Quelle Nummer 240

Rubrik 20 : GEOLOGIE   Unterrubrik 20.00 : GEOLOGIE

GEOLOGIE
OTTO H. SCHINDEWOLF
STRATIGRAPHIE UND STRATOTYPUS
IN: AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER LITERATUR
ABHANDLUNGEN DER MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN
KLASSE JAHRGANG 1970, NR. 2
VERLAG DER AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN UND DER LI-
TERATUR, MAINZ, IN KOMMISSION BEI FRANZ STEINER VER-
LAG WIESBADEN, S. 5 (BZW.(103)-


001  Zusammenfassung. Die Stratigraphie bildet eine
002  fundamentale Grundlage der gesamten Geologie und Paläontologie
003  mit allen ihren Einzeldisziplinen. Es besteht daher ein vitales
004  Intersse daran, sie intakt und arbeitsfähig zu erhalten.
005  Überspitzte Zergliederungen und vielgleisiger Begriffs-
006  Hierarchien haben jedoch in den letzten Jahrzehnten dazu geführt,
007  die logisch einfachen Voraussetzungen und Methoden der
008  Stratigraphie weitgehend zu verwirren. Leider - vom Standpunkt
009  des Verfassers aus gesehen - droht die Gefahr, daß dieser
010  Wirrwarr auch in dem z. Zt. vorbereitete Code der
011  Internationalen Stratigraphischen Kommission Aufnahme finden wird,
012  obwohl der Widerstand dagegen, vor allem in Kreisen außerhalb
013  der Kommission, ständig zu wachsen scheint. Der hier eingenommne
014  Standpunkt läßt sich in folgenden Sätzen zusammenfassen:
015  Es gibt nur eine Stratigraphie, deren Aufgabe die
016  zeitliche, historische Ordnung der uns überlieferten
017  Gesteinsschichten in weltgültigem Maßstabe bildet. Die
018  Lithostratigraphie befaßt sich mit einer räumlich-
019  faziellen Einteilung örtlicher Gesteinsfolgen auf rein
020  petrographischer Grundlage und lehnt den Zeitbegriff ausdrücklich
021  ab. Die Bezeichnung Lithostratigraphie ist in zweifacher
022  Hinsicht unzulänglich: der Name ist ein Pleonasmus, da jede
023  Stratigraphie es mit Gesteinen zu tun hat, und begrifflich handelt
024  es sich bei Negierung der Zeitkoordinaten überhaupt nicht um
025  Stratigraphie im eigentlichen Sinne. Andererseits liefern die
026  räumlichen Gesteinsprofile den Ausgangspunkt der zeitlich
027  orientierten Stratigraphie. Die Lithostratigraphie hat den
028  Charakter einer Prostratigraphie und wird überflüssig, sobald
029  eine echte Stratigraphische Gliederung durchgeführt werden kann.
030  Die Biostratigraphie fällt (beim heutigen Stand der
031  Dinge) mit der Stratigraphie schlechthin zusammen. Sie
032  bezeichnet lediglich die grundlegende Methode, die durch
033  Auswertung der in den Gesteinen eingebetteten Fossilien die
034  Durchführung der Stratigraphie ermöglicht. Die
035  Stammesentwicklung der vorzeitlichen Lebewelt bildet den einzigen
036  einmaligen und unwiederholten Ablauf in der Erdgeschichte, der
037  überregionale Altersdatierungen zu liefern vermag. Die Fossilien
038  tragen ihre zeitliche Prägung leicht ablesbar und wiedererkennbar
039  zur Schau; Schichtparallelisierungen sind dadurch wesentlich
040  erleichtert. Die Grundeinheit der Biostratigraphie ist die Zone
041  (für die allein gegen 90 verschiedene Termini vorgeschlagen wurden!),
042  definiert durch die Gesteine, die während der Lebensdauer
043  einer Art oder Organismen-Gemeinschaft gebildet wurden. Die
044  Biostratigraphie erhält dadurch selbstverständlich einen
045  zeitlichen Charakter, der ihr von manchen Autoren abgesprochen
046  wird. Demgegenüber soll nach anderer Auffassung nur die
047  Chronostratigraphie zeitliche Bedeutung haben. Auch sie ist
048  wiederum ein überflüssiger Pleonasmus, da alle Stratigraphie den
049  Zeitbegriff einschließt. Überdies wird eingeräumt, daß die
050  Chronostratigraphie nicht über eine eigene tragfähige Methode
051  verfügt, sondern nur biostratigraphisch begründet werden kann.
052  Damit die Chronostratigraphie identisch mit der Stratigraphie
053  ((math.Op.) Biostratigraphie). - Weitere angebliche stratigraphische
054  Verfahren, die aber keine Stratigraphie sind, werden lediglich
055  erwähnt, jedoch nicht im einzelnen besprochen. Die
056  Chronologie ist eine rein zeitliche Gliederung, hergeleitet
057  aus dem geschichtlichen Inhalt der Vorzeit. Ihre Zeitmarken
058  werden geliefert von den Ereignissen der Lebensgeschichte
059  (Biochronologie); sie können auch durch Ereignisse der
060  Erdgeschichte (Geochronologie) ersetzt werden, nachdem diese auf
061  biostratigraphischem Wege zeitlich datiert sind. Ebenso wie in der
062  menschlichen Geschichte werden natürliche Einheiten der
063  Gliederung dem Geschichtsablauf selbst entnommen, ohne Rücksicht
064  auf ihre absolute Zeitdauer. Chronologie und Stratigraphie
065  entwickeln sich in engen Wechselbeziehungen parallel nebeneinander;
066  die eine betont stärker die durch Gesteine definierte Zeit,
067  die andere mehr das zeitlich definierte Gestein. Eine gesonderte
068  Begriffshierarchie der Chronologie ist kaum erforderlich. Die
069  Chronometrie (im wesentlichen die Radiometrie) ist keine
070  Stratigraphie im eigentlichen Sinne; sie liefert einen leeren
071  physikalischen Zeitstab mit gleichen Intervallen, der von außen
072  her an die Erdgeschichte und Lebensgeschichte angelegt
073  wird. Die in Jahren und Jahrmillionen ausgedrückten Intervalle
074  sind keine historischen Zeiteinheiten, ebensowenig wie die
075  Jahreszahlen in der menschlichen Kulturgeschichte. Die
076  physikalische Zeitmessung steht in einem ähnlichen Verhältnis zur
077  Stratigraphie wie das metrische Gewichtssystem zu den gewogenen
078  Substanzen, über deren Natur, Geschichte usw. es nichts
079  aussagt. Wo Fossilien fehlen, kann allerdings die Radiometrie
080  mit einigem Erfolg zur stratigraphischen Datierung herangezogen
081  werden. Stratotypen (Typus-Profile) erfüllen
082  kaum einen sinnvollen Zweck. Da die Stratigraphie auf
083  biostratigraphischer Grundlage aufgebaut ist und ihre Einheiten aus
084  Zonen und Summen von ihnen bestehen, erscheint der Holotypus der
085  Zonenart bzw. der für die Gattung typischen Art wichtiger als
086  der Ort im Profil, wo diese Art zu finden ist. Wenn sich durch
087  spätere Erfahrungen herausstellt daß der Stratotyp lückenhaft
088  ist, daß an der markierten Grenze noch weitere Zonen einzufügen
089  sind, nützt die Grenzmarke gar nichts; sie muß versetzt werden,
090  da sie den Fortschritt nicht hemmen darf. Etwas ganz anderes
091  sind die Richtschnitte im Sinne R. RICHTER'S, meist
092  Schürfe, die der minutiösen biostratigraphischen Untersuchung
093  bestimmter Grenzschichten in typischen Gebieten dienen. Nachden
094  die Ergebnisse niedergelegt sind, haben die Richtschnitte ihren
095  Zweck erfüllt; sie können wieder zugeworfen werden. Eine
096  Mehrzahl von Stratotypen in verschiedenen Gebieten und Fazies-
097  Bereichen und für stratigraphische Einheiten verschiedener
098  hierarchischer Größenordnung verletzt das logische Prinzip
099  eindeutiger, widerspruchsloser Dokumentierung; die vorgeschlagene
100  Überfülle ist strikt abzulehnen. Zur Einführung
101  Die Stratigraphie bildet eine fundamentale Grundlage der
102  Geologie und Paläontologie. Ihre Aufgabe besteht darin, die
103  Gesteine der Erdkruste, die uns an ihrer Oberfläche als ein
104  buntes Mosaik von Einzelschollen einer einst übereinander
105  getürmten Gesteinssäule entgegetreten und teilweise auch durch
106  Bohrungen erschlossen sind, nach ihrer ursprünglichen
107  Bildungsfolge zu ordnen. Sie liefert damit Voraussetzung und
108  zeitlichen Rahmen zur historischen Entwirrung der geologischen
109  Vorgänge und Ereignisse. Historische, Allgemeine, Regionale
110  und Angewandte Geologie mit allen ihren Einzeldisziplinen sind
111  unabdingbar auf das Vorhandensein einer tragfähigen Stratigraphie
112  angewiesen. Ohne sie kein Einblick in die Baugeschichte
113  und Bildungsgeschichte der Erdrinde, in den Werdegang der
114  Festländer und Meere, keine vergleichende Tektonik,
115  Paläogeographie und Paläoklimatologie, keine historische
116  Behandlung der Gesteinsbildung, Gesteins umwandlung und
117  Gesteins zerstörung, keine gezielte Aufsuchung und
118  Auffindung nutzbarer Lagerstätten! Ebenso unentbehrlich ist die
119  Stratigraphie für die Paläontologie. Hier liegen allerdings die
120  Dinge so, daß die Paläontologie ausschlaggebend am Aufbau der
121  Stratigraphie (Biostratigraphie) beteiligt ist, die beiden
122  Disziplinen einander also wechselseitig durchdringen und fördern.
123  Andererseits spielen auch allgemein-geologische Erkenntnisse
124  eine Rolle bei der Fundierung der Stratigraphie, wenngleich nicht
125  in dem Umfange, wie es für die Paläontologie gilt. Wegen
126  dieser grundlegenden Bedeutung der Stratigraphie sollte man
127  annehmen, daß sie hinsichtlich ihrer praktischen Methodik und
128  theoretischen Abklärung ein längst abgeschlossenes
129  Forschungsgebiet sei. Hinsichtlich der praktischen Anwendung
130  trifft das im wesentlichen zu. Die ersten, naturgemäß noch
131  unvollkommenen Versuche einer historischen Gliederung der
132  Gesteinsschichten wurden vor rund 200 Jahren in Westeuropa
133  unternommen, und seit etwa 150 Jahren verfügen wir über die
134  bahnbrechende Erkenntnis von WILLIAM SMITH, daß die
135  Fossilien als die Überreste einstiger Lebewesen ein außerst
136  wichtiges Hilfsmittel zur relativen Altersbestimmung und Verfahren
137  sind im Laufe der Jahre verfeinert worden, aber sie haben ihre
138  prinzipelle Gültigkeit bis heute bewahrt. Wir arbeiten auch jetzt
139  in der Stratigraphie noch wesentlich mit den gleichen Methoden wie
140  damals. Als neues Moment ist in jüngster Zeit lediglich die
141  Möglichkeit hinzugetreten, eine physikalische
142  Zeitdatierung der Gesteine durchzuführen. Sie ist für manche
143  Betrachtungsweisen von unschätzbarem Werte; aber sie stellt,
144  wie wir später begründen werden, kein eigentlich stratigraphisches
145  Verfahren dar. Im Gegensatz zu dem ehrwürdigen Alter der
146  stratigraphischen Praxis stehen die neueren, vor etwa 30 Jahren
147  einsetzenden Bemühungen, die theoretischen Grundlagen der
148  Stratigraphie zu überprüfen und ihre Nomenklatur zu kodifizieren.
149  Sie lagen vor allem in den Händen nordamerikanischer Geologen
150  und erhielten einen wesentlichen Auftrieb durch die 1946 gegründete
151  American Commission on Stratigraphic Nomenclature. Sie hat
152  wertvolle Arbeit geleistet, daneben aber auch eine gewisse Neigung
153  zu Schematismus und Formalismus entwickelt. Manche Fesseln
154  europäischer Tradition wurden abgeforfen, dafür aber spitzfindige
155  Unterscheidungen eingeführt in einem Streben nach Perfektion und
156  einer Exaktheit, die dem Objekt gar nicht angemessen ist. So
157  entstanden in kurzer Zeit rund ein Dutzend verschiedener
158  stratigraphischer Begriffskategorien und Hunderte von
159  stratigraphischen und chronologischen Termini, wobei die rein
160  sprachlichen Synonyme der verschiedenen Idiome nicht einmal
161  mitgezählt sind! Im Jahre 1952 wurde weiterhin die
162  International Subcommission on Stratigraphic Terminology ins
163  Leben gerufen, die das Ziel einer internationalen
164  Vereinheitlichung der stratigraphischen Klassifizierung und
165  Terminologie verfolgt. Dieser Aufgabe hatten sich auch bereits
166  die ersten Internationalen Geologen-Kongresse, insbesondere
167  in Bologna (1881), Berlin (1885) und Paris (1900),
168  angenommen, die mit einem zweigleisigen Begriffssystem, einer
169  stratigraphischen und einer chronologischen Gliederung, sowie mit
170  insgesamt 10 hierarchischen Begriffen auskamen. Mit der
171  Fortführung dieser lange unterbrochenen Arbeiten wurde, wiederum
172  in Verbindung mit den Internationalen Geologen-Kongressen
173  (heute der IUGS) die genannte Subcommission beauftragt. Ihr
174  Präsident HOLLIS D. HEDBERG hat sich durch
175  selbstlosen Einsatz und unermütliche Aktivität große Verdienste
176  erworben. Da er bereits an den Arbeiten der American Commission
177  maßgebend beteiligt war, liegt es nahe, daß er ähnliche
178  Grundsätze auch in der Internationalen Subcommission zur Geltung
179  zu bringen sucht, glücklicherweise aber unter Vermeidung mancher
180  extremen Vorstellungen der neueren amerikanischen Literatur.
181  Gleichsam als Motto für die stratigraphische Methodik stellte
182  HEDBERG (1958, S. 1881) den Grundsatz der " Verity,
183  utility, and simplicity " auf. Nicht ganz im Einklang mit diesen
184  Forderungen aber glaubte er, ebenfalls ein vielgleisiges
185  Begriffssystem mit einer Fülle von Namen zu benötigen. Nach
186  der Bezeichnung der Kommissionen scheint die stratigraphische
187  Nomenklatur bzw. Terminologie ihr Hauptanliegen zu bilden.
188  Die zahlreichen Namen und Begriffe aber bergen die Gefahr, daß
189  die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Aufgabe abgelenkt wird,
190  nämlich einer Besinnung auf die Grundlagen und Grundfragen der
191  Stratigraphie, deren logische Struktur mir im Prinzip sehr
192  einfach zu sein scheint. Meinen eigenen Standpunkt habe ich
193  wiederholt dargelegt in den Diskussionen der Subkommission, in
194  Stellungnahmen zu den zahlreichen Rundschreiben und Fragebogen,
195  die von ihr zur Meinungserkundung der Mitglieder herausgegeben
196  wurden, sowie in einer ganzen Reihe von Veröffentlichungen (1928
197  -1967). Das alles ist nahezu wirkungslos geblieben. In dem
198  von HEDBERG herausgegebenen Bericht " Stratigraphic
199  classification and terminology " (1961 b), den er dem 21.
200  Internationalen Geologen-Kongress (Norden) erstattet hat,
201  figuriere ich (S. 31) neben dem geschlossenen Einspruch der
202  USSR Stratigraphic Commission als eine von nur drei
203  Einzelpersonen, die den Beschlüssen der Subkommission nicht
204  zustimmten. Dagegen scheint außerhalb der Kommission der
205  Widerspruch zu wachsen. D. V. AGER (1964, S. 471)
206  bezeichnet die in den Kopenhagener Richtlinien (Hedberg 1961b)
207  vorgenommene Aufteilung in Lithostratigraphie, Biostratigraphie
208  und Chronostratigraphie als " divorced from reality and
209  practicability ". Andere Autoren wie H. J.
210  HARRINGTON (1965, S. 1642) und P. C.
211  SYLVESTER-BRADLEY (1967, S. 52),
212  betrachteten gewisse stratigraphische Begriffe und Definitionen als
213  " purely metaphysical concepts " bzw. als umstrittene subjektive
214  Hypothesen. Nach einem schon früher von PATTERSON
215  *und STOREY (1957, S. 2140) gefällten Urteil, das
216  sich auf die Arbeiten der amerikanischen Kommission bezog, sind
217  wir bei einem nahezu ausweglosen " stratigraphic muddle " angelangt.J.
218  H. CALLOMON (1965, S. 81) sprach von
219  einer " widespread confusion in stratigraphical nomenclature ".
220  In seinem Bericht über das Jura-Kolloquium in Luxemburg
221  (1962) stellte A. J. LLOYD (1964, S. 252, 257)
222  fest, daß dieses Kolloquium den ersten praktischen Testfall zur
223  Erprobung der Kopenhagener Richtlinien hätte bilden können und
224  sollen. Aber man habe die Kopenhagener Vorschlage völlig
225  ignoriert und sei in der Praxis ganz anders verfahren. Wenn die
226  Dinge sich weiterhin in diesen divergenten Richtungen entwickeln
227  sollten, wäre das ein unverdientes Schicksal für den
228  Riesenaufwand an Zeit und Mühe der Internationalen
229  Subcommission. Es muß versucht werden, durch Annäherung der
230  kontroversen Standpunkte die Richtlinien zu einem wirklich
231  brauchbaren, maßgebenden Instrument zu gestalten. Zur Zeit
232  hat die Internationale Subcommission auf einigen der von ihr
233  erörterten Teilgebieten einen gewissen Abschluß erreicht. Zu
234  den Themen " Lithostratigraphic Units " und " Stratotypes "
235  liegen umfangreiche Entwürfe vor, deren Veröffentlichung geplant
236  ist als Grundlage für Diskussionen in weiteren Geologenkreisen.
237  Um bei dem jetzigen Stande der internationalen Verhandlungen nicht
238  den Eindruck zu erwecken " Qui tacet, consentire videtur ",
239  habe ich mich entschlossen, meinen widersprechenden Standpunkt
240  abermals darzulegen, der nach erneutem Durchdenken der Probleme in
241  einigen Formelierungen und Nuancierungen von meinen früheren
242  Darstellungen abweicht. Der Entschluß, diesen Essay zu
243  veröffentlichen, ist mir nicht ganz leicht geworden; denn einige
244  der darin kritisch besprochenen Auffassungen stellen meines
245  Erachtens nicht gerade Ruhmesblätter geologischer und
246  paläontologischer Theorienbildung dar. Nicht etwa die Absicht
247  herabzusetzen, sondern der Wunsch, nach Möglichkeit zu helfen
248  und zu bessern, war schließlich entscheidend. Ganz elementar
249  soll im folgenden überlegt werden, was wir in der Stratigraphie
250  haben, was wir brauchen, wie wir es anwenden und wie wir es
251  benennen. Unnötig zu sagen, daß der vertretene Standpunkt, der
252  eng an traditionelle Vorstellungen anknüpft, in gleicher Weise
253  subjektiv ist wie die abweichenden anderer Autoren. Eines aber
254  wird man ihm zugestehen müssen: daß er eine wesentliche
255  Vereinfachung (hoffentlich nicht im Sinne einer " simplification
256  terrible ") gegenüber den vielseitigen Begriffs-Hierarchien
257  der stratigraphischen Kommissionen und eine Entlastung von dem
258  Riesenwust der Namen bringt, die teilweise in ganz verschiedenem
259  Sinne angewandt werden und damit jede Verständigungs-
260  Möglichkeit in unerhörter Weise erschweren. " Vergessen wir
261  doch nicht, daß alle unsere Klassifizierungen und Begriffssysteme
262  Hilfen zur Erkenntnis sein sollen, nicht aber Selbstzweck mit dem
263  Ziele, ein Höchstmaß von Haarspalterei und Verwirrung
264  anzurichten " (SCHWINDEWOLF 1960, S. 5).
265  Stratigraphie. Überblick (Geschichte und Probleme)
266  Schon beim Begriff, Inhalt und Aufgabenbereich der
267  Stratigraphie scheiden sich die Geister. Ihr Wesen läßt sich
268  nicht rein semantisch aus der Bezeichnung Stratigraphie
269  (Schichtbeschreibung) ableiten; entscheidend ist der alte Brauch
270  und die heute vorwiegende Sinngebung. Ich weiß nicht, wer den
271  Begriff Stratigraphie geprägt hat. Eine der ältesten
272  Anwendungen (wenn nicht die älteste überhaupt) findet sich in
273  der grundlegenden Veröffentlichung von WILLIAM SMITH
274  (1817) " A Stratigraphical System of Organised Fossils ', in
275  der die schichtmäßige, raum-zeitliche Aufeinanderfolge der
276  Fossilien und der sie einschließenden Gesteine behandelt wird.

Zum Anfang dieser Seite