Quelle Nummer 258
Rubrik 02 : RELIGION Unterrubrik 02.21 : ALLGEMEINE
PFINGSTKIRCHEN (FORSCHUNGSBERICHT)
WALTER J. HOLLENWEGER (HRSG.)
DIE PFINGSTKIRCHEN
SELBSTDARSTELLUNGEN, DOKUMENTE, KOMMENTARE
HERAUSGEGEBEN VON WALTER J. HOLLENWEGER
DER KIRCHEN DER WELT BAND 7
EVANGELISCHES VERLAGSWERK STUTTGART 1971, S.307-
001 EIN FORSCHUNGSBERICHT.
002 Obschon die Pfingstbewegung in den letzten Jahren die Kirchen aller
003 Kontinente beunruhigte und über sie und von ihr eine umfangreiche
004 Literatur produziert wurde, fehlt bis heute eine systematische
005 Erfassung dieser Veröffentlichungen. Davon kann sich leicht
006 überzeugen, wer die zufälligen bibliographischen Angaben über
007 die Pfingstbewegung in den wissenschaftlichen Standardwerken
008 konsultiert, eingeschlossen die Artikel " Pfingstbewegung " in
009 den großen theologischen Lexika. Eine systematische Erfassung
010 dieser Literatur war daher geboten, bereitet aber große
011 Schwierigkeiten, da bis heute keine Vorarbeiten auf diesem Gebiet
012 geleistet worden sind. In mein " Handbuch der Pfingstbewegung "
013 nahm ich ungefähr 4700 Titel pfingstlicher Selbstdarstellungen
014 (1673 Autoren) ungefähr 1100 Titel von Fremddarstellungen
015 über die Pfingstbewegung (763 Autoren) ungefähr 2500 Titel
016 von Fremddarstellungen und Selbstdarstellungen der
017 Heiligungsbewegung (1004 Autoren) 400 Kurzbiographien von
018 Pfingstpredigern auf. Im folgenden Aufsatz wird aus dieser
019 Bibliographie eine Auswahl getroffen, die zugleich einem
020 Bibliothekar die Möglichkeit gibt, seine Bestände in bezug auf
021 die Pfingstbewegung zu prüfen. Um den Anmerkungsapparat nicht
022 unnötig anschwellen zu lassen, erscheinen im Text und in den
023 Anmerkungen nur minimale bibliographische Angaben. Die
024 besprochenen Werke sind jedoch mit Hilfe der Bibliographie am
025 Ende dieses Bandes eindeutig zu identifizieren. Meines Erachtens
026 sollte eine wissenschaftliche Bibliothek mit einer theologischen,
027 soziologischen oder religionswissenschaftlichen Abteilung, ebenso
028 wie eine Bibelschule der Pfingstbewegung, die ihre Prediger über
029 die Geschichte der Pfingstbewegung zuverlässig informieren will,
030 folgende Bestände über die Pfingstbewegung aufweisen: von
031 Zeitschriften (1a), Zeugnissen und Kontroversen (1b),
032 Berichten und Reportagen (2b) eine Auswahl; die übrigen
033 aufgeführten Werke sollten, wenn möglich, vollständig vorhanden
034 sein; die anspruchsvollere Literatur jenes Landes, in dem sich
035 die Bibliothek befindet, sollte wenigstens in einer
036 Bibliothek des betreffenden Landes greifbar sein (eine Forderung,
037 die heute weder von den großen wissenschaftlichen, noch von den
038 pfingstlichen Bibliotheken auch nur in etwa erfüllt wird). Nach
039 meinen Erfahrungen trifft man normalerweise an europäischen und
040 amerikanischen Bibliotheken folgendes Bild: Die polemischen
041 Fremdberichte (2a) sind am zahlreichsten vertreten, gefolgt von
042 den theologischen Interpretationsversuchen (2c). Soziologische
043 Interpretationsversuche sind vorhanden, aber unvollständig. Die
044 pfingstlichen Zeitschriften und Quellen (1a; 1c) fehlen fast
045 ganz. Katechismen, Glaubensbekenntnisse und dogmatische
046 Abhandlungen (1d) sind aus zufälligen Gründen vorhanden
047 (Schenkungen!), und die wissenschaftlichen Selbstdarstellungen
048 (1e) fehlen in Europa meist ganz, in den USA sind sie wenigstens
049 in Mikrofilmen zugänglich. Eine der schwierigsten Aufgaben bei
050 der Einteilung der Literatur über die Pfingstbewegung ist die
051 Entscheidung darüber, welche Autoren unter die Selbst
052 darstellungen und welche unter die Fremddarstellungen
053 einzureihen seien. Der Außenstehende nimmt an, die Aufteilung
054 in Pfingstler und Nicht-Pfingstler biete keine besonderen
055 Probleme, da man schließlich wisse, wer zur Pfingstbewegung
056 gehöre und wer nicht. Aber ganz abgesehen davon, daß es schwer
057 hält, die Pfingstbewegung genau abzugrenzen, fehlen bis heute
058 eindeutige Kriterien zur Bestimmung eines pfingstlichen Autors.
059 Soll man sich auf das Selbstverständnis des Autors stützten?
060 Was aber, wenn der Autor seine Darstellungskategorien je nach
061 Leserschaft wählt? Wo sollen - um nur ein Beispiel zu wählen
062 - die in den Landeskirchen amtierenden Pfarrer eingereiht werden,
063 die pfingstliche Lehre und Praxis vertreten? Wo soll die
064 Literatur jener pfingstlichen Denominationen eingeordnet werden,
065 die im Laufe ihrer Geschichte die pfingstliche Stufenlehre
066 aufgegeben haben? Noch schwieriger gestaltete sich die Abgrenzung
067 zwischen der Pfingstbewegung und Heiligungsbewegung. Im
068 großen und ganzen wurde alles zur Pfingstbewegung gerechnet, was
069 einen zweistufigen oder mehrstufigen Heilsweg lehrt und
070 die letzte Stufe hauptsächlich, wenn auch nicht immer, mit dem
071 Zungenreden charakterisiert. Abgesehen von der Einteilung in
072 Fremddarstellungen und Selbstdarstellungen folgt dieser
073 Forschungsbericht folgendem Prinzip: Die Selbstdarstellungen
074 beginnen mit den Quellen und den weniger anspruchsvollen Berichten
075 und schließen mit den wissenschaftlichen, hohe Ansprüche
076 zufriedenstellenden Darstellungen. Bei den Fremddarstellungen
077 wird ein ähnliches Prinzip verfolgt. Sie beginnen mit den
078 Polemiken und Reportagen, gefolgt von den konfessionellen
079 Interpretationsversuchen, denen allerdings einige ökumenisch oder
080 exegetisch orientierte Arbeiten vorangestellt werden; sie enden
081 mit den soziologischen Interpretationsversuchen. Spezialprobleme
082 wie die japanische " Nicht-Kirche-Bewegung ", der
083 indische Sadhu Sundar Singh, die afrikanischen unabhängigen
084 Bewegungen oder den deutschen Heilungsevangelisten H. Zaiss
085 werden nicht im einzelnen behandelt. TYPEN VON
086 SELBSTDARSTELLUNGEN. Verlage,
087 Zeitschriften. Die Pfingstler fanden für ihre Bücher und
088 Broschüren ursprünglich keine Verleger, zum Teil aus
089 stilistischen, meist aber aus dogmatischen Gründen. Zudem
090 verkannten die Verleger völlig die Marktlage. Mit pfingstlichen
091 Büchern läßt sich nämlich heute ein großes Geschäft machen.
092 Pfingstler kaufen für sich, für ihre Verwandten und Bekannten
093 Bücher. Man beachte nur die große Produktion des Gospel
094 Publishing Houses. Die Druckerei dieses Verlages
095 druckte 1963 täglich 10 Tonnen Literatur. Sie verkaufte schon
096 1958/59 für 5 1 (math.Op.) 2 Millionen Dollar Bücher und
097 Zeitschriften. (Die Zahlen sind unterdessen erheblich gestiegen.)
098 Der brasilianische pfingstliche Verleger O. S. Boyer
099 verkauft in Brasilien jährlich zwei Millionen Bücher und
100 Traktate und gilt als der meistgelesene heutige portugiesische
101 Autor. Die All Nations Gospel Publishers in
102 Südafrika drucken Literatur in vielen afrikanischen und einigen
103 asiatischen Sprachen. Das sind nur einige Beispiele. Da die
104 Pfingstler gezwungen waren, ihren eigenen Verteilerapparat
105 aufzubauen, finden sich ihre Bücher weder in den offiziellen
106 Bibliographien, noch in den Bibliotheken, noch in den Listen der
107 Buchhändler. Das ändert nichts daran, daß pfingstliche
108 Bücher in großen Auflagen gedruckt und gelesen werden, und zwar
109 nicht nur von den Pfingstlern. Davon kann sich jeder Pfarrer
110 selbst überzeugen; es wird z. B. wenige Städte in der
111 Welt geben, in denen der " Herold Seines Kommens " in
112 irgendeiner Übersetzung nicht von den Gliedern traditioneller
113 Kirchen gelesen wird. Es wird wenige Ortschaften und kaum ein
114 Pfarrhaus in Holland geben, in denen man " Kracht van Omhoog "
115 nicht findet. Und man wird nicht viele Kirchengemeinden in der
116 Schweiz und in Deutschland finden, in denen der " Sieg des
117 Kreuzes " von niemandem gelesen wird. Auch wird es wenige
118 Spitäler in Europa und Amerika geben, in denen nicht einige
119 Patienten oder Krankenschwestern die Literatur der
120 Heilungsevangelisten lesen und verteilen. Ein wichtiger Aspekt
121 der pfingstlichen Zeitschriftenliteratur ist ihre
122 Internationalität. Man findet in pfingstlichen Zeitschriften
123 leicht Artikel über die Pfingstbewegung in Ländern hinter dem
124 Eisernen Vorhang oder selbst in China. Meist werden diese
125 Artikel über schwedische oder englische Übersetzungen vermittelt.
126 Die internationale Zusammenarbeit der pfingstlichen
127 Zeitschriften kann am besten mit der Zusammenarbeit der Banken
128 verglichen werden. Manchmal entsprechen die Namen der
129 Zweigfilialen in Hamburg oder New York der Muttergesellschaft.
130 Manchmal aber ist dem Namen einer Zeitschrift nicht anzumerken,
131 daß sie hauptsächlich Nachrichten aus einer bestimmten
132 amerikanischen oder schwedischen Pfingstdenomination bringt. Auch
133 hier vollzieht sich die Nachrichtenvermittlung über ein
134 unsichtbares Pilzfädengeflecht, das aber vom Kenner eindeutig
135 entwirrt werden kann. Es fällt darum einem Redaktor in Stockholm,
136 Basel oder New York nicht schwer, über eine laufende
137 Evangelisation in Lagos oder Rio de Janeiro zu berichten. Will
138 man aber von ihm frühere Nummern seines Blattes erhalten, so
139 könnte sich leicht herausstellen, daß die Redaktion kein Archiv
140 ihres eigenen Blattes besitzt. Will man von ihm gar den Namen des
141 ersten Redaktors des Blattes erfahren, so muß er sich meist auf
142 sein Gedächtnis verlassen. Das erschwert natürlich die
143 Rekonstruktion der Frühgeschichte der Pfingstbewegung.
144 Zugegeben, einzelne große Denominationen haben mit großen
145 Anstrengungen nachträglich mehr oder weniger vollständige
146 Sammlungen ihrer Zeitschriften zusammengestellt. Aber man stelle
147 sich die Mühe vor, die ein Historiker aufwenden muß, um die
148 frühen Nummern verschiedener Denominationen in verschiedenen
149 Städten Europas, Amerikas und Asiens zu suchen! Eine
150 zentrale Stelle pfingstlicher Zeitschriften gibt es nicht einmal
151 für die deutschen Pfingstblätter, ebenso wenig wie für die
152 englischen, amerikanischen oder schwedischen. Aus diesem Grunde
153 hat die Oral-Roberts-Universität seit einigen Jahren
154 alte Jahrgänge der meisten amerikanischen und einiger weniger
155 außeramerikanischer Zeitschriften gesammelt. Eine Auswahl
156 internationaler Zeitschriften besitzt der Verfasser. Im Anhang
157 findet der Leser eine Liste der wichtigsten pfingstlichen
158 Zeitschriften (vollständig im erwähnten Handbuch). Nicht zu
159 unterschätzen sind die Schallplattenverlage und die hunderte von
160 Radiosendungen, die aber in dieser Arbeit nicht berücksichtigt
161 werden. Um einen Einblick in die pfingstliche Frömmigkeit zu
162 bekommen, eignen sich am besten die schon erwähnten Zeitschriften.
163 Es gibt davon Hunderte. Jede Denomination veröffentlicht
164 zwischen einer und einem Dutzend, gelegentlich auch bis zu 30-
165 40 Zeitschriften. Die Gesamtauflage sämtlicher Zeitschriften
166 der amerikanischen Assemblies of God betrug z. B.
167 1961 über zwei Millionen. Gewisse Nummern von " Mehr Licht "
168 brachten es auf eine Auflage von über 100000. Das ist jedoch die
169 Ausnahme. Normalerweise produziert jede Denomination eine Anzahl
170 Zeitschriften für verschiedene Leserkreise. Da gibt es das
171 (nach dem Tode Gees leider eingegangene) ilustrierte
172 Nachrichtenblatt Pentecost, den graphisch und
173 drucktechnisch ziemlich anspruchsvollen Pentecostal Evangel
174 der Assemblies of God, die schwedische Tageszeitung
175 Dagegen, die reißerischen Propagandaschriften der
176 Heilungsevangelisten, die konservativen Heilszeugnisse des
177 " Christlichen Gemeinschaftsverbandes GmbH Mühlheim/Ruhr ",
178 das Schweizer Blatt " Wort und Geist " (das ab
179 1969 von den drei Schweizer Pfingstgruppen " Schweizerische
180 Pfingstmission ", " Gemeinde für Urchistentum " und " Freie
181 Christengemeinden " gemeinsam herausgegeben wird). Es gibt
182 Fachblätter für Prediger, für Sonntagschullehrer,
183 Sonntagschulsuperintendenten, für Kinder, Teenager, Studenten,
184 für Blinde, für Taubstumme, für Soldaten, für
185 pfingstliche Feldprediger, für Musiker und Chordirigenten usw..
186 Fast jedes Land und jede Sprache hat ihre
187 Pfingstliteratur. Selbstverständlich herrschen die englischen
188 Zeitschriften vor. Daneben gibt es aber eine Fülle von
189 Zeitschriften in unerwarteten Sprachen: finnisch, russisch,
190 neugriechisch, serbokroatisch, rumänisch, viele afrikanische und
191 asiatische Sprachen. Zeugnisse und Kontroversen. Der
192 pfingstlichen Frömmigkeit entspricht das Zeugnis. Das
193 Schreiben lohnt sich für den Pfingstler nur, wenn er in einer der
194 Situation und dem Gegenstand seines Berichtes angepaßten Form
195 Zeugnis für seinen Herrn ablegen kann. Unter den Zeugnissen im
196 engeren Sinn gibt es viele Bekehrungsgeschichten und
197 Autobiographien. Ferner fallen die theoretischen und die
198 berichtenden Broschüren und Bücher über Krankenheilung durch
199 Gebet, Totenauferweckungen, Teufelaustreibungen und
200 Geistestaufen in diese Kategorie. Predigten und
201 Erbauungsschriften, darunter auch sprachlich anspruchsvolle,
202 werden ebenfalls publiziert. Gelegentlich wird ein solcher Bericht
203 auch vom nichtpfingstlichen Buchhandel ins Sortiment aufgenommen.
204 Einige Pfingstmissionare haben sich um die Schaffung einer
205 Eingeborenen-Literatur bemüht. An polemischer Literatur
206 gegen andere Kirchen oder Sekten hat die Pfingstbewegung
207 verhältnismäßig wenig hervorgebracht. Gelegentlich werden eigene
208 Romane veröffentlicht. Der brasilianische Pfingstprediger und
209 Bundestagsabgeordnete L. Tavares publizierte seine Reden im
210 brasilianischen Bundestag. Darunter fallen vor allem seine Reden
211 über " Vergeudung von Geldern für die Aufrüstung ",
212 " Humanisierung des Geldmarktes ", " Unterdrückung der
213 Religionsfreiheit in Südvietnam ", " Nobelpreis für
214 einen Negerprediger " " auf. Die Literatur der
215 Heiligungsbewegung wird fleißig gelesen. Jedoch spielen
216 Evangelisationstraktate nicht die große Rolle, die man erwarten
217 würde, da die Pfingstler dem gesprochenen Wort in der
218 Freiversammlung, dem Zeugnis von Mann zu Mann, mehr
219 Überzeugungskraft zutrauen. Das Traktat wird eher zur
220 Unterstützung des gesprochenen Wortes verwendet. Quellen,
221 Berichte, Protokolle. Die besten Quellen sind die schon
222 erwähnten Zeitschriften. Dazu treten noch die Tagebücher (z.B.
223 T. B. Barratt, F. J. Lee, A.J.
224 Tomlinson) und die Aufzeichnungen der Pioniere der
225 Pfingstbewegung. Sie sind oft in der Form von Autobiographien
226 geschrieben, enthalten aber manchmal genaue Angaben über Zeit,
227 Ort und Personen, so daß mit Geduld und Ausdauer eine
228 Kontrolle der berichteten Ereignisse durch die gleichzeitige
229 Berücksichtigung der betreffenden Tagespresse und der kirchlichen
230 Blätter möglich ist. Selten findet man mit Hilfe dieser
231 Berichte Personen, die sich bei gezielten Fragen noch an
232 Einzelheiten erinnern können. Solche frühen Quellen stehen vor
233 allem für die Geschichte der Pfingstbewegung in Europa, Amerika
234 und Afrika zur Verfügung. Es muß sie auch in Asien geben.
235 Mit Sicherheit ist mit Quellen aus China, Indonesien und Korea
236 zu rechnen.
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