Quelle Nummer 237

Rubrik 02 : RELIGION   Unterrubrik 02.23 : SYSTEMATISCHE

THEOLOGIE UND AUFKLAERUNG
CHRISTIAN GREMMELS/WOLFGANG HERRMANN
VORURTEIL UND UTOPIE
ZUR AUFKLAERUNG DER THEOLOGIE
VERLAG W. KOHLHAMMER GMBH, STUTTGART-BERLIN-KOELN-
MAINZ 1971, S. 47-


001  Religion. wider die Unverschämtheit der
002  Priester. Religion als Mittel einer Herrschaft, die auf
003  Unmündigkeit und Gewalt sich gründet, wurde nicht erst von
004  Feuerbach und Marx kritisiert. Letztere konstatierte bereits in
005  der Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie:
006  " Für Deutschland ist die Kritik der Religion im
007  wesentlichen beendigt, und die Kritik der Religion ist die
008  Voraussetzung aller Kritik. " Die Religionskritik der
009  Aufklärung, auf die mitsamt ihrem Abschluß bei Feuerbach Marx
010  sich bezog, war nervus rerum ihres Kampfes gegen Vorurteile.
011  Diese Religionskritik verdichtete sich zur politischen Konkretion
012  im Vorwurf des Priestertruges. Dieses Motiv hat eine schier
013  ehrwürdige Tradition, greifbar schon in der witzigen apokryphen
014  Anekdote vom Bel zu Babel. Sie gründet sich in der Hypothese
015  von den drei großen Betrügern, nämlich Moses, Jesus,
016  Mohammed. Diese Hypothese findet sich erstmals im Zeitalter der
017  Kreuzzüge, und islamische Einflüsse aus dem 10.Jahrhundert
018  mögen vermutet werden können. Boccaccio nahm die Hypothese der
019  drei Erzbetrüger ind Decamerone auf; Lessing bildete sich zur
020  Ringparabel um. Die französische Aufklärung aber sah nicht nur
021  in den Religionsstiftern Begründer von Vorurteilen, sondern
022  polemisierte höchst konkret gegen den Betrug der Priester im
023  Verein mit den Fürsten und Herren. Vertreter dieser Kritik
024  sind vor allem Helv‚tius und Holbach. Die greifen auf
025  Tendenzen von Montaigne, Hobbes und Machiavelli zurück. In
026  England und Deutschland nahm diese erste Form moderner
027  Ideologiekritik eine andere Wendung als im radikalen Frankreich.
028  Die Philosophen der englischen Aufklärung kamen " nahezu
029  durchweg zu dem Ergebnis, daß ein - wenn auch zu reinigendes -
030  Christentum als die angemessene Verkörperung der allgemeinen
031  natürlichen Religion anzusehen ist ". Diese Ambivalenz zeigte
032  sich schon bei Hobbes, einem jener Philosophen, die den
033  Übergang der Renaissancephilosophie zur Aufklärung vermittelten.
034  In seinem " Leviathan " wird die Religion, ganz wie später
035  bei Feuerbach, als rein menschliches Phänomen, nämlich
036  psychologisch, begriffen: Religion als Resultante der Angst vor
037  unbegriffenen Mächten. Angst und Sorge, zumal auf dem
038  Hintergrund des englischen Bürgerkriges, erscheinen Hobbes als
039  unaufhebbare Grundbefindlichkeiten menschlichen Lebens. Sie
040  können nur durch fürsorgliche Autorität der Regierung
041  eingegrenzt werden, die einen relativen Frieden garantiert.
042  Hobbes will vor allem diesen bürgerlichen Frieden. Der aber ist
043  für ihn nicht anders als durch Herrschaft herzustellen. Religion
044  als rein menschliches Phänomen kann ein wichtiges Mittel dieser
045  Herrschaft sein; der Mechanismus von Angst und
046  Friedenssehnsucht eignet sich hervoragend für manipulative Politik.
047  Damit schlägt Religionskritik schon im Ansatz in
048  Religionstechnik um. Der Aufweis der gesellschaftlichen
049  Funktionen der Religion ermöglicht ihre bewußte
050  Funktionalisierung. Für Hobbes ist die Funktionalisierung von
051  Religion zu Religionstechnik positiv besetzt, da er anders das
052  Kalkül bürgerlichen Friedens nicht einlösen kann. Dabei hängt
053  die funktionale Kraft der Religion ganz von der persönlichen
054  Integrität ihrer Vertreter ab. Wird die Priesterkaste als
055  heuchlerich entlarvt, ist die von ihr vertretene Religion tot und
056  auch einer Friedenspolitik der Obrigkeit nicht mehr nützlich.
057  " So scheint mir ", schreibt Hobbes, " das Mißtrauen, das die
058  Priester erregen, immer die Ursache gewesen zu sein, wenn man
059  irgendwo in der Welt von einem Glauben abgefallen ist. "
060  Fürwahr, ein aktueller Satz. Religion gründet ihre
061  Wirksamkeit im Zutrauen des Volkes zu ihren Vertretern. Aus dem
062  Mißtrauen jedoch resultieren reformatorische Tendenzen:
063  " Denn die Leute, die der Unverschämtheit der Priester
064  schließlich müde wurden und die Wahrheit jener Lehren prüften,
065  die ihnen auferlegt wurden, begann den Sinn der Heiligen Schrift,
066  wie er in den gelehrten Sprachen steht, zu untersuchen, indem
067  sie griechisch und lateinisch studierten. Sie wurden daher mit den
068  demokratischen Grundsätzen von Aristoteles und Cicero bekannt,
069  aus Liebe zu deren Beredsamkeit wurden sie für deren Politik in
070  steigendem Maße eingenommen, bis es in die Empörung ausartete,
071  von der wir jetzt sprechen. " Dieser angelsächsisch-
072  pragmatische Reflex auf die Reformation verdient Beachtung. Sehr
073  genau erfaßte Hobbes die emanzipatorische Bedeutung der
074  humanistischen, also historisch-philologischen Studien. Die
075  Verbindung mit politischen Ideen ergibt den Beginn der
076  Ideologiekritik. Freilich konnte Hobbes diesen Ansatz der
077  Ideologiekritik schon von seinem doppelten Religionsbegriff her
078  nicht durchhalten. Vor allem aber hinderte sein Festhalten an der
079  Notwendigkeit unbedingter staatlicher Autorität die Einsicht in
080  seine eigenen erkenntnisleitenden Interessen. Daraus resultiert
081  auch eine gewisse Einseitigkeit seiner kritischen Analysen. Dazu
082  bemerkt Horkheimer: " Zum erstenmal in der neueren
083  Geschichtsphilosophie ist von Hobbes und der aufklärung das
084  Problem der Ideologie, d. h. der Beziehung als falsch
085  erkannter herrschender Vorstellungen auf die gesellschaftliche
086  Situation gestellt worden. Aber anstatt die Ideologie in ihrer
087  Abhängigkeit von der Gesellschaft zu begreifen, hat man sich mit
088  der Psychologie des Individuums begnügt, so daß schließlich als
089  Inhalt und Zweck der mittelalterlichen Religiosität
090  psychologischen Bestimmungen der bürgerlichen Welt wie
091  Privatinteresse, Geschicklichkeit, Erwerbstrieb,
092  Übervorteilung und Gewinn erschienen. " Die Religionskritik
093  hatte also selber ideologischen Charakter, Horkheimers Kritik
094  weist zugleich auf das hermeneutische Problem der historischen
095  Kritik hin, das nur durch Selbstkritik, d. h. Aufweis der
096  gesellschaftlichen Interesse an historischer Kritik, gelöst
097  werden kann. Das Fehlen dieser Selbstkritik läßt den Ausgang
098  aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit bei Hobbes auf halbem
099  Wege stillstehen. Hobbes formuliert eines der entscheidenden
100  Argumente der " gemäßigten ", d. h. englischen und
101  deutschen Aufklärung für das Christentum. Es besteht in
102  der Unterscheidung zwischen den Religionen der Heiden und
103  der natürlichen Religion, die freilich keineswegs mit dem
104  historischen Christentum deckungsgleich ist, aber nur innerhalb des
105  Christentums und von ihm her begriffen werden kann. Die
106  Kirchenkritik ist deshalb christliche Selbstkritik vom
107  Maßstab der natürlichen Religion her. Aber aus dieser Einsicht
108  scheinen nun praktische Konsequenzen nicht ableitbar. Außer der
109  einen, daß es jedem Menschen individuell überlassen werden muß,
110  wie er selbst zur natürlichen Religion und zum wahren Gott findet:
111  Religion wird an diesem Punkt Privatsache. Denn alles, was
112  an ihr öffentlich ist, findet lediglich seinen Ausdruck in der
113  erwähnten Religionstechnik. Freilich darf eine angedeutete
114  Alternative zur Religion der Innerlichkeit nicht unterschlagen
115  werden. Es ist dies die Idee der Theokratie. Hobbes
116  unterscheidet die Religion der Heiden von der wahren Religion
117  derart, daß bei den Heiden die Religion " nur ein Teil ihrer
118  Politik war " (historisches Beispiel: das römische Imperium).
119  Demgegenüber sind im " Königreich Gottes (...) sowohl die
120  Politik als auch die bürgerlichen Gesetze ein Teil der Religion "
121  (historisches Beispiel: die alttestamentliche Theokratie.)
122  Hobbes mag, zumal im Blick auf Cromwell, eine neue Theokratie
123  im Sinn gehabt haben, die dann allerdings einer Religion der
124  Innerlichkeit und des freien individuellen Gewissens keinen Raum
125  gelassen hätte, es sei denn im prophetischen Protest. Er konnte
126  sich aber als kritischer Empiriker von seinem Grund-Satz
127  " homo homini lupus " nicht lösen und so auch nicht von der
128  Quintessenz seiner Staatslehre: " auctoritas, non veritas facit
129  legem. " Diese Sätze ermöglichen einen zynisch-resignativen
130  Kritizismus, aber keine Zuversicht für die irdischen
131  Verhältnisse. Das Reich Gottes konnte nur erhofft und das
132  gegenwärtige Leben nur als vorläufiges in der Schwebe gehalten
133  werden: " Das irdische Leben ist doch als eine Zeit der
134  Vorbereitung auf die Christusherrschaft zu verstehen, und die
135  durch den Staatsvertrag begründete Friedensordnung ist der einzige
136  Weg zu einer christlichen Zukunft. " Diese Dialektik von
137  Hoffnung und Skepsis ist derart gefährdet, daß sie immer wieder
138  zerbricht, wie schon die Auslegungsgeschichte zu Hobbes zeigt.
139  Jedenfalls mag deutlich geworden sein, wie komplex eine ernsthafte
140  Religionskritik sich darstellt. Sie greift über Tagespolemik
141  hinaus, in der das Motiv vom Priestertrug seinen Ort hat,
142  verweist aber zugleich auf die Aufgabe einer Ideologiekritik, die
143  theologisch höchste Relevanz beanspruchen kann. Als Beispiel
144  für die Religionskritik der deutschen Aufklärung soll Chr.M.
145  Wieland stehen, der freilich über die Aufklärung hinaus
146  Impulse bis in die Frühromantik hinein getragen hat. Wieland
147  teilt die Vorurteilskritik der Aufklärung, so z. B. in
148  seinem Aufsatz " Über die Rechte und Pflichten der
149  Schriftsteller in Absicht ihrer Nachrichten, Bemerkungen und
150  Urteile über Nationen, Regierungen und andere politische
151  Gegenstände " (1785 im Teutschen Merkur erschienen). Dort
152  heißt es: " So wie es keinen wissenschaftlichen Gegenstand
153  gibt, den man nicht untersuchen, ja selbst keinen Glaubenspunkt,
154  den die Vernunft nicht beleuchten dürfte, um zu sehen, ob er
155  glaubwürdig sei oder nicht: so gibt es auch keine historische und
156  keine praktische Wahrheit, die man mit einem Interdict zu belegen,
157  oder für Contrebande zu erklären berechtigt wäre. Es ist
158  widersinnig, Staats-Geheimnisse aus Dingen machen zu wollen,
159  die aller Welt vor Augen liegen; oder übel zu nehmen, wenn
160  jemand der ganzen Welt sagte, was einige hundert tausend Menschen
161  sehen, hören und fühlen. " Der letzte Satz reflektiert die
162  empirische Ernüchterung des Zeitalters und gibt damit zugleich der
163  demokratischen Grundhaltung Ausdruck, wie sie auch in Deutschland
164  denkbar war. Wieland begreift Vorurteilskritik als politische
165  Aufgabe und begründet deshalb Religionskritik als Kirchenkritik,
166  ausgehend von der Kritik an den " Priestern ", die bei ihm fast
167  dasselbe negative Stereotyp bilden wie " die Juden " im
168  Johannesevangelium. Der bis heute nicht ausgetragene Gegensatz
169  zwischen " Priester " und " Prophet " ist eines der tragenden
170  Motive der Religionskritik und zieht sich bis in gegenwärtige
171  Auseinandersetzungen zwischen kirchlichen Bürokraten und
172  revolutionären Theologen hinein. In Wielands Essay " Gedanken
173  von der Freiheit über Gegenstände des Glaubens zu philosophieren "
174  (1788 im Teutschen Merkur erschienen) heißt es: " Die
175  Neigung zum wunderbaren und die Begierde das Künftige zu wissen
176  sind die schwächste Seite der menschichen Natur: die Priester
177  zogen zu große Vorteie von ihr, als daß sie sich nicht überall
178  (mehr oder weniger nach Maßgabe der übrigen Umstände) ein
179  Geschäfte daraus gemacht haben sollten, alle dieser einträglichen
180  Felder des Aberglaubens, als ihr eigenes Gebiet und Appanage,
181  möglichst anzubauen. Immerhin mochte es auch damals, wie noch
182  jetzt, Schwärmer und Einfältige unter ihnen geben, die im
183  Ernst an alle diese Torheiten glaubten; aber die meisten wußten
184  sehr gut, was an ihren übernatürlichen Künsten war, und ihr
185  Gewissen wurde gar bald harthäutig genug, ohne Compunction die
186  Schwachen zu betrügen, die so gern betrogen sein wollen, und
187  immer so geneigt sind, nicht nur ihr bißchen Vernunft, sondern
188  sogar ihre fünf Sinne knebeln und binden zu lassen, sobald sie
189  etwas übernatürliches zu sehen und zu hören hoffen. " Nach
190  diesem Muster zeichnet Wieland im Abderitenroman, einer der
191  klassischen Vorurteilsstudien, die Gestalten der konkurrierenden
192  Priester Strobylus und Agathyrsus und das von ihnen gestützte
193  Gespinst von Volksverdummung, Macht und Intrige. Auch
194  Wielands Religionskritik kann mit Horkheimer dahingehend
195  kritisiert werden, daß sie in ihren historischen Rückgriffen naiv
196  ist und statt einer gerechten Würdigung nur die Werte des
197  fortgeschrittenen Bürgertums rückprojiziert. Aber diese
198  Schwäche ist weder zentral, noch schmälert sie das Verdienst der
199  Aufklärer, mit der Kritik begonnen zu haben. In der
200  zuletzt zitierten Stelle klingt der Kantische Begriff der
201  Unmündigkeit durch; zugleich ist Lessings Gegenbegriff einer
202  " Erziehung des Menschengeschlechts " angelegt. Nach wie vor
203  besteht rechtens die Grundlage der Religionskritik im Aufweis des
204  Priesterbetruges am Volk; denn die Kirchen gingen fast
205  ungebrochen das Bündnis mit einer Herrschaft ein, die auf
206  Dummheit, Gewalt und Unterdrückung aufgebaut ist, wie nicht
207  zuletzt der dem Zeitalter höchst bewußte Prozeß des Galilei
208  noch einmal demonstriert hatte. Und auch fürsorglicher,
209  aufgeklärter Absolutismus blieb eben doch im Kern Despotie,
210  zumal wenn die Kirchen die ideologische Legitimation für diese
211  spezifische Form zweckrationaler Herrschaft bereitwillig lieferten.
212  Sinnliche Gewißheit und reines Sehnen (Hegel).
213  Die antiklerikale Polemik wird in voller Schärfe von Hegel
214  geteilt. In der " Phänomenologie des Geistes ", auf die wir
215  uns hier beziehen, spricht er vom Gegensatz von Glauben und
216  Einsicht, die " füreinander das eine das schlechthin Negative
217  des andern " seien. Der Glaube ist der reinen Einsicht " ein
218  Gewebe von Aberglauben, Vorurteilen und Irrtümern ", das sich
219  in einem " Reich des Irrtums " organisiert, und zwar
220  " unmittelbar, unbefangen und ohne Reflexion in sich selbst ". Das
221  Moment der Reflexion besteht getrennt von diesem Reich des
222  Irrtums; sie ist deshalb " eine im Hintergrunde für sich
223  bleibende Einsicht und böse Absicht " - also etwa das
224  religionstechnische Kalkül im Reich des Leviathan. Folgerichtig
225  resultiert daraus die Anklage des im Dienst der Herrschaft
226  stehenden Priesterbetruges über die unmündigen Massen. Denn der
227  Despotismus benutzt " die schechte Einsicht der Menge und die
228  böse Absicht der Priester " zur " ruhigen Beherrschung und der
229  Vollführung seiner Lüste und Willkür ", unterliegt aber
230  gleichwohl demselben Aberglauben und Irrtum wie Volk und
231  Priesterschaft. Die Schärfe dieser Kritik entzündete sich
232  immer wieder am historischen Material, das für Hegel bedrängend
233  in die Gegenwart reichte - Religionskriege, Hexenwahn, Folter,
234  christlicher Fanatismus, Dogmatismus und obrigkeitliche
235  Korruption der Kirchen. Indem Hegel in der " Phänomenologie
236  des Geistes " von der Aufklärung handelt, diskutiert er das
237  Verhältnis von Glauben und Einsicht, d. h. Kritik. Der
238  geschilderte, im Pfaffentrug sich zeigende Anatagonismus ist aber
239  erst die halbe Wahrheit und deshalb noch gar keine. Hegel hebt die
240  Religionskritik auf eine neue Ebene. Zunächst muß der Einsicht
241  der Glaube nur als Aberglaube erscheinen; denn die Einsicht
242  (Kritik) geht aus vom Zustand der empirischen Ernüchterung. Sie
243  begreift sinnich-manifeste Dinge als solche: Holz als Holz,
244  Brot als Brot. Der Glaube hatte einen anderen Begriff. Ihm
245  erscheint deshalb seine Negation durch empirische Ernüchterung
246  " als Lüge, Unvernunft und schlechte Absicht ". Er fühlt sich
247  vergewaltigt, profaniert, vom Teufel verfolgt. Der Glaube
248  erfährt die Aufklärung " als ein Sprechen, das nicht weiß,
249  was es sagt, und die Sache nicht versteht, wenn es von
250  Pfaffentrug und Volkstäuschung redet ". Glaube und Aufklärung
251  reden deshalb aneinander vorbei und erscheinen inkommensurabel, weil
252  beide vom Selben ausgehen: von unmittelbarer Gewißheit. Das
253  Recht des Glaubens liegt in seiner unmittelbaren Gewißheit, also
254  unvermittelter Selbstgewißheit, die durchaus das Bewußtsein
255  empirischer Inkorrektheit, etwa daß das Brot nicht Leib Christi
256  ist, aufheben kann: " in dem Wissen von dem Wesen, worin das
257  Bewußtsein die unmittelbare Gewißheit seiner selbst hat,
258  fällt der Gedanke der Täuschung ganz hinweg. " Für die
259  Aufklärung dagegen wird der Grund des Glaubens " zu einem
260  zufälligen Wissen von zufälligen Begebenheiten. "

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