Quelle Nummer 274
Rubrik 05 : KULTUR Unterrubrik 05.01 : SCHULWESEN
BILDUNGSSYSTEM IN ANDEREN LAENDERN
OSKAR ANWEILER/ FRIEDERICH KUEBART/ LUDWIG LIEGLE/
HANS-PETER SCHAEFER/ RITA SUESSMUTH
EUROPAEISCHE BILDUNGSSYSTEME ZWISCHEN TRADITION UND
FORTSCHRITT
NEITHARD ANRICH VERLAG, MUEHLHEIM (RUHR) 1971,S.103-
001 SCHWEDEN. GESCHICHTLICHE
002 ENTWICKLUNG. Ähnlich wie in Deutschland und andere
003 mitteleuropäische Länder hat Schweden seit der Mitte des 19.
004 Jahrhunderts starke soziale Wandlungen durchgemacht, die mit dem
005 raschen Übergang von einer ständischen Agrargesellschaft zu einer
006 demokratischen Industriegesellschaft zusammenhängen. In allen
007 Ländern hat dieser soziale Wandel die Notwendigkeit eines
008 umfassenden Ausbaus des Bildungswesens auf der Grundlage einer
009 breiten Volksbildung begründet. Dabei haben in Schweden mehr als
010 in Deutschland einerseits Ideen der Aufklärung, andererseits
011 demokratisches Staatsdenken und ein Pragmatismus angelsächsicher
012 Prägung an Einfluß gewonnen. Die frühzeitigen Bemühungen um
013 einen Abbau der ständischen Schranken im Bildungswesen und um die
014 Einführung einer allgemeinen Schulpflicht und die Orientierung
015 der Schule mehr an den " Realien " als am " klassischen ",
016 humanistischen Bildungsgut (alte Sprachen etc.) können auf
017 diese Einflüsse zurückgeführt werden. Ansätze zu einem
018 demokratischen Schulwesen 1842-1940. Nachdem bereits in den
019 ersten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts immer wieder Stimmen
020 einzelner Persönlichkeiten laut geworden waren, die eine
021 einheitliche Elementarbildung für alle Kinder forderten (z.B.
022 der Historiker G. A. Silverstope 1809 und der
023 Theologe A. Fryxell 1923), wurde in Schweden im Jahre 1842
024 von der Regierung eine Volksschulverordnung erlassen, die
025 bestimmte, daß für alle Kinder Unterrichtspflicht einzuführen
026 sei. Obgleich die Verordnung eine Dauer der Schulpflicht nicht
027 festlegte, und obwohl die Übertragung der vollen Verantwortung
028 für die Schule auf die einzelne Gemeinde innerhalb des dünn
029 besiedelten Landes zahlreiche Probleme mit sich brachte, muß die
030 Einführung der allgemeinen Schulpflicht im Jahre 1842 als
031 entscheidender Ausgangspunkt für die Demokratisierung des
032 Bildungswesens in Schweden gewertet werden. Die Verordnung trug
033 zu einem raschen Ausbau des Volksschulwesens im ganzen Lande bei
034 - 1839 waren noch über die Hälfte der 2308 Gemeinden ohne
035 Schule gewesen -, und ihre Verwirklichung ermöglichte es, im
036 Jahre 1878 eine sechsjährige und im Jahre 1936 eine siebenjährige
037 Schulpflicht für alle Kinder einzuführen. - Nach der
038 Einführung der allgemeinen Schulpflicht, welche am
039 ständischen Charakter des Bildungswesens noch nichts änderte -
040 im ganzen 19.Jahrhundert bestand z. B. für die oberen
041 Stände ein neunjähriges Gymnasium - richtete sich das
042 Augenmerk der Reformer insbesondere auf die weiterführenden
043 Schulen. Die reformerische Tendenz bestand darin, die
044 Volksschule immer mehr zur " Grundschule " für alle
045 Bildungswege zu machen und dadurch die Parallelität verschiedener
046 in sich " geschlossener " Schultypen (" horizontale " Struktur
047 des Bildungswesens) abzubauen. Diese Tendenz setzte sich jedoch
048 nur ganz allmählich gegen den Widerstand konservativer
049 gesellschaftlicher Kräfte durch und wurde endgültig erst in der
050 Reformperiode 1940-1962 verwirklicht. Immerhin wurden 1884 die
051 ersten drei und 1927 die ersten vier Jahre der Volksschule zur
052 obligatorischen Grundstufe für alle (weiterführenden)
053 Schultypen erklärt. Mit der Einrichtung einer vierjährigen
054 kommunalen Realschule (1909), welche auf einer sechsjährigen
055 Volksschulbildung aufbaute, mit der Verbreitung eigenständiger
056 Realschulen (seit 1904), mit dem Ausbau von kommunalen
057 " Fortsetzungsschulen " (für Volksschulabsolventen) und von
058 kommunalen Mädchenschulen (6jährig bis 7jährig,
059 aufbauend auf der 4.bzw. 6.Volksschulklasse) und
060 schließlich mit der Beschränkung des " Gymnasiums " auf eine
061 Unterrichtszeit von 3 bis 4 Jahren (1927) wurde schon vor 1940
062 eine Auflockerung der horizontalen Schulstruktur erreicht.
063 Es war damit gewährleistet, daß die frühere Gelehrtenschule nur
064 auf der " Realschule " (als Mittelbau) und diese wiederum nur
065 auf der Volksschule aufbauen konnte, so daß zwischen Volksschule
066 und Gymnasium keine parallelen Klassen bestanden und
067 Übergangsmöglichkeiten zu weiterführenden Schulen noch von der 6.
068 Volksschulklasse aus gegeben waren. Vorbereitung,
069 Verlauf und Verlaufskontrolle der Schulreform 1940-1962.
070 Die weitere Umgestaltung des Bildungswesens wurde gefördert durch
071 die Steigerung des Lebensstandards, durch die zunehmende
072 Nachfrage nach höherer Bildung und qualifizierter Ausbildung von
073 seiten der Wirtschaft und von seiten der Bevölkerung und durch den
074 wachsenden Einfluß der Sozialdemokratischen Partei Schwedens;
075 die Sozialdemokraten, die sich seit Gründung der Partei (1889)
076 die Demokratisierung der Gesellschaft und der Bildung ins
077 Programm geschrieben hatten, bildeten 1932 zum erstenmal die
078 Regierung und sind seitdem ununterbrochen an der Macht geblieben.
079 - Der seit 1940 einsetzende Prozeß einer grundlegenden Reform
080 des schwedischen Bildungswesens läßt sich in drei Phasen
081 beschreiben: Vorbereitungsphase (1940-1950);
082 Erprobungsphase (1950-1962);
083 Durchführungsphase (seit 1962) Im Jahre 1940
084 beauftragte die Regierung den Kultusminister mit der Bildung eines
085 Ausschusses, der mit Hilfe von Expertengutachten zu einer
086 Analyse des bestehenden Schulwesens und zu Vorschlägen zu dessen
087 Verbesserung gelangen sollte. Das 1940er " Schulkomitee "
088 bestand aus Wissenschaftlern und aus Praktikern aller
089 Schulgattungen, ohne Rücksicht auf Parteizugehörigkeit. Es
090 untersuchte im Laufe von sieben Jahren Fragen wie die
091 Übergangsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Schultypen, die
092 Ausleseproblematik, die Begabungsstruktur, die sozialen und
093 regionalen Bildungsunterschiede und die Lehrplangestaltung in der
094 Grundschule. Die Untersuchungen wiesen auf beträchtliche
095 Mängel des bestehenden Schulsystems hin, u. a. auf die
096 folgenden: 1940 besuchten nur 10 % der 16jährigen
097 bis 18jährigen eine weiterführende Schule, und nur 5 % der 19
098 jährigen bis 24jährigen erhielten eine Hochschulbildung
099 (Jüttner 1968; 288); 1941 war der Anteil der
100 Arbeiterkinder an den Realschülern nur halb so groß wie der
101 Anteil der Arbeiterschicht an der Gesamtbevölkerung, während er
102 in der Oberschicht dreimal größer war als deren Anteil an der
103 Gesamtbevölkerung; im gleichen Jahr besuchten in schlecht
104 erschlossenen Regionen nur 28 %, in gut erschlossenen Regionen
105 dagegen 55 % der Kinder eines Jahrgangs eine Realschule.
106 Neben seiner kritischen Bestandsaufnahme gelangte das 1946er
107 Schulkomitee jedoch nicht zu einheitlichen konkreten Vorschlägen
108 zur Änderung der Schulstruktur, u. a. deshalb, weil die
109 konservativen Kräfte in ihm die Mehrheit bildeten. Noch vor dem
110 Abschluß seiner Arbeit wurde daher 1946 ein zweiter Ausschuß
111 gebildet. Die 1946er " Schulkommission " bestand aus
112 Parlamentariern der verschiedenen Parteien. Im Mittelpunkt ihrer
113 Arbeit stand nicht mehr eine Bestandsaufnahme, sondern die
114 Herbeiführung einer bildungspolitischen Entscheidung über die
115 Richtlinien der Schulreform und die Ausarbeitung der Details der
116 neuen Schulorganisation; dabei wurde die Kommission durch einen
117 Expertenrat unterstützt; die Kenntnisnahme von laufenden
118 Schulversuchen innerhalb Schwedens und von internationalen
119 Bildungsreformen erleichterte den Entscheidungsprozeß. 1948 legte
120 die Kommission einen Zwischenbericht mit Empfehlungen vor. Darin
121 wurde vorgeschlagen, eine neunjährige " Einheitsschule " als
122 Pflichtschule für alle Kinder einzuführen; die
123 " Einheitsschule " sollte die frühere Volksschule und die früheren
124 Mittelschulen und Realschulen in sich vereinigen und
125 allen Schülern einen weitgehend einheitlichen (wenig
126 differenzierten) Lehrplan bieten; sie sollte zunächst in zwölf
127 ausgewählten Gemeinden erprobt werden. Durch einen Beschluß des
128 schwedischen Reichstages (1950), die allgemeine Schulpflicht auf
129 neun Jahre zu verlängern und Schulversuche mit der neunjährigen
130 " Einheitsschule " durchzuführen, wurden die Empfehlungen der
131 1946er Schulkommission zur offiziellen Regierungspolitik erhoben;
132 mit dem Reichstagsbeschluß von 1950 ist die
133 Vorbereitungsphase der schwedischen Schulreform abgeschlossen
134 Die Erprobungsphase zwischen 1950 und 1962 ist gekennzeichnet durch
135 die Einrichtung einer wachsenden Zahl von regionalen
136 Versuchsschulen und die Durchführung wissenschaftlicher
137 Kontrolluntersuchungen über die Bewährung von unterschiedlichen
138 Formen der Differenzierung, über die Auswirkungen der neuen
139 Schulorganisation auf die Leistungen und auf die soziale
140 Rekrutierung der Schüler u. a. Fragen. Dabei war den
141 einzelnen Schulen weitgehend Freiheit gegeben, innerhalb der
142 vorgegebenen Organisationsform zu experimentieren. An den
143 Schulversuchen beteiligten sich zunächst (1949 (math.Op.) 50) 14
144 Schulbezirke mit insgesamt 172 Klassen und 2500 Schülern; im
145 Schuljahr 1959 (math.Op.) 60 waren es bereits 217 Schulbezirke mit
146 insgesamt 11262 Klassen und 265500 Schülern. Seit etwa 1955 gab
147 es die ersten voll ausgebauten, neuenjährigen " Einheitsschulen "
148 bzw. " Grundschulen ". - Im Jahre 1957 wurde ein
149 weiterer Ausschuß berufen. Der 1957er " Schulausschuß "
150 setzte sich aus Parlamentariern und anderen Vertretern des
151 öffentlichen Lebens zusammen. Seine wichtigsten Aufgaben
152 bestanden in der systematischen Auswertung der praktischen
153 Erfahrungen und wissenschaftlichen Kontrolluntersuchungen im
154 Rahmen der Schulversuche und in der Ausarbeitung von
155 entsprechenden Richtlinien für die staatliche Schulverwaltung.
156 Das schwierigste Problem war dabei die Abwägung zwischen
157 " innerer pädagogischer " und " äußerer organisatorischer "
158 Differenzierung. In seinem Hauptgutachten aus dem Jahre 1961
159 schloß sich der Schulausschuß im wesentlichen der
160 bildungspolitischen Tendenz der 1946er Schulkommission an; er
161 empfahl die allgemeine Einführung der neunjährigen " Grundschule "
162 und schlug einen Kompromiß zwischen " innerer " und
163 " äußerer " Differenzierung (von der 7.Klasse der
164 Grundschule an) vor. Mit der Verabschiedung des
165 Schulgesetzes von 1962 durch den schwedischen Reichstag, das
166 die Direktiven des 1957er Schulausschusses zu Richtlinien der
167 staatlichen Bildungspolitik machte, wurde die umfassende
168 Durchführungsphase der Reform eingeleitet. In dieser Phase
169 steht neben der Verwirklichung der neuen Organisation der
170 " Grundschule " im ganzen Lande - die Einführung der
171 neunjährigen Grundschule soll bis 1972 (math.Op.) 73 abgeschlossen sein
172 - die " innere Schulreform " (Lehrplangestaltung,
173 Lehrerfortbildung, Differenzierung etc.) im Mittelpunkt des
174 Interesses. Die Entwicklung seit 1962. Bis 1962 hatten
175 sich die Bemühungen um die Schulreform fast ausschließlich auf
176 die Schaffung einer obligatorischen Grundstufe des Bildungswesens
177 beschränkt. Nach der gesetzlichen Einführung der neunjährigen
178 " Grundschule " als Pflichtschule für alle Kinder durch das
179 Schulgesetz von 1962 ergab sich die Notwendigkeit, den
180 Absolventen der Neunjahresschule angemessene Formen einer
181 weiterführenden Schulbildung zu gewährleisten, die zugleich mit
182 den sozialpolitischen und pädagogischen Zielsetzungen der
183 " Grundschule " übereinstimmten. Dabei mußte das " Gymnasium "
184 besondere Aufmerksamkeit beanspruchen, da es das einzige
185 Bindeglied zwischen " Grundschule " und Hochschulen darstellte
186 und dementsprechend dem stärksten Andrang der
187 Grundschulabsolventen ausgesetzt war. Ein bereits 1960 gebildetes
188 Komitee zur Reform des Gymnasiums legte 1963 sein
189 Hauptgutachten vor; die Empfehlungen des Komitees, die 1964 zur
190 Regierungsvorlage erhoben und vom Reichstag gebillgt wurden, sahen
191 vor, die früheren allgemeinen, technischen und Wirtschafts-
192 Gymnasien durch ein einheitliches dreijähriges Gymnasium mit vier
193 Zügen zu ersetzen. Seit dem Schuljahr 1966 (math.Op.) 67 ist mit der
194 Einführung des neuen Gymnasiums im ganzen Lande begonnen worden.
195 - Der Reichstagsbeschluß von 1964 sah neben der Reform
196 des Gymnasiums auch eine Reform des Berufswesens und
197 Fachschulwesens vor. Die Einführung einer zweijährigen
198 Fachschule zur Ausbildung von " Fachschulingenieuren ",
199 " Fachschulökonomen " etc. geht auf die Empfehlungen der 1962
200 gebildeten " Fachschulkommission " zurück, die ihr
201 Gutachten 1963 vorlegte. Im Gegensatz zum Gymnasium ist die
202 Fachschule eine praktisch orientierte, berufsvorbereitende Schule;
203 sie baut allerdings ebenso, wie das Gymnasium, im allgemeinen
204 auf den " theoretischen " Zügen der " Grundschule " auf. -
205 Eine Reform des organisatorisch stark variierenden
206 Berufsschulwesens ist im Reichstagsbeschluß von 1964 erst vage
207 angedeutet worden. 1966 wurde ein eigenes Komittee für
208 Berufsausbildung eingesetzt, das 1968 ein Gutachten mit der
209 Empfehlung vorlegte, eine zweijährige, stark differenzierte
210 Berufsschule als Teil einer organisatorisch zusammengefaßten
211 Sekundarschul-Oberstufe einzuführen; die Berufsschule
212 sollte dabei vorwiegend auf den " praktischen " Zügen der
213 Grundschul-Oberstufe aufbauen. Durch einen
214 Reichstagsbeschluß von 1968 wurden die Empfehlungen des
215 Komitees für Berufsausbildung gebilligt. Der
216 Reichstagsbeschluß sieht vor, daß bis 1971 nicht nur die neue
217 Berufsschule, sondern auch die neue Fachschule mit dem Gymnasium
218 zu einer organisatorisch zusammengefaßten " gymnasialen Stufe "
219 bzw. " Mittelschule " vereinigt wird.
220 GESETZLICHE GRUNDLAGEN UND
221 ORGANISATION DES BILDUNGSWESENS.
222 Schweden ist eine parlamentarische Demokratie mit einem König als
223 Staatsoberhaupt. Die Legislativgewalt liegt bei dem aus zwei
224 Kammern bestehenden Reichstag, die Exekutivgewalt ist weitgehend
225 delegiert an die zentralen Ministerien, deren Leiter den
226 Ministerrat bilden. Die Tatsache, daß ein zentrales
227 Ministerium - das Kultusministerium bzw.
228 Erziehungsministerium - für die Planung und oberste Leitung des
229 gesamten schwedischen Bildungswesens verantwortlich ist, war für
230 die konsequente Durchführung der Schulreformen zweifellos von
231 großer Bedeutung; dies um so mehr, wenn man berücksichtigt,
232 daß Schweden ein flächenmäßig großes Land (449793 qkm; etwa
233 doppelt so groß wie die BRD) mit einer äußerst geringen
234 Bevölkerungsdichte ist (Einwohnerzahl Schweden: 7,8 Mill.,
235 BRD: 57,4 Mill.; Bevölkerungsdichte Schweden:
236 17,3 je qkm; BRD: 231,6). Die grundlegenden
237 Bestimmungen über das schwedische Schulwesen sind im Schulgesetz
238 von 1962 und in der Schulsatzung aus demselben Jahre niedergelegt.
239 Das Schulgesetz von 1962 regelt u. a. die
240 verwaltungsmäßigen Zuständigkeiten im Bereich des Schulwesens,
241 die Dauer der Schulpflicht, die allgemeinen Regeln des
242 Unterrichts und die Kostenfreiheit des Unterrichts in der
243 " Grundschule ", die Einführung der " Grundschule " in allen
244 Gemeinden und Fragen des Elternrechts. Mit Ausnahme der
245 Vorschulinstitutionen, die zum Verantwortungsbereich des
246 Ministeriums für das Sozialwesen gehören, untersteht das gesamte
247 Bildungswesen der Oberaufsicht des Kultusministeriums
248 bzw. Erziehungsministeriums. Im Rahmen dieses Ministertums
249 ist die " Generaldirektion für das Schulwesen " für
250 alle Schulen (Grundschule, Gymnasium, Fachschule,
251 Berufsschule) verantwortlich, während für die Hochschulen des
252 Landes mit dem " Büro des Kanzlers der Universitäten " eine
253 eigene Behörde geschaffen wurde. Die Generaldirektion für das
254 Schulwesen gliedert sich in die folgenden Abteilungen: Abteilung
255 für allgemeine Schulfragen, Abteilung für Berufsbildung,
256 Abteilung für Lehrerbildung und pädagogische Forschungsarbeit,
257 Planungsabteilung und Verwaltungsabteilung. Die staatliche
258 Oberaufsicht bezieht sich auf folgende Aspekte des Schulwesens:
259 allgemeine Planung, Festlegung der Organisationsformen, der
260 Übergänge zwischen den Schultypen und der Prüfungsbestimmungen,
261 Ausarbeitung verbindlicher Richtlinien für die
262 Lehrplangestaltung, Durchfürhung von Unterrichtsforschung und
263 Finanzierung (ca. 90 % der Lehrergehälter, ca. 30
264 % der tatsächlichen Kosten für neue Schulgebäude). -
265 Unterhalb der Ebene der zentralen staatlichen Leitung ist in den
266 24 Regierungsbezirken Schwedens jeweils eine
267 " Bezirksschulleitung " für die Inspektion und Planung des
268 regionalen Schulwesens verantwortlich; an der Spitze eines
269 Regierungsbezirks steht der Regierungspräsident (landshövding).
270 - Schließlich gibt es auf der kommunalen Ebene die sogenannte
271 örtliche Schuldirektion, die für die Schulverwaltung im
272 engeren Sinne verantwortlich ist; zu ihren Aufgaben gehört die
273 Beschaffung von Schulgebäuden, die Erarbeitung von
274 Schulordnungen, die Ausschreibung von freien Stellen sowie die
275 Empfehlung und Bestellung von Lehrern. - Trotz der zentralen
276 staatlichen Oberaufsicht ist der einzelnen Schule (mit einem
277 Schuldirektor als Leiter) ein breiter pädagogischer Spielraum
278 erhalten geblieben; dies galt in besonders starkem Maße für die
279 Periode der Schulversuche. Ganz allgemein läßt sich feststellen,
280 daß in Schweden der Versuch unternommen wird, zentrale Planung
281 nicht auf Kosten der Wünsche und Bedürfnisse der einzelnen
282 Schüler, Eltern und Lehrer zu betreiben; so haben z.B.
283 Widersprüche zwischen den geplanten Schülerquoten in
284 einzelnen Schultypen und Schul zügen, die aufgrund von
285 Bedarfsberechnungen der Wirtschaft bestimmt wurden, und den
286 tatsächlichen Schülerquoten immer wieder zur Revision der
287 Bildungsplanung geführt. - Neben den staatlichen Schulen gibt
288 es gegenwärtig in Schweden etwa 30 staatlich anerkannte,
289 unterstützte und beaufsichtigte Privatschulen; es handelt
290 sich dabei im allgemeinen um Sekundarschulen (Kl. 7 bis 12)
291 mit besonderer pädagogischer Ausrichtung (z. B.
292 Waldorfschulen mit Internat). Die Privatschulen erfassen etwa
293 11000 Schüler, d. i. weniger als 1 % der
294 Schülerschaft in öffentlichen Schulen. STRUKTUREN,
295 ZIELSETZUNGEN UND INTERNE PROBLEME
296 DES BILDUNGSWESENS (SEIT 1962). Als die
297 wichtigsten Merkmale der Struktur des schwedischen
298 Bildungswesens können genannt werden: die Verschiebung jeglicher
299 " Auslese " von Schülern auf die Zeit nach dem 15.
300 Lebensjahr (nach Abschluß der neunjährigen Grundschule), die
301 zunehmende Differenzierung und Individualisierung des Unterrichts
302 von der 7.Klasse Grundschule an und die Tendenz zur
303 Verallgemeinerung der Sekundarschulbildung über die
304 Grundschul-Oberstufe hinaus. 1964 besuchten 95 % aller
305 7jährigen bis 15jährigen die neunjährige Pflichtschule
306 und 46 % aller 16jährigen bis 18jährigen eine
307 weiterführende Schule (Gymnasium, Fachschule, Berufsschule);
308 für 1970 rechnet man damit, daß weiterführende Schulen von 80
309 % aller 16jährigen bis 18jährigen besucht werden.
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