durch einen Heiden, der
114  irgendwo einmal gesehen hat, " wie man das macht ", zu Ende des
115  Werkes De baptismo. Zu einer eindeutigen und festen Antwort
116  kommt er wohl deshalb nicht, weil er spürt, daß die sonst von ihm
117  so sehr betonte Suffizienz des äußeren Taufritus hier
118  merkwürdige Konsequenzen mit sich bringen würde und daß er dieses
119  Prinzip noch einmal neu durchdenken müßte: was er gerade
120  vermeiden wollte, das müßte er eigentlich mit hinzunehmen,
121  nämlich ein subjektives Moment, und sei es auch nur die Intention,
122  ein Sakrament der Kirche zu vollziehen. Die Lösung, die er
123  selber bringt, lautet anders und zeigt zudem auch wieder, wie sehr
124  er das äußerlich greifbare Sein der Kirche, ihre sozial
125  greifbare Unwirklichkeit mit in eine Ekklesiologie und
126  Sakramentenlehre hineingezogen hat: das Kriterium der
127  Gültigkeit, das er vorschlägt, ist nämlich nicht ein
128  subjektives, sondern ein objektives: Soweit er also in diesen
129  Grenzfällen überhaupt noch etwas sagen will, hängt es von den
130  äußeren Umständen ab, in denen die Taufe gespendet worden ist:
131  ob es überhaupt noch ein als irgendwie kirchlich anzusprechender
132  Raum ist, in dem der Ritus vollzogen wurde. Mit dieser "
133  Veräußerlichung " des Sakramentes kann er seinen theologischen
134  Gegnern nun leicht " beweisen ", daß eine Wiederholung der
135  Taufe nicht nur einem großen Teil der Tradition widerspricht,
136  sondern auch überflüssig ist. Daß die Wiederholung an sich
137  unmöglich sei, kann er natürlich nicht beweisen, auch wenn er
138  Vergleiche vom Charakter des Soldaten oder von der einmaligen
139  Beschneidung heranzieht, die die Sinnhaftigkeit des " Einmaligen
140  " dartun sollen. Und auch wenn er in der Art seiner
141  Formulierungen darauf hinzielt, die Taufe doch irgendwie als ein "
142  Etwas " hinzustellen, das man " hat " oder " nicht hat ",
143  so daß in dieser Redeweise der Charakter des Rituellen, der
144  einmaligen Handlung (die eben an sich so oft wiederholbar ist, wie
145  man will), etwas verdeckt wird, gelingt ihm doch kein zwingender
146  Beweis. Außer dem Gesichtspunkt, daß eine Wiederholung
147  überflüssig ist, kann er für den Preis der " Veräußerlichung
148  " noch als Ergebnis buchen, daß für den Vollzug eines solchen
149  in seiner äußeren Form schon gültigen Ritus in der Tat die
150  sittliche Disposition des Spenders und auch des Empfängers nur
151  von sekundärer Bedeutung sein kann, wenn sie überhaupt nur taufen
152  wollen. Dann gilt einfachhin: " Zwischen der von dem Apostel
153  gespendeten Taufe Christi und der von einem Ketzer gespendeten
154  Taufe Christi ist gar kein Unterschied. Denn das Äußere
155  (species) der Sakramente wird als das gleiche erkannt, mag auch die
156  Verschiedenheit der Menschen hinsichtlich ihrer Verdienste groß
157  sein ". " ". Ganz anders aber ist es mit der "
158  res " des Sakramentes. Hier ist es überhaupt nicht der "
159  minister ", der die Gnade geben würde, sondern dies kann nur
160  Gott allein. Der " minister " vollzieht nur den sichtbaren
161  Ritus, die Gnade gibt unsichtbarerweise Gott allein. Wieder ist
162  es der gleiche Dualismus von Leiblichem und Geistigem, von
163  Institution und Liebe, von ministerium ecclesiae und gratia Dei,
164  von Innen und Außen, der die Struktur der augustinischen
165  Ekklesiologie bestimmte, und der nun hier auch die
166  Sakramentenlehre gestaltet. Wieder steht im Mittelpunkt die
167  Unterscheidung dessen, was man nicht sehen kann, sondern nur
168  wissen und denken beziehungsweise glauben kann, von dem, was man
169  als äußerliches Geschehen wahrnehmen kann. Und wiederum geht es
170  darum, beide Seiten in ihrer Art festzuhalten, so daß die
171  geistige Wirklichkeit als solche zur Geltung kommt und nicht
172  irgendwie vermaterialisiert oder verkirchlicht wird (wiewohl sie
173  ihre greifbaren, kirchlichen Konsequenzen, gleichsam ihre
174  sakramentale Verleiblichung haben muß); daß aber auch das
175  Äußere nicht einfachhin übersprungen wird, denn es gehört zur
176  Wirklichkeit der Kirche, solange sie noch nicht in der Vollendung
177  ist: " In de magistro konnte Augustinus über das
178  Verhältnis von Zeichen und eigentlicher Wirklichkeit noch
179  einfachhin sagen: " Handelt es sich um Dinge, die wir geistig,
180  das heißt mit Einsicht und Verstand betrachten, so drücken
181  unsere Worte allerdings etwas aus, das wir als etwas
182  Gegenwärtiges in jenem inneren Lichte der Wahrheit erblicken,
183  das den sogenannten inneren Menschen mit seiner Heiligkeit und
184  seinem Genuß durchdringt. Aber auch in diesem Falle gewinnt
185  unser Hörer die Erkenntnis solcher Dinge bloß durch sein in der
186  Seele verborgenes Auge, und was ich ihm sage, erfährt er durch
187  seine innere Anschauung und nicht durch meine Worte. Wenn ich ihm
188  also Wahres sage, lehre schon nicht mehr ich ihn die Wahrheit,
189  denn er betrachtet sie ja selbst; er wird daher nicht durch meine
190  Worte zu belehren sein, sondern durch die Dinge selbst, die er
191  sieht, weil Gott sie ihm innerlich enthüllt hat (...). Wenn ihm
192  indes die Worte des Fragers in etwa dazu verhelfen konnten, haben
193  sie das dennoch nicht durch ihre Belehrung vermocht, sondern sie
194  haben nur in entsprechender Form seine Fassungskraft angesprochen,
195  so daß er die innere Belehrung empfängt ". Diese Einsicht in
196  die Unmittelbarkeit und Ursprünglichkeit des geistigen Seins und
197  Tuns des Menschen, das als solches ursprüngliches und
198  unmittelbares nur von Gott begründet und ermöglicht sein kann,
199  behält Augustinus zwar prinzipiell bei, und sie ist ihm wichtig
200  für seine Sakramentenlehre und Gnadenlehre. Hinzu
201  tritt aber, daß die abwertende Haltung gegenüber dem äußeren
202  Wort und Zeichen, wenngleich nicht grundsätzlich abgelegt, so
203  aber doch wenigstens dort zurückgedrängt wird, wo er im
204  Zusammenhang mit den Sakramenten darauf zu sprechen kommt. Das
205  Zeichen als solches wird zwar nicht zu mehr gemacht, aber wegen der
206  Einsetzung Christi, wegen des Heiligen, auf das es verweist,
207  muß es hochgeschätzt werden. So muß zum Beispiel den
208  Taufschülern " bezüglich des Sakramentes, das sie empfangen,
209  zunächst eingeschärft werden, daß die äußeren Zeichen der
210  übernatürlichen Dinge zwar sichtbar sind, daß in ihren aber
211  etwas Unsichtbares verehrt wird, und daß man die durch Segnungen
212  geheiligten Sachen nicht mehr so ansehen dürfe, wie es im
213  gewöhnlichen Leben geschieht ", daß diese Zeichen vielmehr
214  wegen ihrer Hinordnung auf Christus und seine Gnade schon in sich
215  etwas Heiliges sind. Und vor allem soll sich ein in der
216  Vollkommenheit schon vorangeschrittener Katechumene nicht über die
217  weniger vollkommenen Getauften erheben und gar meinen, er habe das
218  Sakrament nicht mehr nötig, er sei auf das äußere Zeichen nicht
219  mehr angewiesen. Gewiß ist das Sakrament auch Hilfsmittel und
220  Hinweis für jene, die geringerer Geisteskraft sind; sie sollen
221  sie hinführen zum Unsichtbaren, Geistigen, so wie die ganze
222  Heilsökonomie mit dem Mittelpunkt der Menschwerdung Gottes
223  selber den Weg vom Ungeistigen, Irdischen, Sichtbaren, zum
224  Unsichtbaren, zu Gott eröffnen wollte. Aber gerade in der
225  Menschwerdung Gottes, also in der Person Jesu Christi, liegt
226  die tiefste Rechtfertigung für den Eigenwert der Sakramente als
227  sichtbarer Riten. Dies hat Augustinus wohl gespürt, wenn er
228  schrieb: " ". Um dieser manifestatio willen darf auch die
229  geistigste Einsicht in das eigentlich gemeinte Mysterium nicht von
230  der Bindung, die Christus mit der Einsetzung der Sakramente
231  selber auferlegt hat, dispensieren. Gerade die Einsicht in den
232  Sinn der Sakramente läßt den Christen diese nicht verachten,
233  sondern sie in der Freiheit des Geistes verehren.

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